Verjus: Der grüne Saft der Trauben

Barbara Öhlzelt, Alwin Jurtschitsch
Barbara Öhlzelt, Alwin Jurtschitsch(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Barbara Öhlzelt hat sich mit dem Verjus auf ein Nebenprodukt des Weins spezialisiert. Die heimische Gastronomie setzt den Saft aus unreifen Trauben gern statt Wein, Essig oder Zitronen ein.

„Nach drei mageren Jahren kommen drei fette Jahre“, sagt Barbara Öhlzelt und freut sich angesichts der vielen Trauben im Langenloiser Weingarten „Loiser Berg“ von Alwin Jurtschitsch. Öhlzelt ist selbst Winzerin, hat sich aber mit einem Nebenprodukt des Weinbaus mittlerweile einen Namen gemacht, allem voran in der heimischen Gastronomie. Öhlzelt hat es auf noch unreife Trauben abgesehen, die bei der Vorbereitung auf die Weinernte ohnehin der Schere zum Opfer fallen. „Wir schauen uns jeden Stock an, was schafft er, was ist zu viel. Und was zu viel ist, kommt weg. Der Stock muss gut durchlüftet sein“, erklärt Jurtschitsch, der gleich darauf beteuert, keine Lust mehr zu haben, „am Boden zu schneiden“, wie er es nennt – also die überschüssigen Trauben einfach auf dem Boden liegen zu lassen.

Deshalb hat er sich mit seiner Kollegin Öhlzelt zusammengetan und stellt ihr seine Biotrauben der Sorte Grüner Veltliner für den Kamptaler Verjus zur Verfügung. Verjus ist eigentlich ein uraltes Produkt, das hierzulande durch den Siegeszug der Zitrone als Würzmittel aus den Küchen verdrängt wurde (siehe unten). Lediglich in Frankreich hat man die Tradition des Verjus bewahrt. „Verjus ist nichts anderes als saurer Most. Er wird aus unreifen Trauben gepresst, enthält keinen Alkohol und kann in der Küche überall dort eingesetzt werden, wo sonst mit Zitronen, Essig oder Wein gearbeitet wird. Er hat eine sehr elegante, milde Säure“, sagt Öhlzelt, die seit 2007 Verjus produziert.

Und heuer – um auf die Regel mit den fetten und mageren Jahren zurückzukommen – kann sie sich über eine besonders reiche Ausbeute freuen. „Normalerweise schneiden wir ein Drittel weg für den Verjus. Heuer gibt es aber so viele Trauben, da ist es sicher die Hälfte“, meint die Winzerin. Die Rebstöcke seien nach den drei mageren Jahren erholt und hätten nun wieder Kraft. Und die kühlen Nächte seien gut für die Säure. Auch Jurtschitsch ist von den Reben sichtlich begeistert. „Heuer ist es eigentlich perfekt“, sagt er. Bis zur Weinernte dauert es zwar noch drei Wochen, da könne noch einiges passieren, aber er habe ein gutes Gefühl. Das Ausschneiden der Trauben ist bei ihm nicht jedem gestattet, seine Mitarbeiter sind lange dabei und gut geschult. „Man darf nicht zu viel wegschneiden und auch nicht zu wenig, es braucht eine Balance. Wenn man nämlich zu viel wegschneidet, hat man zu viel Zucker“, sagt er.

Schneiden nach der Bauernregel

Und weggeschnitten wird nach einer alten Bauernregel: „Die obersten Trauben kommen weg, es heißt, die sind nicht so gut versorgt wie die untersten, die brauchen wir für den Wein“, erklärt Barbara Öhlzelt, die die Verjus-Trauben in ihren Weingärten bereits geerntet hat. Und es werden jene Trauben für den Verjus verwendet, die schon weich geworden sind und leicht glänzen. Bei den Rotweinsorten sind das jene, die kurz vor der Reife gerade die rote Farbe annehmen.

„Wir machen drei verschiedene Verjus-Sorten: Grünen Veltliner, Zweigelt und einen Bioverjus, heuer mit den Veltliner-Trauben vom Alwin“, sagt Öhlzelt. „Mir hat die Idee gut gefallen, weil ich nichts wegschmeißen will. Das tut mir weh, wenn ich mich das ganze Jahr über um die Trauben kümmere und dann soll ich sie einfach wegschneiden.“

Jetzt sei aber genug getratscht, die Mitarbeiter haben den Lesewagen gefüllt, der müsse schnell zur Presse. Denn auch, wenn das kühle Wetter für die Verjus-Ernte perfekt ist – die Trauben dürfen nicht gären –, will Öhlzelt die Ernte so rasch wie möglich verarbeiten.

Also macht sich der Traktor auf in Richtung Presse, die in Öhlzelts Weingut untergebracht ist. Dort werden die Trauben zuerst mithilfe einer Schnecke im Lesewagen leicht angequetscht und dann über einen Schlauch in eine große Trommel geleitet. Öhlzelt öffnet für einen Blick die Klappe der Trommel, die Trauben schießen hinein, es ruckelt – und sie macht schnell wieder zu. Ist die Trommel nämlich voll, bläst sich eine Membran auf, die die Trauben ausdrückt. Und schon fließt ein grüner Saft in die unten angebrachte Wanne. „Jetzt sieht man, warum der Verjus Verjus heißt, also grüner Saft.“ Tatsächlich hat der Saft eine kräftige, hellgrüne Farbe. Allerdings nicht lange. Öhlzelt fängt ein Glas auf, ein paar Minuten später hat sich schon der erste Trub auf dem Boden des Glases gesammelt und die Farbe verliert ihre Kraft, wird dunkler, leicht bräunlich.

Steuersatz nach Säuregrad

Von der Wanne fließt der Verjus in einen Tank im Keller, wo er mit Tonerde geschönt wird. „Das macht man beim Wein auch, um ihn eiweißfrei zu machen, sonst hätte er weiße Fäden.“ Über Nacht setzen sich alle Trubstoffe auf dem Boden ab, die abgeseiht werden. Am nächsten Tag wird der Verjus filtriert, pasteurisiert und abgefüllt. Während Öhlzelt den Vorgang erklärt, misst sie mit der Klosterneuburger Mostwaage (KMW) den Zuckergehalt. „Der hat acht KMW, sehr gut.“ Ideal sei ein Wert zwischen acht und zehn KMW – nicht nur aus geschmacklichen Gründen. „Verjus ist ein Lebensmittel, da zahle ich zehn Prozent Steuern. Hätte er über zehn KMW, dann wäre er ein Traubensaft, der mit zwölf Prozent besteuert wird.“

Begonnen hat Öhlzelt übrigens mit 1000 Litern pro Jahr, heuer rechnet sie mit 15.000 Litern. Geliefert wird der Verjus vor allem an die Gastronomie, vom Steirereck abwärts. Auch ihr Mann, Karl Schwillinsky, verwendet ihn in seinem Restaurant – etwa bei der Zubereitung von Miesmuscheln, Beuschel, Fisch- und Fleischfonds oder in der Zweigelt-Variante gemischt mit Sekt als Aperitif. Er war es auch, der seine Frau auf die Idee mit dem Verjus gebracht hat. „Mein Mann hat bei Hans Haas im Tantris in München ein Praktikum gemacht. Der hat Verjus aus Frankreich gekauft und ihn gefragt, warum wir den nicht selbst machen“, sagt Öhlzelt. Also machten die beiden. Mittlerweile gibt es auch verarbeitete Produkte wie Quitten-Verjus-Senf, in Verjus eingelegte Marillen oder Verjus-Safran-Schokolade. Und ab heuer vielleicht auch drei fette Jahre.

Lexikon

Verjus [wärschü] ist der Saft aus unreifen, sauren Trauben, die beim Ausdünnen als Qualitätsmaßnahme weggeschnitten werden. Er hat eine mildere, feinere Säure als Essig und kann in der Küche statt Essig, Wein oder Zitronensaft eingesetzt werden.

Kamptaler Verjus. Weingut Barbara Öhlzelt, Eichelbergstraße 32, 3561 Zöbing, www.verjus.at, www.weinberggeiss.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Weinlese
Gourmet

Von der Medizin zum sauren Würzmittel

Verjus war einst auch hierzulande fixer Bestandteil der Küche. Seine Geschichte reicht bis in die griechische Antike zurück. Im 17. Jahrhundert wurde er allerdings verdrängt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.