Ein Müsli aus Urgetreide

In der Tiroler Biomanufaktur wird Urgetreide verarbeitet.
In der Tiroler Biomanufaktur wird Urgetreide verarbeitet.Verival
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Jahrelang galt Getreide zum Frühstück als etwas langweilig. Die Tiroler Biomanufaktur Verival setzt hingegen auf Urgetreide und individuelle Müslimischungen. Ein Besuch.

Gut eine Stunde nimmt sich Wolfgang Foitl jeden Tag Zeit für sein Frühstück – nicht nur am Wochenende. Ein kleiner Luxus, den sich der Unternehmer ohne schlechtes Gewissen gönnt. Schließlich hat der Wiener auch beruflich mit der ersten Mahlzeit des Tages zu tun: Er ist Miteigentümer und Geschäftsführer der Tiroler Biomanufaktur Verival, die sich auf Müslis und Getreideflocken spezialisiert hat. „Die erste Mahlzeit des Tages gewinnt an Bedeutung. Es ist oft die einzige Zeit, in der die Familie gemeinsam am Tisch sitzt“, sagt Foitl. Er versteht sich ein bisschen als Frühstücksbotschafter in Österreich – und packt dabei gerne wohlbekannte Weisheiten aus, die ein bisschen an das schlechte Gewissen appellieren: Das Essen am Morgen aus Stress oder Bequemlichkeit einfach auszulassen, könne sich rächen. Mit einem ordentlichen Frühstück im Magen verfüge der Körper über ausreichend Energie für den Tag, man brauche daher weniger Snacks zwischendurch und schlage somit dem Heißhunger ein Schnippchen. „Übergewicht hat stark mit dem Frühstücksverhalten zu tun“, betont er gerne.

Das immer stärker werdende Interesse an gesunder und guter Ernährung kommt ihm dabei gerade recht. Jahrelang wurde Müsli nämlich nicht gerade mit einem hohen Spaßfaktor assoziiert. Die Körner in der Schale galten als langweilige Nahrung für Ökofreaks und Gesundheitsapostel. Doch mittlerweile haben knusprige Müslivarianten – Crunchys, Pops und Granolas – ein anderes, weitaus positiveres Image, das ihnen erlaubt, in angesagten Cafés in New York, London und Co. eine Hauptrolle zu spielen. Getreide zum Frühstück ist also mittlerweile zu einem Lifestyleprodukt geworden, das man nicht mehr zu verstecken braucht. Das wissen auch die Tiroler.

Früchte, Flocken und Körner aus biologischem Anbau sind für den Frühstücksspezialisten Foitl seit Jahrzehnten selbstverständlich. Schließlich ist Verival aus dem Unternehmen des Tiroler Biopioniers Engelbert Perlinger hervorgegangen. Die Idee, die Kette vom Feld auf den Teller zu schließen, lag deshalb nahe. „Bio allein reicht heute nicht mehr“, nennt Foitl einen Grund dafür, dass man sich in Langkampfen für alte Getreidesorten zu interessieren begann. Vervial suchte nach in Vergessenheit geratenen Roggen-, Weizen-, Gerste- oder Hafersorten und gewann Bauern für die Idee, dieses Getreide wiederzubeleben. Zehn Bauern in Oberösterreich, Niederösterreich und dem Burgenland bestellen für Verival ihre Felder. Heuer wurde erstmals genug geerntet, um alle Flocken für Urgetreidemüslis aus eigener Produktion zu decken.


Müsli für Allergiker.
Ein Grund dafür, dass Verival auf Urgetreide setzt: „Es ist ernährungsphysiologisch signifikant besser“, weiß Roland Kluy, der beim Müslispezialisten für Einkauf und Produktion zuständig ist. Der Agrarexperte steht auch hinter dem Verival-Weizen, einer speziellen Kreuzung alter Sorten. Ende Juli wurde dieser hauseigene Rotweizen, der im Oktober vergangenen Jahres erstmals in Österreich auf einer Fläche von knapp zwei Hektar ausgesät worden war, geerntet. Der Weizen mit dem roten Spelz sieht schön aus und schmeckt sehr intensiv nach Nüssen.

Im Schaugarten vor der Verival-Zentrale in Hopfgarten kann man dem Getreide, das später in die Müslis gemischt wird, beim Wachsen zusehen: Winterroggen, Einkorn, Emmer, Gelbhafer, Dinkel oder Amaranth, der wegen seines hohen Eiweiß- und Mineralstoffgehalts geschätzt wird, aber streng genommen keine Getreidesorte, sondern ein Süßgras ist.

Weil Amaranth glutenfrei ist, können ihn auch Menschen essen, die an Zöliakie leiden. Urgetreide ist also nicht nur wegen der geschmacklichen Vielfalt sowie der Robustheit gegenüber Schädlingen oder Pilzen beliebt. Es wird auch von Allergikern oder Menschen mit Unverträglichkeiten meist besser vertragen.

Bevor das Getreide in Hopfgarten ankommt, wird es gereinigt, sortiert und zu Flocken gewalzt. Rund 250 verschiedene Rohwaren befinden sich im Lager des Unternehmens. Damit die Nüsse, Flocken und Körner optimale Bedingungen haben, wird der Sauerstoff im Lager reduziert. Das schützt vor Oxidation, die Rohstoffe bleiben frischer und geschmackvoller.

Getreideflocken, Mandeln, Haselnüsse, Rosinen, Brombeeren, Himbeeren, Schwarze Ribisl oder Leinsamen: Jedes Müsli hat seine genauestens ausgetüftelte und sorgsam verkostete Rezeptur. Da wird lange getestet, ausprobiert und abgeschmeckt. Bei den neuen Backmüslis standen Mehlspeisenklassiker wie Apfelstrudel oder Mohnnudeln geschmacklich Pate. Die Getreidebasis für die knusprigen Crunchys wird nach bestens gehüteten Rezepten in einem Partnerbetrieb gebacken.

Der Weg von der Rohware zum Müsli ist kurz: Flocken, Beeren und Co. werden exakt abgewogen in riesige Bottiche geschüttet. Dann folgt die Handarbeit. Mit großen Schaufeln und Rechen vermischen die Verival-Mitarbeiter die Zutaten, ehe das Müsli maschinell in Portionssäckchen gefüllt und verpackt wird.


Individuelle Mischungen. Seit Jahresanfang gibt es nicht nur die Standardmüslis, sondern auch Mischungen auf Wunsch: individuelle Kompositionen, bei denen nach Herzenslust gemixt werden kann. Mehr Mandeln, weniger Sonnenblumenkerne, ein Zusatz von getrockneten Himbeeren, Gersten- statt Haferflocken. Die Nachfrage nach dem personalisierten Müsli steigt stetig an. Für die Kleinmengen, die direkt an die Kunden versandt werden, gibt es deshalb eine eigene Müsliküche.


Porridge auf dem Vormarsch. Für Verival-Chef Wolfgang Foitl gehört zum Müsli auf jeden Fall auch frisches Obst. Milch oder Joghurt sei hingegen Geschmackssache. In den vergangenen Monaten hat der Manager nicht nur kalt, sondern oft auch warm gefrühstückt: Es galt, den Porridge aus hauseigener Produktion zu verkosten und weiterzuentwickeln. Vervial hat den klassischen, ursprünglich aus Schottland stammenden Haferbrei neu interpretiert. Man setzt dabei nicht auf Zuckerbomben, sondern verwendet lediglich Haferkleie und Fruchtstückchen. Mit Wasser aufgegossen ist der Brei in drei Minuten essfertig. Ein warmes Frühstück für Menschen, die es in der Früh sehr eilig haben.

Porridge, der bei uns eher ein Schattendasein führt, hat für Foitl auch in Österreich viel Potenzial. Der Getreidebrei sei nicht nur zum Frühstück, sondern auch als schnelle Mahlzeit zwischendurch ideal, ist er überzeugt. Deshalb denkt man in den Verival-Experimentierküchen schon an die nächste Kreation: Das Urgetreide von den Verival-Bauern könnte sich auch in pikanten Porridge-Varianten gut machen.

Auf einen Blick

Die Tiroler Biomanufaktur Verival hat sich aus der 1984 von Engelbert Perlinger gegründeten EP Naturprodukte GmbH entwickelt und produziert mittlerweile mit rund 40 Mitarbeitern in Langkampfen ca. 140 verschiedene Produkte rund um Müsli, Porridge, Waffeln, Nüsse, Getreide, Pasta und Convenience-Produkte.

Müsli-Adressen

Corns n' Pops
Kleines Frühstückslokal, das eigene Müslimischungen, Frühstücks- und Mittagsgerichte sowie Kuchen anbietet. Gumpendorfer Straße 37, 1060 Wien, Mo bis Fr 7.30–17 Uhr, Sa 9–16 Uhr, (Sommerpause bis 24.8.), www.cornsnpops.com

Frische Fritzen
Neues Lieferservice für Biomüsli, das Unternehmen und Schulen beliefert. www.frischefritzen.at, ✆ 07416/53 000 780 (Mo-Do 9 bis 17 Uhr)

Mymüsli
Deutsches Lieferservice für individuelles Müsli, in Österreich an elf Standorten vertreten. mymuesli.com

Meierhof
Der Demeter-Betrieb in Niederösterreich bietet unter den Namen ARTen Biomüslis an, erhältlich unter www.myproduct.at

Zaglers Naturkost
Erster Bioladen in Braunau, der sich auf Müslis spezialisiert hat, erhältlich im Naturladen (Salzburger Vorstadt 26, 5280 Braunau) oder über myproduct.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2014)

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