Zwei Herren und das Gemüse: 15 Jahre Schönbrunner Seminare

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Wolfgang Palme von der Gartenbauschule Schönbrunn und Haubenkoch Johann Reisinger kümmern sich seit 15 Jahren um vergessenes Gemüse.

Mit Green Zebra, Purple Calabash und German Gold hat alles begonnen. Das waren unter anderem jene Paradeisersorten, die Wolfgang Palme und Johann Reisinger im Jahr 2000 bei den ersten Schönbrunner Seminaren genauer unter die Lupe nahmen. „Damals war es noch nicht üblich, dass es auch im Supermarkt verschiedene Paradeisersorten gibt“, sagt Palme, der mit der derzeit angebotenen Sortenvielfalt verschiedener Gemüsearten noch lange nicht zufrieden ist.


Palme leitet seit gut 20 Jahren die Abteilung Gemüsebau in der Gartenbauschule Schönbrunn, wie das Lehr- und Forschungszentrum Schönbrunn gemeinhin genannt wird. Die Vielfalt sei ihm dabei schon immer ein Anliegen gewesen. Die Schönbrunner Seminare sind aber erst durch eine Begegnung mit Johann Reisinger entstanden. Über mehrere Ecken habe man sich kennengelernt, erzählt Palme, bei einem Rundgang durch die Gemüsegärten, die sich hinter dem Tierpark befinden. Reisinger, der sich selbst als „ehemaligen Haubenkoch“ bezeichnet, unterrichtet mittlerweile auch an der Tourismusschule.

„Für meine Studienberechtigungsprüfung habe ich Nachhilfe in Englisch gebraucht. Die Dame war eine gute Bekannte einer Mathematiklehrerin der Gartenbauschule. Irgendwann war sie ganz verzweifelt, weil sie etwas kochen musste und nichts zu Hause hatte. Also hab ich ihr geholfen und aus dem bissl Gemüse etwas gemacht, ganz minimalistisch. Sie war total verzückt und hat mir erzählt, dass Wolfgang sich mit vergessenen Gemüsesorten beschäftigt. Ich hab gesagt: ,Den muss ich kennenlernen‘“, erinnert sich Reisinger.

Zwiebeln so süß wie ein Apfel

Kurz darauf haben die beiden die Schönbrunner Seminare ins Leben gerufen, bei denen sich verschiedene Multiplikatoren wie Produzenten, Händler, Ernährungswissenschaftler, Gärtner, Köche oder Journalisten mit der Vielfalt jeweils einer Gemüseart beschäftigen. Meist werden dabei an die 100 verschiedenen Sorten unter die Lupe genommen. „Drei bis fünf davon stellen sich dann auch als für den Handel brauchbar heraus, ihnen gehen wir genauer nach“, sagt Palme. Nach Paradeisern waren auch schon Salate, Chilis, Brokkoli oder Zwiebeln dran. „Das glaubt man gar nicht, was es alles für Zwiebeln gibt. Es gibt welche, die schmecken süß wie Zuckermais oder Markerbsen, da kann man reinbeißen wie in einen Apfel“, schwärmt Reisinger, der generell dafür plädiert, Gemüse so wenig wie möglich zu bearbeiten. Er ist prinzipiell der Meinung, dass zu viel gewürzt und gesalzen werde. „Das braucht man nicht, ich bin auch kein Freund davon, sechs oder sieben verschiedene Komponenten auf einem Teller zu haben, drei reichen komplett: das Grundprodukt, die Balance und eine Verbindung“, sagt der steirische Koch, der seine Wanderjahre in der Schweiz, Asien, England, aber auch in der Karibik absolviert hat.

Dort habe er auch gelernt, sich auf den natürlichen Zustand eines Lebensmittels zu konzentrieren. Wilde Melde etwa oder das Franzosenkraut zählen heute zu seinen Lieblingskräutern, sagt er und steckt sie gleich demonstrativ in den Mund. Palme ist wiederum vom roten und grünen Amarant begeistert, der in den Schönbrunner Gärten wächst. Oder aber vom Malabarspinat, dem Neuseeländerspinat oder der Gewürztagetes. „Wenn man heute in den Supermarkt geht, gibt es vielleicht gerade einmal 15 Gemüsesorten, früher waren das noch viel mehr“, sagt Palme. Mit früher meint er vor etwa 120 Jahren, damals seien an die 60 verschiedenen Sorten in einem Hausgarten üblich gewesen.

Palme hat vor zwei Jahren auch gemeinsam mit Lisa Reck Burneo die City Farm Schönbrunn ins Leben gerufen, bei der Workshops für Kinder und Erwachsene angeboten werden. Diese finden ebenso wie die Schönbrunner Seminare in imperialem Rahmen statt – etwa im einstigen Frühstückszimmer von Kaiserin Sisi. „Das gibt dem Gemüse die Wertschätzung, die es verdient. Wobei Sisi das ja nicht zu schätzen wusste, sie hat hier nur Milch getrunken. Bei allem Respekt, aber das ist doch ein bisschen armselig.“

Zum Projekt

Die Schönbrunner Seminare wurden vor 15 Jahren von Wolfgang Palme von der Gartenbauschule Schönbrunn und dem Koch Johann Reisinger gegründet. Dabei beschäftigt sich ein Fachpublikum (Produzenten, Händler, Köche usw.) mit der Gemüsevielfalt, die danach im Idealfall den Weg in den Handel findet. Die Jubiläumsveranstaltung am kommenden Freitag ist bereits ausgebucht. Palme hat vor zwei Jahren mit Lisa Reck Burneo die City Farm Schönbrunn eingerichtet, die sich an die interessierte Öffentlichkeit richtet: www.cityfarm.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.