Der Tofu aus dem Südburgenland

Chuang Shu-Chen
Chuang Shu-Chen(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Taiwanesin Chuang Shu-Chen hat sich im tiefsten Südburgenland mit ihrem Shu-Chen Sojahaus auf die Produktion von Bio-Tofu und eingelegten Taglilien spezialisiert.

Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht“, sagt Chuang Shu-Chen. Heute kann die Taiwanesin, die seit 25 Jahren im Südburgenland lebt, über den Spruch lachen. Immerhin hat sie als „einzige Frau, die alleine Tofu macht“, wie sie sagt, dafür gesorgt, dass auch die südburgenländischen Bauern Tofu, also den Käse aus der Milch der Sojabohne, nicht nur kennen, sondern mittlerweile auch zu schätzen wissen.

Jeden Montag steht Chuang, die ihren Betrieb Shu-Chen Sojahaus nennt, in der kleinen Betriebsküche in Rotenturm an der Pinka, nahe Oberwart. Aus dem CD-Spieler erklingt fernöstliche Musik, die an Gebete erinnert. Frau Chuang hat für ihre Gäste einen Tee vorbereitet, aus Blättern der Goji-Beere und Jiaogulan, dem Kraut der Unsterblichkeit. „Trinken Sie“, sagt sie und eilt in die kleine Betriebsküche, um nach dem Rechten zu sehen. Sie ist gerade dabei, frischen Tofu zu produzieren. „Vor drei Jahren habe ich mir eine Maschine gekauft, eine Sonderanfertigung aus Taiwan. Sie hat zwei Funktionen: eine händische und eine automatische. Für die automatische ist der Raum aber zu klein. Also mache ich es lieber händisch“, sagt sie. Das sei bei ihrer Produktionsmenge von zehn bis 20 Kilogramm Tofu pro Woche gerade noch gut machbar.

Wie in einer Käserei

Dass sie lieber auf Handarbeit setzt, wird sie im Laufe des Besuches noch öfter erwähnen. Man merkt schnell: Sie gibt nicht gerne etwas aus der Hand. Für die Tofuproduktion bezieht sie Sojabohnen von einem Bio-Bauern aus Lilienfeld. Früher hat Chuang auch selbst ein paar Felder bewirtschaftet, „aber das ist zu viel Arbeit: aussäen, ernten, mit dem Traktor fahren, zu viel für eine Frau alleine“. Die Sojabohnen werden also zehn Stunden lang über Nacht in Wasser eingeweicht. Am nächsten Tag werden sie abgegossen, gemahlen und anschließend in dem großen Bottich mit Wasser gekocht. „Aber langsam, das ist wichtig, drei bis vier Stunden. Wenn man sie zu schnell kocht, wird es klebrig“, sagt sie. Durch das Kochen wird das Eiweiß gelöst und verdauungshemmende Stoffe werden unschädlich gemacht. Während die Sojamilch vor sich hin köchelt, schöpft Chuang immer wieder den Schaum ab, der sich oben bildet. „Händisch, die großen Firmen machen das alles mit Maschinen“, meint sie, wirft einen prüfenden Blick in den Topf und bereitet daraufhin die Formen. Dann öffnet sie die untere Lucke des Bottichs und fängt die weiße Masse in einem großen Topf auf. „Jetzt kommt Wasser mit einem speziellem Salz dazu, man rührt um, und es wird wie Topfen“, erklärt Chuang. Ist sie mit der Konsistenz zufrieden, schöpft sie die Flüssigkeit wieder ab. „Ungefähr ein Drittel, je nach Gefühl. Das ist wie die Molke beim Käsemachen.“ In dem Bottich bleibt ein Rückstand zurück, Okara, der ebenfalls zum Kochen verwendet werden kann – oder zum Düngen für Pflanzen.

Burgenländischer Geschmack

Anschließend wird die Masse in die Formen, die mit Baumwolltücher ausgelegt sind, gegossen, mit einem Plastikdeckel verschlossen, leicht beschwert und zur Seite gestellt. „Das ist frischer Tofu, der wird nicht so stark abgepresst wie der geräucherte oder angereicherte.“ Das händische Arbeiten ermöglicht ihr, die Konsistenz des Tofus zu variieren. Der frische Tofu, der von seiner Konsistenz an Topfen erinnert, kann auch genauso wie sein österreichisches Pendant verwendet werden, etwa für Strudel oder Aufstriche. Wenn sie Räuchertofu herstellt, muss dieser länger gepresst werden. Zum Räuchern bringt sie den Tofu zu einem benachbarten Landwirt. Auch in Öl eingelegten Tofu hat sie im Angebot. „An der Kräutermischung hab ich drei Jahre lang gearbeitet, bis sie gepasst hat. Irgendwann hat jemand gesagt, das ist ein typisch burgenländischer Geschmack.“

Im Sommer produziert Chuang auch in Essig eingelegte Taglilien. Die hierzulande beliebten Essiggurken haben sie dazu motiviert, den Österreichern diese asiatische Spezialität schmackhaft zu machen. Verkauft werden die Produkte in den umliegenden Bio-Läden sowie in Wien über eine Bio-Supermarktkette und teilweise an die Gastronomie.

Auf die Frage, wie denn Frau Chuang dazu gekommen ist, im Südburgenland Tofu herzustellen, muss sie ein bisschen ausholen. „Wissen Sie, ich komme aus Taipeh, eine riesige Stadt mit so vielen Hochhäusern, irgendwann war mir das genug. Nach meiner Scheidung habe ich einfach Ruhe gebraucht.“ Ihre Schwester war bereits im Burgenland, also hat sie sie besucht. Die Schwester ist bald wieder zurück nach Taiwan gegangen, Shu-Chen blieb. „Ich hatte bald eine Arbeitsbewilligung. Mein Schwager hat die ersten Sojasprossen bei Konsum verkauft, aber leider ist der Konsum nicht gut gegangen.“ Chuang ist eigentlich gelernte Kosmetikerin. „Meine Konzession wird in den USA anerkannt, aber nicht hier. Ich hätte noch zwei Jahre lang lernen müssen. Das fand ich aber unfair, in Taipeh habe ich eine Abteilung geleitet.“ Außerdem wäre das, frisch verheiratet und mit einem Baby zuhause, zeitlich nur schwer gegangen. Bei einem Spaziergang hat sie zufällig auf einem Güterweg Sojabohnen entdeckt. „Ich habe mir gedacht, aha, das wächst hier auch und hab mich bei der Bauernschule in Güssing informiert.“ Die Sehnsucht nach einem Stück Heimat und die Langeweile – „ich kann ja nicht immer nur zuhause sitzen“ – hat sie dazu motiviert, es mit der Tofuproduktion zu versuchen. „Ich habe viel nach Taiwan telefoniert, die Post hat gut verdient, es gab ja noch kein Internet.“

Nach ein paar Besuchen in der alten Heimat hat sie begonnen, in ihrer Küche Tofu herzustellen. Die Leute aus der Umgebung waren anfangs skeptisch. „Ich habe einmal Tofu als Geschenk mitgebracht und nachher in der Mülltonne gesehen, damals gab es noch keine Bio-Tonne.“ Chuang hat aber nicht aufgegeben und Kochkurse angeboten, da sie immer wieder gefragt wurde, wie man Tofu denn zubereiten kann. „Anfangs sind Leute von der Schule meiner Tochter gekommen und die Ärztin. Also die, die ein bisschen mehr gebildet waren, aber keine Bauern.“ Mittlerweile haben aber auch sie den Tofu für sich entdeckt.

Rezept

Shu-Chens 5-Minuten-Rezept
200 g Tofu (in 1 cm dicke Scheiben geschnitten), 2 fein gehackte Knoblauchzehen, getrocknete Kräuter (Thymian, Oregano), 4 bis 6 EL Sojacause, frischer Koriander.

Öl in einer Pfanne leicht erhitzen, Kräuter anrösten und mit Sojasauce aufgießen (ev. Wasser dazu), Knoblauch einrühren, Tofu dazu geben und in der Sauce schmoren und zugedeckt ein paar Minuten ziehen lassen, mit Koriander dekorieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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