Die Suche nach dem perfekten Eis

Nora Kreimeyer, Maria Fuchs, Robert Hollmann und Simon Xie Hong (von links) bei der ersten Runde des Eistests.
Nora Kreimeyer, Maria Fuchs, Robert Hollmann und Simon Xie Hong (von links) bei der ersten Runde des Eistests.Die Presse
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Das beste Eis ist eine höchst subjektive Angelegenheit. "Die Presse am Sonntag" bat vier Gastronomen, drei Klassiker und eine Spezialität des Hauses zu verkosten.

Der Tichy wusste schon, warum. Seit Jahrzehnten wirbt das Wiener Traditionsunternehmen mit dem Slogan „Weil Eis nicht Eis ist.“ Und er hat recht. Denn Eis ist vieles, aber eben weit mehr als nur Wasser, Milch, Zucker, Eier und der jeweilige Geschmacksträger, egal, ob Vanille, Schokolade oder eine Frucht. Eis ist Kindheit, Eis ist Sommerferien, Eis ist Schule schwänzen, Eis ist das erste Rendezvous, Eis ist drauf pfeifen und sich auf eine Parkbank setzen, Eis ist das Meer, Eis ist eine Belohnung nach einem langen Spaziergang, Eis ist – zumindest für die meisten von uns – so ziemlich alles, was positiv besetzt ist.

Eis hat also schon einmal prinzipiell einen Pluspunkt gegenüber anderen Lebensmitteln. An Eis werden aber auch hohe Erwartungen gestellt. Dass diese natürlich höchst subjektiv und auch situationsabhängig sind, hält uns nicht davon ab, jedes Jahr aufs Neue über das beste Eis zu diskutieren. „Die Presse am Sonntag“ hat deshalb vier Wiener Gastronomen gebeten, Eis blind zu verkosten. Getestet wurden drei Klassiker: Vanille – das laut Umfrage der Wirtschaftskammer das Lieblingseis der Österreicher ist –, Erdbeere – die heimischen Eismacher haben heuer die „Beere in allen Variationen“ zum Eis des Jahres gekürt – und schließlich Schokolade, um die klassische Dreifaltigkeit abzurunden. Als Draufgabe wurde eine vom Hersteller empfohlene Spezialität des Hauses verkostet. Die vier Tester – Robert Hollmann (Hollmann Salon), Nora Kreimeyer (Mamsell), Maria Fuchs (Mari, Disco Volante) und Simon Xie Hong (On, On Market, China Bar) – haben Produkte von fünf Wiener Herstellern verkostet: Tichy, Ferrari Natural Gelato, Tuchlauben Eis, Veganista und dem Eissalon am Schwedenplatz von Molin-Pradel. Getestet wurde im Gastgarten des Hollmann Salons. Es wurde um eine jeweilige Stockerlplatzierung (Plätze 1, 2, 3) gebeten sowie um ein paar Kommentare zu den Kategorien Optik, Geruch, Geschmack, Konsistenz und „perfektes Eis für...“

Vanille – für Masochisten. Den Anfang machte die Vanille, wobei eine Eisbox mit Tonkabohne (Veganista) hineingeschummelt wurde. Die Tester nahmen das sehr genau, die Tonkabohne wurde zwar positiv aufgenommen, aber – mangels Vergleichbarkeit – ignoriert. Generell waren die vier von den Vanillevarianten nicht sehr begeistert. „Zu süß“ und „für Kinder“ wurde geurteilt. „Was man hier an Eis bekommt, hat nichts damit zu tun, was man in Sizilien bekommt“, meinte Fuchs enttäuscht. Das Eis schmecke generell leer, so Hollmann. „Ja, aber so ist Vanilleeis, dann kann man es wenigstens kombinieren“, meinte Kreimeyer. Sie kürte, ebenso wie Xie Hong, das Eis von Ferrari zum besten Vanilleeis. Ohne es allerdings zu wissen, denn das Eis wurde nummeriert, die Auflösung erfolgte erst nach dem Test. Für Hollmann hatte Tichy das beste Vanilleeis, das wiederum hat Xie Hong als „perfektes Eis für Masochisten“ bezeichnet, auch für Fuchs war die Tichy-Vanille eher ein Eis für „Anspruchslose“. Ihre Vanille Nummer eins kam von Tuchlauben Eis.

Weiter ging es mit den Erdbeervarianten, die allein farblich eine wesentlich größere Vielfalt boten. Schön langsam kam die Gruppe in Fahrt, es wurde hitzig diskutiert. Von „wie ein Klostein mit E-Geschmack“ (Hollmann über Tichy) über „ein perfektes Eis für das China der 90er-Jahre“ (Xie Hong ebenfalls über Tichy) bis zu „pfui, Spinne, bäh“ (Kreimeyer über Veganista). Einigen konnte man sich dennoch – und zwar wieder auf die Variante aus dem Haus Ferrari. „Es ist zwar kein Eis, sondern ein Sorbet, aber das beste“, lautete das gemeinsame Urteil. „Das ist das perfekte Eis für Mädchenbrause“, meinte Kreimeyer und klärte die Nichtdeutschen darüber auf, dass damit Sekt gemeint sei.

Fuchs wiederum würde das Sorbet mit Wodka servieren und als Herrengedeck verkaufen. Woraufhin Gastgeber Hollmann eine Flasche Sekt aus dem Weingut der Heiligenkreuzer Mönche orderte. Einerseits um die Geschmacksknospen zu neutralisieren, andererseits deshalb, weil Eis eben mehr als Eis ist – zum Beispiel auch geselliges Beisammensein.


Gastronomisches Trauma.
Noch bevor die dritte Runde serviert wurde, ging es plötzlich los mit den Emotionen und Erinnerungen. „Schuld“ daran ist auch die Verpackung aus dem Haus Tichy. Der hohe Becher hat es den Verkostern angetan. „Das erinnert mich an die Eisverkäufer von früher“, sagte Hollmann und gab mit „früher“ das magische Stichwort. „Ich liebe ja den Tichy, der ist so schön, der darf sich nie ändern“, meinte Fuchs. Hollmann gab ihr recht, er fühle sich beim Betreten des Eisgeschäftes jedesmal wie ein kleiner Bub.

Und nicht nur Erinnerungen wurden geweckt, sondern auch Ideen für die Zukunft diskutiert. „In Wien ist da noch viel Platz für gutes Eis. Ich als Geschäftsfrau sehe da viel Potenzial“, sagt Fuchs. Xie Hong, der in den 1990er-Jahren in Mistelbach ein Eisgeschäft hatte, packt plötzlich sein Trauma aus. „Ich bin davon traumatisiert. Dieser schwere, milchige Geruch und die pickigen Hände sind für mich die Hölle.“ Davon können die anderen ebenfalls ein Lied singen – wenn auch mit anderen Produkten. Kreimeyer geht es mit Lammfleisch ähnlich, nachdem sie in einer solchen Manufaktur gearbeitet hat. Hollmann hingegen kann nach seiner Konditorlehre beim Heiner weder Krapfen noch Schokoladensauce sehen. „Ich habe eine Flüssige-Schokoladen-Phobie, da muss ich den Tisch verlassen, da kriege ich Gänsehaut.“ Dementsprechend unangenehm war die nächste Runde für ihn.

Als dritter Gang wurde nämlich Schokoladeneis serviert. Auch hier gab es – vor allem bei Ferrari und Veganista – deutliche Farbunterschiede. „Das ist kein Eis, das ist eine Krankheit“, meinte Kreimeyer über die Ferrari-Variante, die ob der heißen Temperaturen und des flachen Bechers dahinschmolz. „Das ist eine Sacher-Glasur, aber darum geht es hier nicht“, so Hollmann. Noch schlimmer erwischte es die Veganista-Variante: „Das schaut schrecklich aus, die Konsistenz geht gar nicht. Es ist nicht emulgiert“, so Kreimeyer. Xie Hong hat sich plötzlich mit Tichy angefreundet – „und nein, das liegt nicht nur am Sekt“. Die anderen tun es ihm gleich und vergeben dem Schokoladeneis vom Tichy die Bestnote.


Bier, Champagner und Eis. Mittlerweile ist die Runde bei den privaten Eisvorlieben angelangt. „Es gibt drei Sachen, die in meinem Leben einen riesigen Faktor darstellen: Bier, Champagner und Eis. Meine Frau und ich können abends locker eine Zwei-Liter-Box essen“, meint Hollmann. Kreimeyer outet sich als jahrelangen Joghurt-Eis-Fan, aber „derzeit erlebe ich einen Umbruch in Richtung Schokolade“. Für Fuchs, die in Italien studiert hat, gibt es das perfekte Eis sowieso nur in Italien. „An der Bar, wie einen Espresso.“ Und mit Italien ist das nächste Stichwort zum Thema Eis und Emotionen gefallen. Kreimeyer hat ihr „bestes Eis der Welt“ in Cinque Terre gegessen, ein Pistazieneis. Nur Xie Hong tut sich noch ein bisschen schwer. „Es weckt Erinnerungen an meine Anfangsphase in Mistelbach. Ein Chinese, der Eis verkauft, war schon ein Widerspruch. Ich sage, es war eine Sommeraffäre, eine süße, die schnell beendet wurde.“

Ein bisschen versöhnt wurde er dann in der Schlussrunde, als die Spezialitäten der jeweiligen Hersteller kredenzt wurden. Das Haselnusseis vom Tichy war für Hollmann das „beste Eis der Welt“. Das Marillensorbet (Ferrari) stieß auf ebenso wenig Begeisterung wie das Basilikumeis (Veganista). Die Schwarze Johannisbeere (Tuchlauben) war für Kreimeyer „das perfekte Eis für: immer“. Und die Tagesspezialität Honig-Safran (Schwedenplatz) wurde als „perfektes Handwerk“ gelobt.

Fazit: Tichy hat abgeräumt, auch durch seine Beständigkeit. Generell zollen alle den Eismachern Respekt dafür, täglich ein gutes und gleich schmeckendes Produkt zu machen. Aber jetzt sei es auch wieder genug mit dem Eis – die Erinnerungen tun es auch.
Mitarbeit: Marlies Kastenhofer

Die Testsieger

Getestet wurden vier Sorten (Vanille, Erdbeere, Schokolade und eine Spezialität des Hauses) von fünf Produzenten (Tichy, Ferrari Natural Gelato, Tuchlauben Eis, Veganista, Schwedenplatz Molin-Pradel).

Vanille
Platz 1: Ferrari Natural Gelato
Platz 2: Tuchlauben
Platz 3: Schwedenplatz

Erdbeere
Platz 1: Ferrari Natural Gelato
Platz 2: Tuchlauben
Platz 3: Tichy

Schokolade
Platz 1: Tichy
Platz 2: Tuchlauben
Platz 3: Schwedenplatz

Spezialität des Hauses
Platz 1: Tichy
Platz 2: Schwedenplatz
Platz 3: Tuchlauben

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2014)

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