Kochen mit der Kiste

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Gerlinde Egger und Alois Eisl haben mit der Garkiste eine weitgehend vergessene Zubereitungsmethode wiederentdeckt.

Begonnen hat alles mit einem trüben Tag auf einer Almhütte im Salzkammergut. Da das Wetter für Skitouren zu schlecht war, verbrachte Gerlinde Egger den Tag lieber drinnen. In einem Magazin entdeckte die Salzburgerin einen Bericht über eine alte Kochmethode, die nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Haushalten üblich, mittlerweile aber weitgehend in Vergessenheit geraten war: das Kochen in einer Garkiste. Dabei bringt man die Zutaten auf dem Herd kurz auf Kochtemperatur und stellt den Topf anschließend gut eingepackt in die Kiste. Fest verschlossen garen die Speisen dann über mehrere Stunden ohne zusätzliche Wärmezufuhr weiter. Es ist also eine Art Niedertemperaturmethode, die ganz ohne Strom auskommt.

Egger und ihr Lebensgefährte Alois Eisl, ein gelernter Techniker, fingen sofort Feuer. „Ich habe noch am selben Tag in der Hütte angefangen, eine Kiste zu basteln“, erzählt Eisl. Er stopfte eine Holzkiste gut mit Zeitungspapier aus und stellte einen heißen Topf hinein. Am nächsten Morgen dampfte es noch immer, die Methode funktionierte. „Das war unser Aha-Erlebnis“, berichten Eisl und Egger. Seither hat sie die Garkiste nicht mehr losgelassen. Das kreative Paar hat über Monate überlegt, gebastelt, ausprobiert, gerechnet und sich intensiv mit dieser Garmethode auseinandergesetzt. Nach und nach ist ihre moderne Version der Garkiste entstanden, die sie mittlerweile unter dem Markennamen Garwerkstatt verkaufen.

Die Außenhülle ihrer Garkiste ist aus massiver Buche. Die Innenform ist genau an den Kochtopf – einen klassischen Emailtopf von Riess – angepasst. „Das Holz für die Innenröhre muss sehr dünn sein“, beschreibt Eisl die technische Herausforderung. Nur so bleibt die Hitze im Gargut und wird nicht vom Holz gespeichert. Was so einfach aussieht, hat einen langen Entwicklungsprozess und komplizierte Berechnungen erfordert.

Sensation auf der Weltausstellung

Früher wurde mit Heu oder Zeitungspapier gedämmt, die moderne Garkiste setzt auf Holzfaser. „Unser Ziel war es, die Temperatur von 70 Grad Celsius über mindesten sechs Stunden im Topf zu halten“, erläutert der Techniker. Bei zwei Kistengrößen – eine für einen 4,5-Liter-Topf und eine für einen 3,5-Liter-Topf – ist das gelungen. An der kleinen Kiste für einen 1,5-Liter-Topf, die für Singlehaushalte gedacht ist, wird noch experimentiert, um die Temperatur zu halten. Sie soll in Kürze auf den Markt kommen. Ist der heiße Topf in der Kiste, wird sie mit einem Polster und dem Deckel verschlossen. Die Methode war früher stark verbreitet, 1867 wurde sie sogar bei der Pariser Weltausstellung als „La cuisine automatique norvegienne“ vorgestellt, schreibt Rudolf Zach in seinem in den 1920er-Jahren erschienenen Buch „Die neuzeitliche Küche“.

„Die Garkiste ist ideal für Menschen, die wenig Zeit haben“, erzählt Egger. Sie stellt in der Früh schnell eine Suppe auf den Herd, kocht einmal kurz auf und gibt den Topf in die Kiste. Wenn sie am Abend heimkommt, ist die Suppe fertig. Auch Gulasch, Ragouts, Linsengerichte, Kartoffel, Reis, Eintöpfe oder Currys eignen sich ideal für die Kiste. „Nur Nudeln sind ungeeignet, sie werden zu matschig“, erklärt die Salzburgerin. Ihre Mutter, eine gelernte Köchin, kocht mit der Kiste mittlerweile Kompotte und Chutneys ein. Auch Joghurt machen die Garkisten-Entwickler in der Kiste selbst.

Seit es mit der Garkiste experimentiert, hat das Paar seine Ernährung umgestellt. „Wir essen viel mehr Hülsenfrüchte, weil sie so unkompliziert sind. Man muss nichts einweichen“, berichtet Egger. Manche ihrer Kunden ernähren sich nach den Prinzipien der traditionellen chinesischen Medizin mit einem warmen Frühstück. Der warme Getreidebrei kommt aus der Garkiste und kann schon am Abend zuvor zubereitet werden. Das spart in der Früh Zeit.

Fünf-Gänge-Menü aus der Kiste

Viel gelernt über das Kochen mit der Garkiste haben Egger und Eisl von Agnes Lemmerer in Kärnten. „Agnes macht ein Fünf-Gänge-Menü aus der Kiste“, erzählt Egger bewundernd. Die Wirtin aus dem Sölktal arbeitet schon lang mit der Kochkiste und hat sogar eine Seminarküche dafür eingerichtet. Auch ein Kochbuch über diese Zubereitungsmethode hat sie verfasst. Doch weil ihre Kisten nicht optimal funktionierten, war sie schweren Herzens schon am Aufgeben. Mittlerweile kooperieren Lemmerer und die Garwerkstatt eng und tauschen sich regelmäßig aus. Ganz nebenbei ist auch eine Freundschaft entstanden.

Egger und Eisl geht es aber nicht nur um eine schonende Zubereitung der Speisen. Sondern sie schätzen auch die Nachhaltigkeit. Mit der Kiste braucht man um rund 40 Prozent weniger Strom als mit herkömmlicher Zubereitung am Herd. Deshalb wurde die Garkiste bei der Verleihung des Klimaschutzpreises 2014 lobend hervorgehoben. „Das hat uns sehr gefreut“, erzählen Eisl und Egger.

Gibt es etwas, was man beim Kochen mit der Garkiste beachten muss? „Das einzig Wichtige ist, dass genügend Flüssigkeit im Topf ist“, weiß Egger aus Erfahrung. Schließlich ist die Flüssigkeit der Wärmeträger, der dafür sorgt, dass es in der Kiste auch noch am nächsten Morgen dampft.

Garkiste

Garwerkstatt Salzburg
Gerlinde Egger und Alois Eisl haben vor zwei Jahren durch Zufall die Niedriggarmethode entdeckt und eine eigene Kiste entwickelt. Daraus ist die Garwerkstatt Salzburg (Winklweg 3, Fuschl am See) entstanden. Die Kisten gibt es derzeit in zwei Größen (für 3,5- und 4,5-Liter-Töpfe), eine Singlekiste ist in Planung. Außerdem hat Egger ein Heft mit Garkistenrezepten aufgelegt. www.garwerkstatt.at
Agnes Lemmer bietet Garkisten-Kochseminare an: www.soelkstubn.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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