Der Sirup der wilden Blüte

Der Sirup der wilden Blüte
Der Sirup der wilden BlüteClemens Fabry
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Ein junges Ehepaar hat sich im niederösterreichischen Oberhellgrund auf seltene Blütensirupe wie Wiesensalbei spezialisiert und lebt dabei im Einklang mit der Natur.

Würde man im Lexikon nach Bildern unter den Stichworten Idylle, Jungfamilie und Natur suchen, man würde vermutlich eines der Familie Tiefenbacher finden. Denn wo und wie Agnes und Markus Tiefenbacher im niederösterreichischen Schwarzenbachtal arbeiten, passt hervorragend zur aktuellen Sehnsucht nach Ruhe, Natur und Einfachheit – Idylle eben. Das junge Ehepaar bewirtschaftet den gut versteckten Bio-Bauernhof Oberhellgrund bei St. Veit an der Gölsen und hat sich dabei auf rein pflanzliche Produkte spezialisiert – die drei Ponys auf dem sechs Hektar großen Grundstück sind nur für die Kinder der Heurigenbesucher da, die Bienen für die Blüten, die verarbeitet werden, und die Eier der Hühner lediglich für den Eigenverbrauch.

Sehnsucht Bauernhof. „Wir wollten immer schon einen Bauernhof. Ich bin auch mit der Natur aufgewachsen, meine Mutter hat immer Brennnessel gepflückt oder Kräuter gesammelt“, sagt Agnes Tiefenbacher. 2009 hat das junge Paar den Hof, auf dem einst auch Schafe und Hochlandrinder geweidet haben, übernommen. Dreimal im Jahr öffnen sie ihre Tore anlässlich eines Mostheurigens – nicht nur, aber auch für die Wanderer in der Region. Bis zum Pfingstmontag ist jeweils Mittwoch bis Sonntag geöffnet. Wenn der Heurigenbetrieb eingestellt wird, produzieren sie Blüten-, Kräuter- und Fruchtsirupe sowie -aufstriche, Teemischungen, Gewürze, Kräutersalze und Liköre.

Derzeit wird gerade Wiesensalbei gepflückt, dessen lila Blüten auf der großen Blumenwiese vor dem Haus herausstechen. „Die Blüten sammeln wir immer am späten Vormittag bis frühen Nachmittag, immer dann, wenn die Sonne am stärksten ist, denn dann sind sie trocken und am intensivsten“, erklärt die Hausherrin. Im Gegensatz natürlich zu den Kräutern, die am besten in den frühen Morgenstunden gesammelt werden.

Das Paar hat sich bei den Blüten auf außergewöhnliche Sorten spezialisiert. „Holunderblütensirup mache ich gar nicht mehr, den machen eh alle selbst daheim, den kauft keiner. Wir machen lieber Sorten, die nicht jeder hat“, sagt Agnes Tiefenbacher, während sich ihr Mann um den sieben Monate alten Sohn Aeneas kümmert. Der Sirup der Wildkirschen-, Herzkirschen- und Fliederblüten ist schon fertig produziert, aktuell sind die Blüten des Wiesensalbeis an der Reihe. „Wichtig ist, dass man immer nur ein Drittel erntet, damit man der Natur nicht zu viel wegnimmt, auch für die Bienen und Hummeln“, sagt Agnes Tiefenbacher. Und während sie so auf der Blumenwiese steht und plaudert, wird der Haushund unruhig und beginnt zu bellen. „Das ist ein Hirtenhund, ein Arbeitstier. Der will mich weitertreiben, es passt ihm nicht, dass ich zu lange an einer Stelle stehe“, sagt sie und geht weiter. An die 100 Liter pro Sorte verarbeiten die beiden zu Sirup und Nektar – rund 15 verschiedene Sorten werden verarbeitet. Neben den verschiedenen Blütensirupen (auch Rosen- und Lindenblüten oder Veilchen) werden Fruchtsirupe produziert, etwa aus Ringlotten, Dirndl, Elsbeere oder Spängling. Letzterer sei sehr beliebt, versichert die Hausherrin. „Das ist die Wildfrucht der Marille und schaut aus wie eine Zwetschke, nur gelb.“

Die Blüten werden auch getrocknet und zu Teemischungen oder Kräutersalzen verarbeitet – oder auch frisch als Salate beim Heurigen serviert, etwa mit wilden Margeriten, Wiesenbocksbart, Käspappel oder Rotklee. „Ich mache auch gern ein Pesto aus Wildkräutern – ohne Parmesan, aber mit Walnüssen, ich will das verwenden, was hier wächst“, sagt Agnes Tiefenbacher, die gelernte Pädagogin ist, während ihr Mann eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert hat.


Viele Kriecherl, wenig Äpfel. Mit den Launen der Natur gehen die beiden gut um. Ernteausfälle machen ihnen wenig Sorgen, da sie ohnehin breit aufgestellt sind. „Wenn von einem nicht viel da ist, muss man eben auf das andere zurückgreifen. Die Bienen müssen sich auch danach richten, was eben gerade da ist.“ So gebe es heuer etwa sehr viele Kriecherl – und dadurch wohl viel Kriecherlschnaps und -marmeladen. „Die Birnenblüte schaut auch sehr schön aus, die Kirsche auch, die Äpfel aber eher weniger.“

Wie sie ihre Blütensirup herstellen, wollen sie lieber nicht so genau verraten – „die Leut' sollen sich die Arbeit sparen und lieber bei uns kaufen“, sagt Agnes Tiefenbacher, nur um dann doch das Rezept zu verraten. Auf einen Liter Wasser kommen grob zwei Hände voll Blüten. Beim Wiesensalbei werden zuvor die Blüten vom Stängel gezupft. Den könne man zwar auch essen, zum Beispiel in Salaten, in den Sirup passt er aufgrund des bitteren Geschmacks jedoch nicht so gut. Die Blüten kommen in eine große ballonförmige Flasche, danach wird „ein bisschen“ Zucker und „wenig“ Zitronensäure dazugegeben und die Mischung mit abgekochtem Wasser aufgegossen. Das Ganze wird gut durchgeschüttelt, kann dann drei Tage ziehen, anschließend wird es aufgekocht und abgefüllt. „Aber frisch schmeckt's natürlich am besten.“

Bei weniger intensiven Blüten wie Rosen kommen nach 24 Stunden neue Blüten hinein. „Weil sie so zart sind, sonst schmeckt man das ja nicht. Ich gebe auch kein Rosenwasser dazu, das gibt es kaum ohne synthetische Stoffe. Und dann kann ich mir die ganze Arbeit mit der Natur sparen, wenn ich dann doch etwas Synthetisches reingebe.“ Die Blüten der hauseigenen Wildrose riechen zwar nicht so intensiv, wirken aber blutreinigend.

Schnaps und Likör werden in der Garage produziert, lediglich den Most lassen die beiden außer Haus pressen. Getrunken kann er dann aber vor Ort werden – inmitten der Idylle.

In Kürze

Oberhellgrund
Verkauf der Naturprodukte: Online, ab Hof und an Verkaufsstellen in der Umgebung. oberhellgrund.at Der Most- und Sirupheurigen ist dreimal im Jahr geöffnet, aktuell bis 9.Juni (anschließend 30.7. bis 17.8. und 17.9. bis 12.10), jeweils Mi bis Sa ab 16Uhr, So und Fei ab 10Uhr.
Schwarzenbach-Straße 135, 3161 St. Veith an der Gölsen/Schwarzenbach

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2014)

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