Über den kleinen Verzicht in der Stiftsküche

Herr Petrus im Speisesaal
Herr Petrus im SpeisesaalDie Presse
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Im Stift Herzogenburg wird Fasten längst nicht mehr so streng praktiziert. Wer will, verzichtet auf Wein oder Süßes. Gebote gibt es nicht, dafür aber ein Besinnen auf das bewusste gemeinsame Essen.

Natürlich hat Herr Petrus von all den findigen Umgehungen der früheren Geistlichen in der Fastenzeit gehört: angefangen beim besonders kalorienreichen Bockbier über etwaige üppige Fischspeisen bis hin zur Ernennung von Schweinen und Kühen zu Wassertieren, weil sie zufällig im Wasser umgekommen sind und somit auch in der Fastenzeit – trotz Fleischverbots– verzehrt werden durften. „Da sind auch viele Legenden dabei“, sagt Petrus Stockinger, der seit 2005 im Augustiner-Chorherrenstift Herzogenburg lebt.

Heute hingegen werde das Fastengebot nicht mehr allzu streng ausgelegt, zumindest in einem Priesterorden wie in Herzogenburg. Mit dem Speiseplan der insgesamt 16 Mitbrüder im Stift kann so mancher Nichtgeistlicher leicht mithalten: Gegessen wird in der Fastenzeit wie sonst auch vorwiegend Hausmannskost. Der fleisch- und süßigkeitenfreie Mittwoch und Freitag gilt das ganze Jahr über, also natürlich auch in der Fastenzeit. Ausnahmen bestätigen die Regel: Sollte ein Mitbruder an einem Mittwoch oder Freitag Namens- oder Geburtstag haben, nimmt man es mit der Regel nicht so streng. Genau genommen kennt man im Stift Herzogenburg nur zwei Einschränkungen in der Fastenzeit: Am Aschermittwoch und am Karfreitag wird die Stoßsuppe (siehe Rezept) serviert, eine einfache Milchrahmsuppe, die früher oft von Bauern zum Frühstück gegessen wurde.

Generell verzichten in der Fastenzeit aber auch die Priester auf Alkohol, Süßigkeiten – und den Blumenschmuck im Speisesaal. Auf Tischkultur wird im Stift viel Wert gelegt. „Das Klosterleben hat zwei Säulen: das gemeinsame Gebet und das gemeinsame Essen. Beim gemeinsamen Gebet tritt man mit Gott ins Gespräch, beim gemeinsamen Essen kommt man miteinander ins Gespräch“, erklärt Herr Petrus. Also ist den Mitbrüdern auch eine gewisse Tischkultur ein Anliegen.

Aber zurück zum Verzicht. Die Chefköchin, Eva Rumpler, bereitet in der Fastenzeit also keine Nachspeisen zu, auch der Wein aus dem eigenen Stiftsweingut wird nicht kredenzt. Wie die einzelnen Mitbrüder aber sonst mit dem Verzicht umgehen, bleibt jedem selbst überlassen. Die Priester betreuen 14 Pfarren und sind dadurch viel unterwegs. „Es entscheidet jeder für sich selbst, wie man mit dem Fasten umgeht“, sagt Herr Petrus. So sei auch durchaus Facebook-, Fernseh- oder Amazon-Fasten ein Thema.

Gewissen statt Legalismus

„Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil steht die Rolle des Gewissens der Gläubigen im Vordergrund. Es geht darum, das Gewissen zu schärfen, und nicht um eine spirituelle Höchstleistung.“ Anders sei das natürlich in einem Mönchsorden, der mehr Wert auf klösterliche Traditionen legt, aber auch nicht so stark nach außen orientiert lebt. „Früher ging es mehr um Legalismen, darum, wie viele Eier man isst, welches Fleisch. Zum Glück wurde das beseitigt, weil dadurch die Notwendigkeit von Escape-Funktionen wegfällt. Das ist ja bei unserem Steuergesetz nicht anders.“ (Apropos Steuern: Das Stiftsweingut wurde übrigens von einem gewissen Hans Jörg Schelling gepachtet. Seit er aber als Finanzminister tätig ist, hat seine Tochter Julia Schelling die Geschäftsführung übernommen.)

Eine Escape-Funktion in puncto Fleisch ist für die Priester im Stift also nicht notwendig. „Fleisch kommt in der Fastenzeit genauso auf den Tisch, sonst gibt es einen Aufstand vom Herrn Propst“, meint Herr Petrus und spielt damit auf den früheren Beruf des Propsts Maximilian Fürnsinn an – nämlich Fleischhauer.

Ein bisschen mehr Gemüse

Auch die Chefköchin, die gemeinsam mit zwei Teilzeitkräften für die Verköstigung der Priester zuständig ist, meint: „Früher haben wir es mit ein bisschen weniger Fleisch in der Fastenzeit probiert, das hat aber nicht gut funktioniert.“ Auf die Frage, ob es denn keine Vegetarier im Stift gäbe, immerhin wird auch für rund eine Handvoll Mitarbeiter im Stift gekocht, muss sie nur schmunzeln: „Sie hätten kein schönes Leben im Stift.“ Sie hat aber dennoch festgestellt, dass im Vergleich zum Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit im Stift– im Jahr 1997 – mittlerweile Salat und Gemüse mehr geschätzt wird.

Frau Rumpler erstellt gemeinsam mit dem Küchenmeister, Herrn Leopold, einen monatlichen Speiseplan, der mit Bleistift in einem Schulheft notiert wird. „Das wird auch archiviert, die Hefte lassen sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen“, erklärt Herr Petrus.

Die Rezepte nimmt Frau Rumpler vorwiegend aus ihrem privaten Fundus. Hin und wieder kommt ein Priester mit einem speziellen Wunsch zu ihr, den sie gern berücksichtigt. Neben der Hausmannskost stellt Herr Petrus einen Hang zur italienischen Küche fest, immerhin habe ein Mitbruder in Rom studiert. So ist ein Eintrag wird im Menüplan schlicht mit „Spaghetti“ notiert. „Es gibt auch einen Mitbruder aus Korea, also hat die Küche auch asiatische Kost ausprobiert.“

Aber zurück zum Fasten. Denn im Stift geht es in der Fastenzeit nicht ausschließlich um den etwaigen Verzicht. Fasten sei ohnehin ein schwieriges Wort, meint Herr Petrus. „Wir reden vom Sündigen, wenn wir ein Stück Torte essen. Vielleicht hat man aber damit, worüber man mit der Nachbarin spricht, während man die Torte isst, viel mehr gesündigt.“

In der Fastenzeit besinnen sich die Priester wieder mehr auf die soziale Funktion des gemeinsamen Essens. „Wir versuchen uns trotz Termindrucks mehr Zeit beim Essen füreinander zu nehmen“, sagt Herr Petrus, der das gemeinsame Essen auch als Gradmesser für den Zustand der Gemeinschaft sieht. „Das ist wie in einer Familie. Eine sozial gesunde Familie trifft sich regelmäßig zum gemeinsamen Essen.“ Im Stift sei das Alltag und nicht nur in der Fastenzeit oder zu Feiertagen ein Thema. Mit der einzigen Ausnahme, dass eben Wein und Nachspeisen weggelassen werden – und statt des an Festtagen eingesetzten Augartenporzellans schlichtes, weißes Lilienporzellan zum Einsatz kommt. Denn auch das gehöre zur Tischkultur, genau wie das Tischgespräch, das bei den Mitbrüdern – egal, ob bei Tafelspitz oder Stoßsuppe – im Mittelpunkt stehe.

Stoss-Suppe

Zutaten
1/2 Liter Milch, 1/2 L Buttermilch, 1/2L Sauermilch, 1/4 L Rahm, 1 Becher Crème fraîche, 1/4 L Schlagobers, Kümmel, Salz, etwas Mehl

Zubereitung
Alles zusammenrühren, aufkochen und mit gekochten Erdäpfeln oder Brot servieren. Im Stift Herzogenburg wird diese Suppe am Aschermittwoch und am Karfreitag serviert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2015)

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