Kale: Der coole Kohl aus Amerika

Grünkohl
Grünkohl(c) Rasbak/Wikipedia
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Der gute alte Grünkohl ist in den USA in den letzten Jahren zum Blattgemüse der Schickimicki-Szene geworden. Von der Punzierung als Grünzeug für prätentiöse Hipster soll man sich jedoch nicht abschrecken lassen.

Wer den Verkaufsraum der Washingtoner Edelgreißlerei „Each Peach“ betritt, dem fallen die dunkelgrünen Blätter gleich als Erstes auf: Kale, zu Deutsch Grünkohl, ist hier unverkennbar der Star unter den Gemüsesorten. „Die Leute kaufen jede Art von Kale. Unsere Fertigsalate damit fliegen förmlich von den Regalen. Das ist mit Abstand unser am meisten verkauftes grünes Blattgemüse“, sagt Emily Friedberg, eine der beiden Miteigentümerinnen von „Each Peach“, im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.

In den 1990er-Jahren ist der Grünkohl in seinen verschiedenen Farben und Formen in den USA vermehrt aufgekommen, mittlerweile ist er zu einem wahren Trendgemüse geworden. Kale gilt als „Superfood“: er senkt nachweislich die Cholesterinwerte, enthält unter anderem große Mengen an Zink, Magnesium, Vitamin C und K sowie zahlreiche Antioxidantien, welche der Zellalterung entgegenwirken, Entzündungen hemmen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. In der Klasse der Schicken und Hippen ist es beinahe Pflicht, Kale toll zu finden. Drew Ramsey, ein Psychiater von der Columbia University in New York, hat den US-Kongress angesucht, den 2. Oktober zum nationalen Kale-Day zu erheben (wenngleich bisher ohne Erfolg). Weshalb genau dieser Kreuzblütler so populär geworden ist, weiß die Lebensmittelhändlerin Friedberg nicht: „Das hat mit dem enorm gestiegenen Gesundheitsbewusstsein der Menschen zu tun. Außerdem vermute ich, dass Kale von der Popularität diverser Gemüsesäfte profitiert.“


Rasenmähen in der Küche.
Kohlsaft allerdings ist nur etwas für wahrlich ergebene Anhänger einer durch und durch gesunden Diät. Der Grünkohl riecht und schmeckt nämlich in roher Form nach, nun ja: Gras. „Stimmt absolut“, lacht Friedberg, „Sie sollten einmal bei uns im Geschäft vorbeikommen, wenn wir Kale-Salat zubereiten. Da riecht es, als hätte gerade jemand Rasen gemäht.“

Roh allerdings sollte man den Grünkohl ohnehin nicht verspeisen, gibt die an der Oxford University ausgebildete Ernährungswissenschaftlerin Annina Burns zu bedenken. „Denn dann wird die Aufnahme gewisser nützlicher Inhaltsstoffe blockiert“, sagt sie. Und wirklich verheerend sei es, den Kohl in Wasser zu kochen: „Das ist das Schlechteste, was sie mit ihm anstellen können. All die grüne Farbe, die Sie dann im Kochwasser sehen, enthält die Nährstoffe, die Sie eigentlich zu sich nehmen wollten.“

Die rätselhafte Gewohnheit, sämtliche Formen von Kohl zu zerkochen, erklärt vermutlich, wieso ihn viele Menschen nicht leiden können. Wer erinnert sich nicht mit Grauen an den Kohlmief aus der Schulkantine? Dabei ist der Grünkohl eine seit Jahrhunderten vor allem in Westeuropa, Skandinavien, den Niederlanden und Norddeutschland weitverbreitete Kulturpflanze. Noch heute wählt man in mehreren norddeutschen Städten Jahr für Jahr Kohlkönige, in Schweden und Dänemark findet sich der Grünkohl in fast jedem Weihnachtsmenü.

Allerdings sind diese traditionellen Zubereitungsmethoden nicht sehr raffiniert. Der Kohl wird gedünstet oder gekocht und als Beilage zu Speck, Erdäpfeln und Würsten serviert. Somit stellt sich die Frage: Kann man aus diesem Gemüse auch etwas mit mehr Pfiff zubereiten?


Rezept für Eilige. Man kann – und zwar ohne großen Aufwand. Wie wäre es zum Beispiel mit einer schnellen Pasta mit Chorizo und Kale? Um vier Personen zu verköstigen, braucht man dafür ein halbes Kilogramm Pasta (zum Beispiel Penne), 150 Gramm Chorizo (gehäutet, in kleine Stücke geschnitten), vier große Blätter Grünkohl (gewaschen, ohne Strunk, in kleine Streifen geschnitten) eine Zwiebel, eine Messerspitze Kümmelpulver sowie Salz und Pfeffer und (je nachdem, wie knofelig man es mag) zwei bis vier gepresste Knoblauchzehen.

Die Wurststücke werden in einer Edelstahlpfanne rund zehn Minuten bei mittlerer Hitze behutsam gebraten und dann herausgehoben und zur Seite gestellt; nichts soll hier spritzen oder schwarz verkohlen, denn im Fett, das aus der Wurst austritt, werden der Kohl, die gehackte Zwiebel und der Knoblauch weitere rund zehn Minuten gegart. „So bekommen Sie alle Aromen und die Nährstoffe aus dem Kohl in einem“, rät die Ernährungswissenschaftlerin Burns.

In der Zwischenzeit hat man die Nudeln gekocht; sie werden dann mit dem Gemüse und den Gewürzen vermischt, je nach Geschmack kann man dann noch ein wenig Pecorino oder Parmesan mit dem Messer über das fertige Gericht schaben. Für all das hat der Korrespondent der „Presse am Sonntag“, der zwar täglich für einen Zwei-Personen-Haushalt kocht, aber bei Weitem kein Küchenprofi ist, gestoppte 28 Minuten gebraucht: vom Schälen der Zwiebel bis zum Servieren des fertigen Gerichts, das sich fürs Mittagessen unter der Woche ebenso eignet wie als Zwischenschritt in einem mehrgängigen, mediterran angeregten Dinner.

Außer natürlich, man meidet Fleisch. Von den vielen Rezepten, die es für Kale gibt, eignen sich vor allem die diversen Salatvarianten für Vegetarier. Allerdings braucht es hier, wie generell bei allen Kohlsorten, ein wenig Geduld. Der Grünkohl sollte nämlich idealerweise einige Stunden oder gar über Nacht in seiner Vinaigrette schlummern. Die Mischung aus Olivenöl, Balsamicoessig und Zitronensaft „bricht“ die recht zähe Struktur der Blätter und macht sie damit leichter zu essen. Die Zubereitung ist einfach: Man schneidet den Strunk aus dem Blatt, rollt selbiges ein und hackt diese Rolle mit einem großen Küchenmesser in Streifen. Dann verknetet man die Kohlstreifen mit dem Dressing; bald zeigt sich, wie er an Volumen abnimmt. Wer Knoblauch liebt, presse die eine oder andere Zehe ins Dressing; auch die Variante mit Dijonsenf biete sich an.


Ein widerständiger Salat.
Der Salat widersteht dem Angriff der Säuren in der Vinaigrette sehr gut – einer der vielen Vorteile gegenüber den auch viel weniger nahrhaften grünen Blattsalaten. Das freut auch die Lebensmittelhändlerin Friedberg: „Kale hält sich ziemlich lange im Salatdressing, das ist ein widerstandsfähiges Gemüse.“ Als Beilage ist der Salat dann schnell mit ein paar Pinienkernen und gehobeltem Parmesan bereitgestellt. Wer ihn zu einem vegetarischen Hauptgericht machen will, kann Ziegenkäse, geröstete Mandeln oder Avocado beimischen.

Und was wird das nächste Supergemüse? „Ich glaube, Karfiol“, meint Emily Friedberg. „Oder Mustard Greens (Brauner Senf, Anm.). Aber ganz ehrlich: Da gehört schon einige Überwindung dazu.“

Kale

Grünkohl (Brassica oleracea) gehört zur Familie der Kreuzblütler und ist eine Blattkohlart. Grünkohl ist ein ideales Wintergemüse, das – nach dem ersten Frost – von Oktober bis Februar geerntet werden kann.

Österreich. Während in den USA Grünkohl (Kale) als neues Trendgemüse entdeckt wird, ist er hierzulande eher in Hausgärten als Ziergemüse vertreten. Erst langsam wird er auch von der Spitzengastronomie und kleinen Produzenten entdeckt. Das Krautwerk, das auch das Steirereck beliefert, verkauft ihn ab dem ersten Frost jeweils samstags am Wiener Karmelitermarkt (www.krautwerk.at). Auch der Gemüsehof Wild-Obermayr im oberösterreichischen Niederneukirchen verkauft ihn ab Hof (www.gemüsehof.at).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

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