Koscheres und andere Köstlichkeiten

NETHERLANDS BAKERY
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Was macht die jüdische Küche aus? Warum gibt es so viele Parallelen mit anderen Küchen? Und was ist eigentlich koscher? Eine Ausstellung im Jüdischen Museum gibt Antworten.

Ravioli sind italienisch, Erdäpfelpuffer österreichisch und Bagel, Falafel sowie Humus jüdisch. Möchte man zumindest meinen. Dass das aber nicht unbedingt so ist und viele typisch „österreichische“ Speisen sich auch in der jüdischen Küche wiederfinden, macht die jüngste Ausstellung im Jüdischen Museum deutlich. Unter dem Namen „Kosher for ... Essen und Tradition im Judentum“ gibt das Museum in der Wiener Innenstadt Einblicke in die jüdische Küche und räumt mit so manchem Missverständnis auf.

Zum Beispiel, dass Ravioli eben italienisch sind und Erdäpfelpuffer ihren Ursprung in Österreich haben. Letztere sind jedenfalls auch Teil der jüdischen Küche, dort werden sie allerdings Latkes genannt. Ebenso kennt die jüdische Küche Teigtaschen, die Ravioli verdächtig ähnlich sind. Nur dass sie hier eben Krepplach genannt werden. Falafel und Humus wiederum sind fixer Bestandteil der Küche in der ganzen Levante und ob Bagels nun von Wiener oder Osteuropäischen Juden in die USA gelangt sind, darüber scheiden sich die Geister. Klar ist allerdings: Alle diese Speisen sind koscher oder können es unter bestimmten Bedingungen sein.


Es gezunderheyt! Und was genau koscher bedeutet, wird ebenfalls in der Ausstellung erörtert, stellen doch die Kaschrut, die jüdischen Speisegesetze, einen elementaren Teil dar. Die Speisegesetze haben ihren Ursprung in der Thora, aus der unter anderem abgeleitet wird, welche Fleischsorten Juden essen dürfen. Tiere, die gespaltene Hufe haben und wiederkäuen, sind koscher und dürfen gegessen werden. Schweine und Pferde sind hingegen tabu. „Bei Meeresbewohnern sind nur Fische erlaubt, die Schuppen und Flossen haben. Dadurch fallen Meeresfrüchte weg“, erklärt Dan Fischman, während er durch die Ausstellung führt. Er hat gemeinsam mit Michal Typolt-Meczes und Hannes Etzelstorfer die Ausstellung kuratiert.

Gemeinhin wird das Verbot von Schweinefleisch mit hygienischen Gründen erklärt. Dass Essen und Gesundheit eng verbunden sind, drückt sich im Jiddischen sogar im Essensspruch aus, mit dem man gleich zu Beginn der Ausstellung begrüßt wird: „Es gezunderheyt!“ „Die Kaschrut haben sehr viel mit Reinheit zu tun“, bestätigt Fischman. „Man sagt nicht umsonst, dass koscheres Essen auch gesundes Essen sein kann“, sagt er. Wobei: „Auch wenn das bei manchen Fressgelagen an Feiertagen das Gegenteil sein könnte, aber warum sollte das im Judentum anders sein?“

Mit einem Augenzwinkern behandelt die Ausstellung verschiedene Fragen rund um die jüdische Küche. Eine davon lautet etwa: „Hat jeder jüdische Haushalt zwei Küchen?“ Illustriert wird diese Frage mit einer Küche, die sich durch einen Spiegel verdoppelt. Hintergrund dafür ist die von den Kaschrut verlangte Trennung von milchigen, fleischigen und neutralen Gerichten. Während milchige und fleischige streng zu trennen sind, dürfen neutrale Speisen mit beiden gemischt werden. Begründet wird die Trennung in der Stelle, in der es heißt: „Koche nicht das Böcklein in der Milch seiner Mutter“ (Ex 23, 19). Milchig sind, wie der Name schon sagt, Milchprodukte von koscheren Tieren, also jedenfalls Rind, Schaf und Ziege. Das allein reicht aber noch nicht, um den Ansprüchen der Kaschrut Genüge zu tun. Die bei der Herstellung von Milchprodukten verwendeten Geräte müssen vorher sorgfältig gereinigt werden, es dürfen keine nicht koscheren Zusatzstoffe verwendet werden, und der gesamte Produktionsprozess muss von einem Aufseher, dem Maschgiach, kontrolliert werden.

Würde man die Regeln streng einhalten, würde das auch bedeuten, dass man zwei Kühlschränke und Herde sowie zwei Garnituren Ess- und Kochgeschirr braucht. In der Praxis gehen Juden jedoch unterschiedlich damit um, ganz so wie auch in anderen Religionen. Strenggläubige führen allerdings tatsächlich einen doppelten Haushalt. Eine einfachere Lösung für Essgeschirr schildert Dan Fleischman: „Ich kann eine sogenannte Mikwe machen, das ist das rituelle Tauchbad. Es gibt Teller-Mikwen, in denen die Teller ausgekocht werden.“


Nur Espresso nach dem Essen. Unterschiedlich gehandhabt wird auch die Trennung von Milch und Fleisch im Magen selbst. So reicht die Wartezeit nach dem Verzehr von Fleischigem von einer bis zu sechs Stunden. Und: Nach einem Fleischgericht wird Kaffee stets ohne Milch angeboten. Wobei auch in der jüdischen Küche Sojamilch und Co. Einzug gehalten haben, die sind nämlich parve, spricht neutral.

Umgekehrt ist die Trennung im Übrigen weniger streng. Wer Milchiges gegessen hat, kann den Mund ausspülen oder etwas Brot essen, um anschließend Fleisch zu essen. Aufgrund dieser Trennung sind jüdische Restaurants entweder „milchig“ oder „fleischig“ – es sei denn, sie haben zwei Küchen.

Wobei angemerkt sei, dass es – wie auch sonst oft – „die jüdische Küche“ an sich gar nicht gibt. „Eine jüdische Küche gibt es nicht, sondern eben verschiedene Spielarten“, sagt Kurator Fischman. Sehr wohl aber könne man von koscherer Küche sprechen: „Das sind Speisen, die sich zum Beispiel an bestimmte biblische Geschichten an gewisse Feiertage anlehnen.“ So wurde etwa erst vor Kurzem – am 25. September – das jüdische Neujahrsfest, Rosch ha-Schana, begangen. Eine traditionelle Speise, die zu diesem Anlass auf den Tisch kommt, ist Lekach, ein Honigkuchen. „Zu Neujahr spielt der Honig eine große Rolle, das neue Jahr soll ein süßes Jahr werden. Also wird das auch in einem Gebäck verarbeitet. Da hat jede Familie ein Spezialrezept, das das einzig wahre ist“, sagt Typolt-Meczes.

Der nächste Feiertag im jüdischen Kalender ist Chanukka, das Lichterfest, das oft mit Weihnachten verglichen wird und dieses Jahr ab dem 17. Dezember gefeiert wird. Es erinnert an den Makkabäer-Aufstand gegen die syrisch-griechische Fremdherrschaft im Jahr 165 v. Chr. Als die Juden den Tempel wieder betraten, fanden sie nur noch einen Krug mit Öl. Dieser würde normalerweise nur reichen, um den siebenarmigen Leuchter, dessen Licht nie erlöschen soll, einen Tag lang leuchten zu lassen. Das Öl aber reichte für acht Tage – genug Zeit, um wieder Öl herzustellen. Mit diesem Ölwunder sind auch jüdische Speisen verbunden: Traditionell werden gefüllte Krapfen zu diesem Anlass in Öl herausgebacken, genannt Sufganiot. Auch die Latkes, die in reichlich Öl herausgebackenen jüdischen Kartoffelpuffer, kommen zu Chanukka auf den Tisch.

Und die eingangs erwähnten Bagels, Humus und Falafel? „Die würde ich nicht zur jüdischen Küche zählen, sondern zur orientalischen, israelischen oder arabischen“, so Fischman. Und ergänzt: „Es ist natürlich interessant, dass jeder für sich erhebt: Das ist meins.“ Aber auch das macht deutlich, dass Essen weit mehr ist als nur Nahrungsaufnahme, nämlich identitätsstiftend.

Kosher For ...

Die Ausstellung: „Kosher for ... Essen und Tradition im Judentum“ Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien, bis 8. März 2015, So bis Fr, 10 bis 18 Uhr
Rahmenprogramm: Parallel dazu gibt es ein buntes Rahmenprogramm mit Kochkursen, Filmvorführungen und Vorträgen, Infos unter www.jmw.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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