Hierzulande schlummert Grünkohl im Hausgarten

Weißkohl und Wirsing
Weißkohl und Wirsing(c) Teresa Zötl
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In Österreich ist Grünkohl nicht allzu weit verbreitet. Die Gastronomie entdeckt ihn erst langsam.

Zugegeben, bis ein Trend aus den USA auch hierzulande auftaucht, dauert es immer ein bisschen. Und meist muss das Objekt der Begierde sich erst in anderen europäischen Hauptstädten wie London oder Berlin bewähren, bis es auch von den Wienern und alle anderen Österreichern angenommen wird. Bei Kohlgemüse wird es angesichts des schlechten Images hierzulande aber eine Spur länger dauern als sonst.

„Kohl leidet seit Jahren unter einem Imageverlust. Er kommt über den Hausgarten nicht hinaus“, sagt dazu Wolfgang Palme. Er leitet die Abteilung Gemüsebau im Lehr- und Forschungszentrum Gartenbau in Schönbrunn. Seit 15 Jahren kümmert er sich gemeinsam mit dem Haubenkoch Johann Reisinger im Rahmen der Schönbrunner Seminare um die oft vergessene Gemüsevielfalt. Dem Kohlgemüse wurde 2008 ein Schwerpunkt gewidmet, die Früchte dessen sind – etwa im Vergleich zur Vielfalt bei Paradeisern – aber noch sehr mager.


Arme-Leute-Essen. Kohl werde eben nach wie vor als Arme-Leute-Essen gesehen und wenn, dann nur im Hausgarten als Ziergemüse angebaut. „Völlig zu Unrecht, denn Kohl hatte einmal eine Tradition bei uns. Anfang des 20.Jahrhunderts und auch im 19. Jahrhundert war er weitverbreitet.“

Dabei habe Kohl unglaubliches Potenzial. Nicht nur aufgrund seiner gesunden Eigenschaften (die krebshemmende Wirkung wurde etwa an der Med-Uni Wien nachgewiesen). „Kohlgemüse hätte sich mehr Aufmerksamkeit verdient. Es ist ein tolles Wintergemüse, wenn wir das ausbauen würden, müssten wir nicht so viel importieren.“ Von Oktober bis Februar kann das Gemüse, das erst nach dem ersten Frost so richtig reif ist, geerntet werden. Auch wenn es vereinzelt immer wieder Produzenten gibt, die sich mit Grünkohl und seinen Verwandten beschäftigen, im großen Stil wird Kohlgemüse bei uns nicht angebaut. „Es gibt nicht einmal Zahlen dazu“, so Palme.


Promis statt Supermarkt. Um das zu ändern, müsste man an drei Hebeln ansetzen: der Direktvermarktung, der gehobenen Gastronomie und der Mundpropaganda. „Wenn Prominente das positiv aufnehmen, merken das auch die Konsumenten. Die Schiene über den Supermarkt funktioniert hingegen nicht. Das geht erst, wenn das Gemüse schon bekannter ist“, so Palme.

Robert Brodnjak, der unter dem Label Krautwerk seltene Gemüsesorten anbaut, hat seit drei Jahren Grünkohl im Sortiment. „Wir verkaufen ihn auch auf dem Karmelitermarkt, die Nachfrage steigt, man muss aber noch viel erklären“, meint er. Etwa, wie man Grünkohl in der Küche verwendet. Brodnjak rät seinen Kunden, ihn im Backrohr mit Olivenöl (180 Grad, 20 Minuten) zu backen. „Da wird er knusprig. Man kann ihn aber auch gut fermentieren.“

Koch Johann Reisinger kombiniert Grünkohlsaft mit Joghurt, gart Grünkohl mit Urgetreide, wie Einkorn, oder schmort ihn zu Wild. Wobei er die Stängel länger schmort und die Blätter erst zum Schluss kurz dazugibt. Auch die Gruppe der Zierkohle lässt sich für Salate oder Wokgemüse verwenden.

Blattkohl ist übrigens jener Kohl, der der Wildform am nächsten kommt. Weißkraut ist hingegen eine sehr weit entwickelte Kohlart. „Es gibt bei Kohl ein breites Spektrum. Jedes Pflanzenorgan wurde zu einem eigenen Gemüse entwickelt, da steckt eine Kulturleistung dahinter“, sagt Palme. So handelt es sich beim Kohl um die Knospe, beim Kohlrabi um einen verdickten Stängel, Karfiol und Brokkoli hingegen sind Blüten, während der Sprossenkohl aus der Seitensprosse kultiviert wurde. Vermutlich dauert es aber noch ein bisschen, bis all das auch hierzulande geschätzt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

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