Craft-Bier: Wenn die Großen die Nische entdecken

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Craft-Bier beschränkt sich längst nicht nur auf kleine Brauereien. Ottakringer hat jetzt das kleine Brauwerk eröffnet, Stiegl ein Sauerbier gebraut und auch die Gastronomie entdeckt das Thema.

Ganz lässt sich der große Bruder dahinter nicht verstecken. Denn, wenn eine kleine, neue Kreativbrauerei oder Craft Brewery – wie es in der Szene heißt, die ihren Ausgang in den USA genommen hat – eröffnet, dann braucht es meist kein Konzept dahinter. Es wird einfach Bier gebraut und zwar genau so, wie es den Betreibern – oft Hobbybrauer, gerne auch aus der IT-Branche – schmeckt. Genau das macht den Charme der kleinen Brauereiszene, die auf handwerklich produziertes Bier und hochwertige Zutaten (wie Spezialhopfen) setzt, gerade aus.

Ein Marketingkonzept gibt es meist nicht dahinter. Anders ist das im neuen Brauwerk, das vergangenen Dienstag eröffnet hat. Natürlich, spätestens an der Adresse – Ottakringer Platz 1 – wird klar, wer hinter der kleinen Brauerei steckt. Immerhin gehört das Brauwerk nicht nur zur Ottakringer Brauerei, es befindet sich auch auf deren Vorplatz. Aber auch bei der Präsentation der neuen Biere ließ sich der Große dahinter nicht verbergen. Da wurden nicht nur einfach Biere gebraut und getrunken, sondern unter dem Motto „brewed with love and music“ präsentiert. Genauso wie die Musik entstehe auch Bier aus einem Handwerk heraus, beides werde mit Leidenschaft produziert und außerdem wolle man die heimische Musiklandschaft fördern, wurde da erklärt. Weshalb die ersten drei Biersorten – Blond, India Pale Ale und Porter – einen Bierpaten aus der heimischen Musikszene bekamen, der auch gleich ein passendes Liedchen trällern durfte.

"Faux Pas" mit Erklärungsbedarf

Spätestens da wurde klar: Das Thema Craft-Bier haben nun auch die Großen für sich entdeckt. Deutlich wird das auch daran, dass Stiegl – ebenfalls einer der Big Player in der heimischen Brauszene – ein in Österreich derzeit noch seltenes Spezialbier präsentiert hat: nämlich ein Sour Beer. Der Namen des Bieres, „Faux Pas“, macht allerdings deutlich, dass diese Sorte in Österreich wohl noch ein bisschen erklärungsbedürftig ist, während das India Pale Ale zumindest bei kulinarisch interessierten Menschen mittlerweile einen gewissen Bekanntheitsgrad genießt.

Die heimische Craft-Szene stört es allerdings kaum, dass nun auch die Großen auf den Zug aufspringen. Aus zweierlei Gründen: Einerseits ist man davon überzeugt, dass richtig gutes und spannendes Craft-Bier ohnehin den Kleinen vorbehalten sei – immerhin schränke ein großer Apparat dahinter, der gewisse Gewinnvorgaben habe, die Kreativität und Flexibilität ein. Andererseits ist die heimische Brauszene ganz gut vernetzt. Die Bierbrauer (Frauen sind selten) kennen einander, tauschen sich miteinander aus und freuen sich, wenn auch die Großen ihren Kunden mehr Vielfalt anbieten.

Unter Beobachtung

„Ich weiß, dass die Großen uns schon jahrelang sehr genau zuschauen“, sagt dazu Günther Thömmes, der sich mit seiner Bierzauberei – derzeit als Wanderbrauer – schon seit Jahren mit dem Thema auseinandersetzt. Er war übrigens weit vor Stiegl der erste in Österreich, der ein Sauerbier – speziell eine Gose – gebraut hat. Wobei nicht jedes Engagement der Großen gut aufgenommen wird. „Bei der Brauunion (die mit dem Hofbräu Kaltenhausen eine kleine Spezialbrauerei betreibt,Anm.) bin ich eher skeptisch, aber Ottakringer hat in der Szene viel Credit. Die waren auch bei ihren Braukulturwochen großartige Gastgeber für kleine Brauereien. Das ist schon gut, was die machen. Ich will nicht spotten, aber die haben Innovation und Verbesserung auch am dringendsten nötig“, so Thömmes. Kein Verständnis habe er hingegen für Trittbrettfahrer. So habe eine deutsche Brauerei einmal ein misslungenes Bier als Sauerbier – das einen speziellen Brauvorgang verlangt – verkauft. In der Community fällt so etwas aber schnell auf, das Vertrauen ist damit verspielt.

Kopien der Großen

Thömmes beurteilt die heimischen Biertrinker allerdings als recht traditionell, wenn auch als – im Vergleich zu den deutschen – wesentlich genussvoller. „Wenn ihnen etwas schmeckt, ist es eine Freude, ihnen zuzuschauen“, sagt er. Allerdings seien das eben doch oft die Klassiker wie Märzen, Pils oder maximal Weißbier. „Gut funktionieren hier meistens Kopien von dem, was die Großen machen. India Pale Ale ist eine Nische, wenn auch eine große Nische“, erklärt er. Sein Kollege Martin Simion, Braumeister im Brauwerk, sieht das ein bisschen optimistischer. „Es hat sich in den vergangenen Jahren wahnsinnig viel getan, die Masse ist gut vorbereitet. Geplant wurde das Brauwerk vor 1,5 Jahren, das Timing der Eröffnung ist jetzt goldrichtig“, meint Simion, der zuvor in der dänischen Brauerei Fanø Bryghus, die unter anderem das Spitzenrestaurant Noma in Kopenhagen beliefert, gearbeitet hat. Als er im November nach Wien zurückkam, war er erstaunt, was sich hierzulande in der Zwischenzeit getan hat.

Craft-Bier-Bar mit Wien-Shuttle

Tatsächlich hat mittlerweile auch die heimische Gastronomie das Thema entdeckt. Denn nicht nur, dass im November das zweite Craft-Bier-Fest (nach dem Donaukanal in der Ankerbrotfabrik) stattfindet, es eröffnen auch einige Lokale, die auf Craft-Bier aus kleinen heimischen Brauereien setzen, wie zum Beispiel der Fassldippler, der vor wenigen Tagen im vierten Wiener Bezirk eröffnet hat (siehe Kolumne links). Brian Patton vom Charly P's wiederum will Anfang 2015 eine Ale & Cider Bar eröffnen, in der BBQ, hausgemachter Cider aus steirischen Äpfeln und zwischen 15 und 20 Fassbiere aus kleinen Brauereien ausgeschenkt werden sollen.

In Stockerau hingegen soll Anfang Oktober mit dem Hop House ein Craft-Bier-Lokal auf 340 Quadratmetern eröffnen, das vor allem – passend zum Ursprungsland des Trends – amerikanische Küche anbieten will. „Mit 25 Fassbierleitungen und 200 Flaschenbieren aus kleinen Brauereien und einem Shuttle-Service nach Wien“, sagt Christian Wagner, der seit zwei Jahren die Bier-Box und den Craft-Bier-Shop Wien betreibt. Für ihn ist das Lokal eine logische Entwicklung des aktuellen Trends. „Das ist ganz klar, Bier ist der neue Wein.“ Vor den Großen fürchtet auch er sich nicht. Denn da sind sich alle Brauer einig, egal ob groß oder klein: Craft-Bier bleibt eine Nische – allerdings eine, die genug Platz für alle bietet.

Auf einen Blick

Craft-Bier (Craft Beer)
ist ein Überbegriff für Bier aus kleinen Brauereien, die auf handwerkliches Arbeiten, hochwertige Rohstoffe und Vielfalt bei den Sorten setzen.

Termine:

5. Wiener Bierfest
11. bis 14. September, Am Hof, 1010 Wien, www.wienerbierfest.at

Craft-Bier-Fest
21. bis 22. November, Ankerbrotfabrik, 1100 Wien, www.craftbierfest.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2014)

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