Baby-led Weaning: Fingerfood für Babys

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Svetlana Hartig ist bei ihrer kleinen Tochter mit Brei gescheitert, deshalb hat sie es mit Baby-led Weaning versucht - der Beikost ohne Brei. Heute liebt ihre Tochter Brokkoli und Lamm.

"Im Nachhinein war das viel zu früh“, sagt Svetlana Hartig. Als ihre Tochter Elena fünf Monate alt war, begann sie mit der klassischen Beikosteinführung, sie fütterte das Kind also mit Brei. „Aber Elena wollte keinen Brei, sie hat nichts gegessen. Wir haben uns einfach von der Familie und von Bekannten zu viel einreden lassen.“ Also suchte Hartig nach Alternativen. Im Internet stieß sie auf eine Ernährungsweise, die ihr richtig erschien – und die sie mittlerweile zu einer Art Nebenjob gemacht hat.

„Eigentlich ist es ja nicht neu, aber jetzt gibt es eben einen Namen dafür“, muss sie zugeben und erzählt, wie sie ihre Tochter dazu brachte, etwas anderes zu sich zu nehmen als Muttermilch. Begonnen hat alles ausgerechnet mit Brokkoli – eigentlich der Inbegriff dessen, was Kinder scheußlich finden. Diesen, beziehungsweise ein gedämpftes Röschen davon, hat die kleine Elena mit fünf Monaten zum ersten Mal in die Hand bekommen. „Am Anfang hat sie natürlich nur damit gespielt, man muss schon geduldig sein, das ist eine Sauerei“, sagt Hartigs Ehemann Klaus. „Ein spielerischer Zugang“, meint seine Frau. Es habe nicht lang gedauert, bis Elena entdeckt hat, dass ihr Brokkoli schmeckt, mittlerweile ist es ihr Lieblingsgemüse, erzählt Frau Hartig, während sie gerade dabei ist, Brokkoli-Käse-Laibchen zuzubereiten. Der gedämpfte Brokkoli ist gerade fertig und wird später in einer Küchenmaschine zerkleinert. Wie auf Kommando sagt die heute einjährige Elena „mmmhhh“, greift nach einem Brokkoliröschen, steckt es in den Mund und genießt ihren Zwischensnack. „Es ist wichtig, dass Kinder Lebensmittel in ihrer ursprünglichen Form kennenlernen“, sagt Hartig.

Nachdem also vor etwa einem halben Jahr die kleine Elena den Brei verschmäht hatte, stieß Frau Hartig auf das Konzept Baby-led Weaning (BLW), das so viel bedeutet wie „vom Baby gesteuerte Entwöhnung“. Gill Rapley, eine britische Krankenschwester, hat diese Ernährungsweise 2008 aufgebracht. Grob gesagt funktioniert BLW so, dass Babys ab dem sechsten Monat eben keinen Brei bekommen, sondern (auf sie abgestimmte) Lebensmittel, die sie selbst mit der Hand essen können. Ein Löffel kommt dabei erst später zum Einsatz. Das Fingerfood für Babys reicht dabei vom normalen Gurkenstick über gedünstetes Gemüse bis zu eigens zubereiteten Laibchen. „Eben alles, was sie gut in der Hand halten kann“, erklärt Hartig.

Kein Zucker, kein Salz

Wobei natürlich nicht alles auf den Speiseplan kommt. Hartig hält sich dabei an die WHO-Empfehlungen. „Im ersten Jahr gibt es kein Salz, keinen Zucker, keinen Honig wegen der Bakterien und keine ganzen Nüsse wegen der Erstickungsgefahr.“

Hier wären wir auch schon beim Stichwort, das Kritiker dieser Methode gern anführen: der Erstickungsgefahr. „Natürlich muss man aufpassen, und wir hatten anfangs auch Angst, wenn sie gewürgt hat. Aber Babys verschlucken sich auch bei der Muttermilch. Dadurch, dass sie sich selbst füttert, kann sie das auch gut dosieren“, meint Hartig.

Das Ehepaar Hartig hat gemeinsam mit ihrer Tochter auch ihre eigenen Ernährungsgewohnheiten umgestellt. „Es war mir wichtig, dass Elena gemeinsam mit uns am Familientisch isst. Das ist auch für mich als Mutter entspannend, weil ich sie nicht füttern muss.“ Anfang sei die salzfreie oder -arme Ernährung schon ungewöhnlich gewesen. „Das ist, als ob man mit dem Rauchen aufhört, am Anfang fehlt es einem, aber dann nicht mehr“, sagt Klaus Hartig. Das Nachsalzen haben die beiden dann immer mehr weggelassen. Dafür haben sie verschiedene Kräuter und generell den Eigengeschmack von Lebensmitteln entdeckt. „Das hat uns schon gut getan, man nimmt sich auch wieder mehr Zeit für das Essen“, sagt Herr Hartig.


Skeptische Großmütter. Mittlerweile bietet Hartig auch Workshops und Kochkursen zu dem Thema an. Derzeit arbeitet sie gerade an fünf Gewürzmischungen, die sie über ihr Label Freshbaby verkaufen will. Bei den süßen Varianten setzt sie übrigens auf Kokosblütenzucker, Trockenfrüchte oder Reissirup.

In ihrem Bekannten- und Freundeskreis ist sie auf viel positives Feedback gestoßen. Nur die Großeltern waren anfangs verängstigt, wegen der Gefahr des Verschluckens. Mittlerweile habe sich auch das gelegt. Hartig will diese Ernährungsweise beibehalten und lediglich das Angebot erweitern. „Jetzt möchte ich auch Honig dazugeben, darüber freue ich mich. Ich mag Honig sehr gern, aber ich habe ihn im letzten Jahr auch nicht gegessen. Viele Mütter essen ja heimlich Schokolade oder so, das mache ich nicht.“

Hartig hofft, dass ihre Tochter dadurch einen entspannten Zugang zu Lebensmitteln hat und auch offener für neue Geschmäcker ist. „Natürlich hat man keine Garantie, aber ich hoffe schon, dass sie dadurch nicht so heikel sein wird.“ So esse Elena zum Beispiel besonders gern Lammfleisch. Mit sieben Monaten hat sie erstmals Fleisch bekommen, in Form eines Osterlamms. „Das hat ihr so geschmeckt, das liebt sie noch heute.“ Nur mit zwei Dingen kann sich die Tochter nicht anfreunden: Karfiol und Fisolen. Das Ehepaar Hartig will aber auch hier nicht lockerlassen: „Wir probieren es weiterhin. Vielleicht schmeckt ihr auch einmal das.“

Auf einen Blick

Bücher zum Thema
Gill Rapley, Tracey Murkett: »Baby-led Weaning. Das Grundlagenbuch,« Kösel-Verlag, 2013.
Loretta Stern, Eva Nagy: »Einmal breifrei, bitte!« Kösel-Verlag, 2013.

Freshbaby: Svetlana Hartig bietet in Österreich Workshops und Kurse zum Thema an: www.freshbaby.at.

Beikost
Informationen über Säuglings- und Kleinkindernährung unter www.richtigessenvonanfangan.at.

Rezepte

Brokkoli-Käse-Nuggets
Zutaten: 250 g Brokkoli, 120 g Semmelbrösel, 180 g geriebenen Käse mit niedrigem Natriumgehalt (z.B. Emmentaler), 3 EL Wasser, 3 EL Olivenöl.

Zubereitung: Den Brokkoli ca. 5 min kochen, danach zerkleinern. Die restlichen Zutaten mit Brokkoli vermischen und Nuggets mit den Händen formen. Im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad 35–40 min backen. Nach ca. 20 min wenden.

Karibische Bällchen
Zutaten: 200 g Zwieback ohne Zucker, 80 g Butter/Margarine, ½ Orange (Saft und Fruchtfleisch), 80 g gemahlene Mandeln, 60 g Kokosraspeln, 50 g Kokosblütenzucker.

Zubereitung: Den Zwieback mahlen, mit den restlichen Zutaten (außer Kokosraspeln) zu einem Teig verarbeiten. Kleine Kügelchen formen und in Kokosraspeln wälzen. In den Kühlschrank stellen und kalt genießen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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