Nutella: 50 Jahre Fett und Zucker

50 Jahre Nutella
50 Jahre NutellaDie Presse
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Ernährungsexperten verteufeln die braune Haselnusspaste, die aus zwei Dritteln Fett, einem Drittel Zucker besteht. Doch bei Liebeskummer und Frühaufstehen vermag sie zu trösten. Anekdoten zum Fünfziger von Nutella.

Da Schokolade in meiner Kindheit stets in einer Lade parkte, firmierte bei mir schon bald alles, was irgendwie süß und schokoladig war, unter „Gute-Lade“. Süßes war also mitnichten verboten, doch meine Eltern hatten Naschwaren in zwei Kategorien geteilt: vertretbares Zeug und Teufelszeug. Nutella gehörte eindeutig in Kategorie zwei (und hätte vermutlich auch nicht in die Lade gepasst). Mir war das sogar herzlich egal, ich wusste nicht, was ich verpasste. Somit näherte ich mich der Haselnusscreme erst spät und vorsichtig – und verfiel ihr dann umso mehr. Und zwar aus einem schlichten Grund: Die braune Paste, die andere verteufeln, schmeckt mir. Ich brauche sie nicht zum Frühstück und nicht bei Liebeskummer, sondern zur Steigerung des Serotoninspiegels. Ein Glas, wenn auch ein kleines, habe ich immer zu Hause. Dafür brauche ich keine Kekse, kein Eis und kein Marzipan – ein Löffel picksüße Nougatpaste reicht. Ich bilde mir ein, in Naschdingen eine genügsame Puristin zu sein. awa

Was (zumindest in Österreich) zu höchstens 7,4 Prozent aus Kakao besteht, kann keine Schokolade sein. Und auch kein Nougat. Sondern bestenfalls eine Haselnusspaste (wobei „Zucker-Pflanzenfett-Schmiere“ zutreffender wäre). Auf diese Genauigkeit muss ich mit der Strenge des späten Konvertiten pochen. Denn bevor ich 2009 nach Brüssel umgezogen bin, ist es mir gleichgültig gewesen, was genau ich da in stressigen Prüfungszeiten, nach Zores in der Arbeit oder Kummer in der Liebe in Dreiviertelkilogläsern inhaliert habe. In Brüssel jedoch warf es mich um wie einst Saulus auf dem Ritt nach Damaskus. Der Brüsseler an sich hat nämlich zur Schokolade ein ähnlich ernsthaftes Verhältnis wie der Wiener zum Grünen Veltliner. Bald hatte ich Bezugsquellen für meine schokoladistischen Vorlieben ausbaldowert: zur schnellen Bedürfnisbefriedigung die Gläser aus dem Supermarkt von Côte d'Or. Für das kennerhafte Gustieren nach vollbrachter Tagesarbeit die ganz Dunkle von Pain Quotidien. Und für besondere Anlässe – etwa das Flicken des mürben Nervenkostüms nach langen Nächten Europäischer Gipfeltreffen – den exquisiten Stoff von Marcolini. Sogar das Königshaus hat einen Chocolatier für Staatsgeschenke designiert; man muss sich den Belgier als glücklichen Menschen vorstellen. go


Freilich hat die schokoladige Paste picksüß geschmeckt, aber eine bittere Note ist immer geblieben, hat man doch das Nutella-Glas insbesondere dann aus dem Schrank geholt, wenn jemand in der Runde Liebeskummer hatte. Diese Teenagertage wünscht man sich nicht zurück. Damals war Liebeskummer endgültig, man lag zerstört in der Ecke, alles war hoffnungslos und schlimm, und nie, nie würde das Leben jemals wieder gut werden. Wir haben an die tröstende Wirkung des Schokoaufstrichs geglaubt. Wir haben, während wir tränenreich gejammert haben, die Paste löffelweise gegessen und unsere Mägen zugekleistert. Es hat zwar geholfen, und irgendwann ist alles wieder gut geworden, aber den Aufstrich essen wir nicht mehr, schon gar nicht mit dem Löffel. Viel zu süß – und zu bitter. duö

Man möge mir nicht immer dieses Klumpert geben, bat meine Mutter die befreundete Familie im ersten Urlaub meines Lebens am Gardasee. Ich dachte, das sei ein Name und verlangte fortan Klumpert, bekam es und habe bis heute nicht damit aufgehört. Wer täglich darunter leidet, dass er vor zwölf aus dem Bett muss, braucht süßen Trost. Meine Anverwandten pflegen ja eher den gepflegten, stets sogenannten Nutella-Schlecker, bei dem ein möglichst alter, möglichst tiefer großer Silberlöffel sachgerecht beladen wird. Ich verwende das Zeug gemäß Gebrauchsanweisung: als Frühstück (das man never ever im Kühlschrank lagert!). Immerhin bin ich mit den Jahren von Weizenknäcke- auf Vollkornbrot als Trägermedium umgestiegen. Sonst bin ich konditioniert markentreu. Versuche, mir aus dem Originalglas Billigkopien unterzujubeln, gingen schief. Andere, mir Nobelvarianten mit handverlesenen piemontesischen Haselnüssen anzubieten, ebenfalls. Und bitte, kommen Sie ja nicht auf die Idee, dasNutella zu sagen. Sie ist italienisch und weiblich. Sächlich ist nur das Klumpert. tes

Mein Vater durfte Schokolade essen, ich nicht. Dabei war er viel dicker als ich. Der Grund: Die Mutter wachte eisern über meine Zähne. Nachdem ich sie einmal zum Zahnarzt begleitete und sah, wie ein Metallröhrchen in ihren Kiefer geschoben wurde, hinterfragte ich nicht mehr, warum. Die Schokocreme war offenbar so etwas wie Fernsehen, ungesund, schädlich. Seit ich, was nun schon geraume Weile der Fall ist, groß bin, esse ich manchmal in Hotels die kleinen Portionen. Ich finde, sie schmecken köstlich! Für meine Tochter habe ich einmal ein Glas angeschafft, sie fand das Zeug zu süß. Dafür bin ich jede Nacht zum Kühlschrank geschlichen, und nach drei Tagen war das Glas leer. Nach einem Blick auf die Waage beschloss ich, kein neues mehr zu kaufen. Einmal habe ich es mit einer Biovariante der Schokocreme probiert. Die fand ich ultragrauslich. bp

Nein, mit besonderen Kindheitserinnerungen, bei denen Nutella vorkam, kann ich nicht dienen. Vielleicht, weil es nicht verboten war, aber auch nicht immer da war. Gegessen wurde es hin und wieder. Aber mehr auch nicht. Viel eher ist mir da eine Honigsemmel in Erinnerung, die uns – in irgendeinem Urlaub auf dem Land – eine unfassbar nette und unfassbar dicke Pensionswirtin gegeben hat. Ich glaube, es war in einem Garten, es hat geregnet, die – damals nur – fünfköpfige Familie war versammelt, und die Semmel hat unglaublich gut geschmeckt. Aber das Einzige, was bei Nutella hängen geblieben ist, ist die nervige Werbung. So viele grinsende Menschen am Frühstückstisch, nein das wollte ich nicht. Doch, eine Begegnung gab es, mit einem gleichaltrigen Mädchen – irgendwann in der Schulzeit –, das mir heimlich ihr Versteck gezeigt hat. Ab in die Speisekammer, auf das Nutellaglas, rein den Finger, abschlecken und blöd grinsen. Ich fand sie komisch. ks

Was Steckt drin?

2/3 Fett, 1/3 Zucker - das ist die Kurzformel für die Haselnusscreme, weshalb Ernährungsberater und Verbraucherschützer davor warnen. Die Rezeptur ist in jedem Land ein wenig anders. In Österreich besteht sie laut Aufdruck auf dem 750-g-Glas aus: „Zucker, pflanzliches Öl, 13% Haselnüsse, 7,4% fettarmer Kakao 6,6% Magermilchpulver, Süßmolkenpulver, Emulgator Soja-lecithin, Vanillin“. Der Haselnussanteil ist weit geringer als in anderen Nougatcremen.
Der Brotaufstrich wurde 1940 von dem italienischen Konditor Pietro Ferrero entwickelt. Seinen heutigen Namen erhielt die zuerst auf „Supercrema gianduja“ getaufte Creme 1964.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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