Kussmaul am Spittelberg: Indoor-Beete und Croissants

(c) FABRY Clemens
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Mario Bernatovic eröffnet demnächst mit dem Kussmaul sein eigenes Lokal samt Patisserie. Im Hinterkopf hat er dabei schon die nächsten Ideen.

Er war Arzt zu Zeiten, in denen man als Arzt noch vielseitig sein konnte, beschäftigte sich mit Augen, Magen oder dem Seelenleben der Neugeborenen – und damit, seinen Humor in Versform auszudrücken. So erfand der Deutsche Adolf Kußmaul den „Biedermaier“, der später einer ganzen Epoche den Namen gab.

Ein paar Tage lang, sagt Mario Bernatovic, habe er recherchiert, was früher in diesem Viertel los war, in dem sein künftiges Restaurant stehen wird. „Und da kommt man schnell auf Biedermeier und Kußmaul.“ Der Name, fand er, passe für ein Lokal. Auch weil er etwas durchaus Derbes habe – immerhin sei der Spittelberg ja lange ein Rotlichtviertel gewesen.

Historisch ist auch das Haus, in dem Bernatovics Kussmaul gerade im Entstehen ist: Im ehemaligen „Stiftungshaus der Kleidermacher Wien für deren Witwen und Waisen“ lag die ehemalige Crêperie, in der nun die Bauarbeiter zugange sind. Es sei für ihn ein bisschen „back to the roots“, sagt der Koch, der sich seine Meriten zuletzt im Motto am Fluss verdiente. Er sei nämlich selbst im siebten Bezirk, in der Burggasse, aufgewachsen. Das passt nun nicht ganz zum immer wieder zu lesenden Hinweis, er stamme aus der Gegend um Zadar. Widersprechen will er aber auch nicht wirklich: Dort, von einer Insel, kommt sein Vater her, dort hat die Familie ein Haus, dorthin fährt er gern und oft.

Am Kochlöffel laufen gelernt

Sein Vater, erzählt Bernatovic, war es auch, der den Kochlöffel hielt, an dem er laufen lernte. „Er hat ihn dann irgendwann einfach losgelassen, angeblich konnte ich schon mit neuneinhalb Monaten gehen.“ Als der Sohn dann nicht nur im Fernsehen Paul Bocuse und den Häferlgucker verfolgte, sondern mit 15 selbst Koch werden wollte, blieben die Eltern allerdings skeptisch. Wer, so der Tenor, wolle schon am Sonntag arbeiten?

Heute, nach 20 Jahren, die Bernatovic nach Kroatien oder in David Bouleys gefeiertes, mittlerweile dennoch verblichenes New Yorker Danube geführt haben, seien sie doch ein wenig stolz, glaubt er. „Aber sie verstehen noch immer nicht, dass man so viele Stunden im Restaurant verbringen kann.“ Tatsächlich, sagt Bernatovic beim Gespräch im Kussmaul-nahen Amerling-Café, dass er „fast andauernd in einem Restaurant sitzen könnte, entweder arbeitend oder als Gast“. Und schon mit 15 habe er erstmals den Gedanken gefasst, das dereinst im eigenen Lokal zu tun.

Das soll nun, so die Hoffnung, Ende Mai fertig sein. Eigentlich hat der 35-Jährige im Vorjahr noch optimistisch an eine Eröffnung im vergangenen November gedacht. „Aber es hat gedauert, wegen der Baugenehmigung. Das hab ich mir schneller vorgestellt.“ Dann habe man auch noch neue Leitungen gebraucht, „und sobald du anfängst, zu graben, kommen die Schätze zutage – wo in den Keller seit Jahren das Wasser hineintropft.“

Nun ist alles trocken, die Teller sind bestellt, auch die japanischen Stühle und die Tische aus altem Holz. „Industriell, aber kein Shabby Chic, mit tollen Materialien“, beschreibt der Koch das Design, für das er die Architekten von BEHF engagiert hat, die (neben Fabios oder Bloom) auch schon damals das Motto am Fluss gestaltet haben. Dessen Chef, Bernd Schlacher, war auch gerade da: um die Baustelle seines Exkochs kritisch zu begutachten. Da die offene Küche mit gegenüberliegenden „Chef's Tables“, dort Indoor-Gemüsezucht unter der schwarzen Decke, dazu Bar, Patisserie und zwei Wintergärten. Er wolle, sagt Bernatovic, alles selbst machen: Nudeln, Sauerteigbrot, Croissants. Das Konzept? „Harvest Cuisine“, für die er eng mit Bauern zusammenarbeiten wolle. „Modern-eklektisch. Das, was angesagt ist, wird es geben.“

Und irgendwann vielleicht noch mehr. Er habe so einige Konzeptideen im Kopf, verrät der Koch. Eine kleine Bar, irgendwann einmal ein Wirtshaus. Eine Dependance für die Patisserie. Oder das Konzept des Kussmaul, „transportiert in eine andere Stadt“.

AUF EINEN BLICK

Mario Bernatovic (35) wurde als Sohn kroatischer Eltern in Wien geboren und wuchs zweisprachig auf. Er kochte u.a. im Weibel drei, Seidl, Ilija, Danube oder Motto am Fluss. Ende Mai will er mit einem Soft Opening im Kussmaul in der Spittelberggasse 12 zu kochen beginnen. Restaurant und Café umfassen 120 Plätze inklusive je einem Wintergarten, für die Gestaltung war BEHF verantwortlich. Die Rohstoffe sollen „soweit möglich“ biologisch, jedenfalls nachhaltig sein, die Hauptgerichte um die 25 Euro kosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2014)

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