Was Tortenbacken und Hausbauen gemeinsam haben

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Von Australien und England ausgehend ist das Backen von Torten seit wenigen Jahren auch in Österreich populär. Mit traditioneller Konditorkultur hat dieser Trend aber wenig gemein.

Ob mit Buttercreme oder Fondant eingedeckt, ob mit Zuckerblumen, echten Blüten oder Stoffbändern verziert, ob mit Spitze aus Zuckerguss oder Blattgold versehen. Torten müssen nicht nur gut schmecken, sondern auch gut aussehen, heißt die Devise. Dass die Meisterwerke so kunstvoll sind, dass es nahezu schmerzt, sie anzuschneiden, ist eine andere Sache. Vor rund einem Jahr hat sich Christina Krug mit der Gründung ihrer kleinen Auftragskonditorei Schnabulerie in Mödling vollends dieser Welt verschrieben. Ihr Spezialgebiet sind Hochzeitstorten: 95 Prozent ihrer Aufträge fertigt sie für Brautpaare.

„Warst du auch in der Baubranche tätig?“, fragt die gelernte Konditorin Ulli Held, der gerade einen Tortenboden mit Buttercreme eindeckt. Er ist der einzige Mann, der an dem Grundkurs für Tortendekor in der Mödlinger Innenstadt teilnimmt – die restlichen zehn Teilnehmenden sind Frauen. „Abziehen ist wie Mörteln. Man merkt, wer schon mal verputzt hat“, erklärt Krug. Um die Torte mit Fondant, einer elastischen Zuckermasse, überziehen zu können, muss sie vorher mit Buttercreme eingedeckt werden. Damit wird der Teig versiegelt und eine ebene Fläche für den Fondant geschaffen. „Das ist, was die Torte ausmacht“, meint die 34-Jährige. Denn: Je regelmäßiger die Oberfläche und je schärfer die Kanten, desto schöner wird das Endprodukt.

Parallelen zwischen Tortendekorieren und Handwerken werden aber auch schon vorher deutlich: Bevor er überhaupt verwendet werden kann, muss der rohe Tortenboden zurechtgeschnitzt werden. Mit ein paar gekonnten Handgriffen schneidet Krug den überschüssigen Teig weg. Dafür nimmt sie eine Wasserwaage zu Hilfe: Völlig waag- und senkrecht sollte der Boden sein. „Eine mehrstöckige Torte wird sonst schnell zum schiefen Turm von Pisa.“

2013 absolvierte die 34-Jährige ihre Meisterprüfung. Wie viele in der Branche ist sie eine Quereinsteigerin. Obwohl sie immer gern gebacken habe, machte sie keine Lehre, sondern studierte zunächst Klavier und war später im Kulturmanagement tätig. „Gerade viele Quereinsteiger haben studiert. Nur sieht man in diesen Berufen selten ein Ergebnis. Beim Tortenbacken ist das anders“, erklärt sie.

Auch Tina Raul entschied sich erst mit 24 für eine Karriere in der Branche. Nach der Matura arbeitete sie zunächst als kaufmännische Angestellte. 2010, im Alter von 37 Jahren, legte sie die Meisterprüfung ab. In ihrem Tortenzubehörgeschäft Alles Torte im zweiten Bezirk verkauft sie alles, was für das Dekorieren von Torten notwendig ist – von Lebensmittelfarben bis hin zu Modellierwerkzeug mehr als 3500 Artikel. Auch Kurse für Hobbybäcker bietet die 42-Jährige an.

Ihr Wissen über Fondant, Zuckerblumen und Co. hat sich Raul in den verschiedensten Kursen in England angeeignet. „Dort ist das ein alter Hut“, meint sie. Alles Torte habe dazu beigetragen, den Trend auch in Österreich populär zu machen. Es sei hierzulande der erste derartige Geschäft gewesen. Vorher habe man die nötigen Zutaten und Werkzeuge im Inland nicht kaufen können.

Zwei getrennte Schienen.

Maßgeblich wurde der aus England und Australien stammende Trend auch über das Internet verbreitet. Auf Plattformen wie YouTube, Facebook und Pinterest können sich Interessierte Anleitungen holen. Auch Tortenblogs, auf denen meist englischsprachige Hobby- und Profibäcker ihre Kreationen und Tipps präsentieren, gibt es zuhauf. Denn nachdem der Tortenboden für das Dekorieren präpariert wurde, sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Der Fondant etwa kann beliebig gefärbt und nach dem Eindecken verschiedenartig verziert werden.

In einer großen Kiste kramend, zieht Krug verschiedenste Plastikteile hervor: von Prägewerkzeugen, mit denen Reliefs erzeugt werden können, bis hin zu Ausstechern, die jenen vom Keksebacken ähneln. Außerdem können aus Fondant auch Figuren und Blumen modelliert und nachher auf die Torte gesetzt werden.

Dass diese Art des Tortendekors in Österreich trotz der jahrhundertealten Mehlspeisenkultur so populär werden konnte, ist für Krug einfach zu erklären: „Diese Torten sind einfach hübscher“, meint sie – selbst, wenn man sie nur mit einer modellierten Rose verziere. Auch Raul findet die Optik einer Torte wichtig. „Eine Torte ist nur dann schön, wenn die Proportionen stimmen“, sagt sie. „Moderne“ Torten sind meist höher und schmäler als die Werke alteingesessener Konditoreien. Diese seien den Kunden schlicht und einfach zu „altvaterisch“.

Die englische Form der Tortengestaltung und traditionelle Wiener Konditorkunst seien „zwei voneinander getrennte Schienen“, erklärt Krug. Alteingesessene Konditoren interessiere der Trend nicht. Für österreichische Konditormeister sei er nicht mehr als ein „Hausfrauentrend“. Gerade aber wegen des mangelnden Interesses klassischer Konditoreien gebe es derart viele Quereinsteiger, meint Raul.

Der Tortenboom hat sich mittlerweile auch im Handel bemerkbar gemacht. „Schon seit mehreren Monaten ist ein Trend zu buntem, kitschigem, auffälligem Backzubehör – von Formen bis Verzierungen – zu spüren“, meint etwa Nicole Berkmann, Sprecherin der Supermarktkette Spar. Besonders in der Weihnachtszeit biete Spar daher ein umfassendes Backsortiment an. Auch Wiener Zucker ist auf den Trend aufgesprungen: Seit vergangenem Oktober führt der Zuckerkonzern Puderzucker, der wegen seiner feineren Struktur besser als Staubzucker zum Verzieren geeignet ist.

Dass mit den Dekortechniken Torten aller Art kreiert werden können, ist im Schnabulerie-Kurs schnell zu merken. Neben einem winterlichen Design mit Schneeflocken wird hier etwa auch an einer pinkfarbenen Tauftorte gewerkt. Für die Verzierung ist viel Geduld und Feingefühl nötig: Von der Planung bis zur Fertigstellung arbeite sie rund eine Woche an einer Hochzeitstorte, erzählt Krug.

Ulli Held und seine Lebensgefährtin, Nina Schröder, denen der Kurs von Bekannten empfohlen wurde, decken inzwischen eine Torte mit rosa Fondant ein. Mit scharfen Kanten auf der regelmäßigen Fläche. Ein bisschen wie beim Hausbauen, eben.

Tortendekor

Kurse bieten Hobbybäckern die Möglichkeit, in die Tortendekor-Welt zu schnuppern.

Das Internet und Zubehörshops verbreiteten den Trend in Östereich.

Schnabulerie
Kaiserin Elisabeth Straße 12, 2340 Mödling, Fr, Sa 9–13 Uhr, www.schnabulerie.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2015)

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