Schwein und Kuh als "Wassertiere"

Kuh
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Die Fastenzeit machte einst kreativ und ließ Gänse, Kühe und Schweine zu "Wassertieren" werden.

Streng genommen wären Weihnachtskekse derzeit tabu, Punsch sowieso und auch Fleisch, Eier und Schmalz sollten bis 24. Dezember nicht auf dem Speiseplan stehen – sofern man den katholischen Glauben streng praktiziert. Denn genau genommen dauert die vorweihnachtliche Buß- und Fastenzeit vom ersten Adventsonntag bis zum 24. Dezember. Sie ist auch mit ein Grund, warum sich der Karpfen als klassisches Weihnachtsessen etabliert hat.

„Für den Karpfen als Weihnachtsessen gibt es zwei Erklärungen“, sagt Historikerin und Religionswissenschafterin Katja Sindemann. „Eigentlich fällt der 24. Dezember noch in die Fastenzeit. Christi Geburt ist ja erst am 25. Dezember. Der Heilige Abend geht aber auf die jüdische Zeitrechnung zurück, wonach der Tag mit dem Vorabend, also mit Sonnenuntergang beginnt.“ Deshalb wird am 24. Dezember teils heute noch erst am Abend beziehungsweise nach der Christmette geschlemmt.

Als zweites Argument führt Sindemann, die sich auch in ihrem Buch „Götterspeisen“ (Metroverlag) mit dem Thema Essen und Religion auseinander gesetzt hat, recht praktische Überlegungen an. „In der strengen Fastenzeit ist ja nur Fisch erlaubt. Und Karpfen ist der einzige Fisch, der zu dieser Winterzeit verfügbar und auch leicht zu transportieren war.“

Order von Karl dem Großen

Die Verfügbarkeit wiederum lasse sich auf Karl den Großen zurückführen, der um 800 auf den Höfen angeordnet hat, Karpfenteiche anzulegen und zu pflegen. Im Mittelalter haben vorrangig die Klöster Karpfenzucht betrieben. „Es gibt auch Vermutungen, dass die Römer schon Karpfen züchteten. Das ist aber nicht belegt“, sagt die Historikerin. Die Zubereitungsarten für den Karpfen als Weihnachtsmahl waren früher noch ein bisschen vielfältiger. „Karpfen blau, gebacken, gefüllt oder auf polnische Art waren zu Weihnachten ein Thema.“ Letztere mutet eher orientalisch an und hat dank Lebkuchen, Rosinen und Mandeln eine leicht süße Note.

Und noch einen Grund gibt es, warum sich der Fisch, speziell der Karpfen, als Weihnachtsessen so lange gehalten hat: Fisch zählte früher zu den billigeren Lebensmittel und war für wesentlich mehr Menschen leistbar.

Auch die Weihnachtsgans hat mit der Fastenzeit zu tun. „Es gibt die Erklärung, dass die Weihnachtsgans am 11.11., zu Martini, und am Ende des Advents, also zu Weihnachten, gegessen wurde“, sagt Sindemann. Bei dieser Version gilt die Gans also offiziell als festliches, üppiges Mahl. Bei einer anderen Erklärung wird die Gans aber wiederum – mit etwas Kreativität – zur Fastenspeise deklariert. „Weil alle Fleischgerichte verboten waren, wurde man sehr erfinderisch. So wurden alle Wasservögel, also auch die Gans oder die Ente, zu Fischen erklärt.“ Das ging sogar soweit, dass auch Kühe und Schweine ins Wasser getrieben wurden, dort ertrunken sind und dann eben auch als „Wassertiere“ tituliert wurden. „Diese Möglichkeiten, das Fastengebot zu umgehen, waren gemeinhin akzeptiert. Gerade die Klöster waren berühmt dafür, erfinderisch zu sein. Dort gab es Krebse und Biberschwänze. Ich weiß nicht, wie streng die Visitatoren waren, aber es kam ja auch zur Reformation, weil in den Klöstern zu sehr über die Stränge geschlagen wurde. Die einfachen Leute hatten irgendwann genug davon, dass Wasser gepredigt und Wein getrunken wurde“, sagt Sindemann.

Heute sieht das niemand mehr so streng, da wird ganz offiziell geschlemmt. Spätestens am 27. Dezember kann ohnehin niemand mehr. ks

Rezept

Weihnachtskarpfen blau
1 Bd. Suppengrün, 1 Lorbeerblatt, 10 Pfefferkörner, 3 Gewürznelken, 5 Pimentkörner, 1 Zwiebel, 2 EL Salz, 6 EL Essig, 1 kg Karpfen (küchenfertig), 2 l Wasser

Klein geschnittenes Suppengrün, Gewürze, geschnittene Zwiebel, Salz und Essig in einem Topf mit Wasser zum Kochen bringen, fünf Minuten kochen lassen. Karpfen unter kaltem Wasser abspülen und in das kochende Wasser geben. Den Topf zudecken und den Karpfen 30 bis 35 Min. ziehen lassen. Der Fisch ist gar, wenn sich die Rückenflosse leicht herausziehen lässt.

Quelle: „Götterspeisen“, Katja Sindemann, Metroverlag, 2010.

Rezept

Gebackener Karpfen
1 kg Karpfen, Salz, etwas Zitronensaft, 40 g Mehl, 1 bis 2 Eier, 100g Brösel, 150g Fett.

Der Karpfen wird abgeschuppt, ausgenommen, gewaschen, der Länge nach halbiert und in 3 bis 4 cm breite Stücke geschnitten. Diese werden gesalzen, mit Zitronensaft beträufelt, in Mehl, den Eiern und den Bröseln paniert und in heißem Fett gebacken. Die Stücke auf Küchenkrepp abtropfen. Dazu passen Salate (Erdäpfel-, Zeller- und Brunnenkresse).

Quelle: „Wiener Küche“, Adolf und Olga Hess (Neu bearbeitet von Peter Kirischitz unter Berücksichtigung der 1. Auflage von 1911), Deuticke Verlag, 2001.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2014)

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