Konservierung: Kraut in der Grube

Kraut in der Grube
Kraut in der Grube Clemens Fabry / Die Presse
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Waltraud Froihofer und Walter Sommersguter haben sich mit dem Grubenkraut in den Fischbacher Alpen auf eine alte, fast vergessene Konservierungsmethode spezialisiert.

Das Warum können die beiden nicht beantworten. „Wir wissen nur, dass es funktioniert, aber nicht genau wie und warum“, sagt Walter Sommersguter, der gemeinsam mit seiner Frau, Waltraud Froihofer, einen Bio-Bauernhof im steirischen Fischbach betreibt. Einen, der sich auf ein fast schon vergessenes Produkt spezialisiert hat, nämlich das Grubenkraut. Der Froihof ist seit 1527 in Familienbesitz. Ob so lang schon Grubenkraut hergestellt wird, wissen die beiden nicht. Gut möglich wäre es, immerhin war das einst eine gängige Variante, um Kraut lang – genau genommen bis in den Frühling – ohne jegliche Zugabe von Konservierungsstoffen wie Salz oder Milchsäurebakterien haltbar zu machen. Wann im Ort damit aufgehört wurde, wissen sie hingegen schon. „1975/76 wurde die letzte Krautgrube zugemacht. Ich kann mich nicht mehr an den Geschmack des Grubenkrauts erinnern, aber an die Erzählungen der Erwachsenen.“

2008 hat das junge Ehepaar den Hof von ihren Eltern übernommen und es – neben der Viehhaltung – erstmals mit dem Grubenkraut versucht. „Das hat auf Anhieb funktioniert, und wir sind auch gleich das ganze Kraut losgeworden, die Leute im Ort waren froh, viele verbinden das mit ihrer Kindheit.“ Mittlerweile ist das Grubenkraut ein von Slow Food ausgezeichnetes Produkt, das nicht nur in der Umgebung verkauft wird, sondern auch in Feinkostläden in Wien.


Ein Erbstück aus Eisen. Die Herstellung des Grubenkrauts ist recht arbeitsintensiv: Das Kraut – die beiden haben dazu verschiedene alte Sorten angebaut – wird im Herbst geerntet, frühestens Anfang Oktober, spätestens Ende November. Anschließend werden die äußeren, weniger schönen Blätter entfernt, das Kraut wird kurz blanchiert. Am Froihof gibt es dazu einen alten, geschmiedeten, kegelförmigen Eisenkessel. „Ein Erbstück von meiner Familie, der ist wirklich optimal dafür“, sagt Sommersguter, während seine Frau Holz nachlegt. Der Kessel steht im Hof auf einer leichten Schieflage, im unteren Teil wird das Holzfeuer gemacht, das meist den ganzen Tag lang brennt, oben, im Kessel, schwimmen die Krautköpfe und werden mit einer großen Heugabel nach fünf bis maximal 15 Minuten herausgenommen.

Danach werden die Krautköpfe für ein, zwei Stunden in die Sonne gelegt, um auszubleichen. „Wir wissen nicht, wieso das notwendig ist, anscheinend werden sie durch die UV-Strahlung weiß. Wenn es neblig ist, geht es langsamer, und wir haben sie auch schon einmal nachts liegen lassen, da sind sie grün geblieben“, sagt Froihofer. Anschließend kommt das Kraut in die vier Meter tiefe, holzverkleidete Grube.

Auf dem Boden der Grube befindet sich Schotter, darauf wird Stroh gelegt, anschließend die weniger hübschen Blätter, die zuvor entfernt wurden, ein Leintuch, und erst dann werden die Krautköpfe gestapelt, jeweils mit dem Strunk nach oben. Einer von beiden steht dazu mit sauberen Gummistiefeln und Arbeitshandschuhen in der Grube und schlichtet das Kraut. Die unterschiedlichen Größen der verschiedenen Sorten sind dabei hilfreich.

Ist die Grube voll – was mehrere Stunden bis Tage dauert –, kommen wieder Blätter und Stroh darauf, anschließend ein Deckel, der mit je 100 Kilogramm pro Meter Tiefe beschwert wird, also einer 400 Kilogramm schweren Last. „Wir machen das mit einem Behälter, den wir mit Wasser füllen. Früher haben wir es mit Steinen gemacht, aber das war sehr anstrengend“, sagt Sommersguter. Das Gewicht ist offenbar notwendig, damit die Luft herausgepresst wird. So lagert das Kraut bis in den Frühling in der Grube. „Früher haben auf einem Hof an die 15 Personen gelebt, da wurde bis zu Weihnachten das frische Kraut gegessen, das ist ja lang lagerfähig. Ab Weihnachten hat man Sauerkraut gegessen, und zu Ostern wurde die Grube aufgemacht, von der man sich bis zum Sommer ernährt hat, da gab es dann wieder das frische Kraut. Kraut und Erdäpfeln waren ein Grundnahrungsmittel“, sagt Froihofer.


Einfach ausprobieren. Vor ihrem ersten Versuch haben sich die beiden nicht nur im Ort und bei ihren Familien erkundigt, sondern auch bei einem Mikrobiologen von der Boku nachgefragt, wie das genau geht. „Der hat gesagt, er kann sich nicht vorstellen, wie das funktionieren soll, aber wir sollen es genau so machen, wie das unsere Vorfahren gemacht haben, und keine Parameter verändern.“ Ein kleiner Testversuch mit nur ein paar Krautköpfen war damit also ausgeschlossen. Immerhin leben auf dem Froihof mit den beiden Kindern und ihrer Mutter nur noch fünf Personen. Lediglich bei den Sorten wurde ein bisschen experimentiert. Neben alten, samenfesten Bauernsorten haben die beiden es auch mit Hybridsorten probiert. Die stellten sich allerdings als unbrauchbar heraus. „Zuerst waren die Nachbarn fast neidisch und haben gemeint, so große schöne Krautköpfe“, sagt Froihofer. Dann zeigte sich aber, dass das Hybridkraut nur sehr kurz reif ist. Nach 14 Tagen hat es zu faulen begonnen. Das macht nicht nur einen unnötigen Zeitdruck, sondern das Kraut auch unbrauchbar, um daraus Samen zu ziehen, wofür das Kraut einmal überwintern muss. „Wir machen alles selbst, und es ist alles Handarbeit, auch das Samenziehen, das ist viel Arbeit“, sagt Froihofer. Neunmal hat sie jeden einzelnen Krautkopf in der Hand, hinzu kommt dass das Kraut über den Winter in der Grube rund 40 Prozent an Volumen verliert. Acht Euro verlangen sie für das Kilogramm Grubenkraut. Verkauft wird es nicht nur an die Gastronomie, sondern auch über Feinkostläden, dafür wird das Kraut mit Gewürzen und Schweineschmalz verfeinert und im Glas eingemacht. Seit ein paar Wochen stehen die beiden auch auf dem Wiener Kutschkermarkt. Neben dem Kraut haben sie auch zahlreiche Tiere auf dem Hof: vom Waldschaf oder der Thüringer Waldziege über das Fleckvieh bis zum Sulmtaler Huhn. „Ich hasse Monokultur, ich wollte immer einen bunten Bauernhof“, sagt Froihofer.

Also werden neben dem eingemachten Kraut auch andere Produkte, wie Weidebutter, Joghurt, Topfen, Butterschmalz und Aufstriche produziert. Bereut haben die beiden Akademiker – er ist Soziologe, sie Ethnologin – den Schritt bis jetzt nicht. Sommersguter hat schon eine zweite Grube geplant. Die gibt es zwar schon auf dem Hof, allerdings ist diese nicht aus Holz. Obwohl es geschmacklich keinen Unterschied gibt und Grubenkraut früher ausschließlich in gemauerten Gruben gelagert wurde, will er die betonierte Grube stilllegen und eine zweite aus Lärchenholz bauen lassen. „Das ist eigentlich nur fürs Image, die Leute wollen lieber Holz.“ Warum das so ist, wissen die beiden nicht – aber es funktioniert.

Auf einen Blick

Die Lagerung von Krautköpfen in einer gemauerten oder mit Holz verkleideten Grube ist eine alte Konservierungsmethode. Waltraud Froihofer und Walter Sommersguter haben sie 2008 mit dem elterlichen Hof in den Fischbacher Alpen in der Steiermark wieder aufgenommen. Die beiden verkaufen ihr Grubenkraut ab Hof, an die Gastronomie und über Feinkostläden. Seit Kurzem sind sie auch jeden Freitag und Samstag auf dem Kutschkermarkt im 18. Bezirk anzutreffen. www.grubenkraut.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2014)

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