Cocktails: Wunder-Bar

(c) Andrea Peller
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Wiens Liebe gilt dem Cocktail: Neueröffnungen am laufenden Band machen die Barkultur mittlerweile sogar zum Tourismusfaktor.

Christof Habres hat nichts mitgebracht. Denn sein „Wiener Barbuch“ ist nach nur vier Monaten ausverkauft. Die „Premium Edition“, das Nachfolgewerk der 2010 erstmalig erschienenen Cocktail-Chronik, fiel um 32 Seiten umfangreicher aus. Bartender von A wie Aichmayr (Bar Al Shabu) bis Z wie Zuo (The Sign Lounge) werden porträtiert. „Viele waren damals noch nicht so kreativ, wie sie es heute sind“, resümiert Bar-Chronist Habres die vier Jahre, die seit dem ersten Band vergangen sind. Reinhard Pohorec büffelte noch an der Weinakademie. Kan Zuo, dessen The Sign das deutsche Fachmagazin „Mixology“ zur Bar des Jahres 2015 adelte, servierte Longdrinks an Studenten.

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Die Drink-Dynamik hat die Stadt überrollt. Als wäre im Jänner 2014 mit der Eröffnung des Roberto’s am Bauernmarkt ein Damm gebrochen, verging in Wien kein Monat, in dem nicht eine neue Bar geöffnet hat: Flatscher’s, Pearl (im Park Hyatt), Kussmaul, Da Vinci, Le Zefire (im Hotel The Ring), Heuer, Pech (im ehemaligen Theatercafé), zuletzt das Shiki und ab Mai The Wave im Melrose im ehemaligen Grinzinger Weinschlössl. Kaum eine aktuelle Restaurantneueröffnung verzichtet darauf, einen Bartender von Rang zu verpflichten. Denn mittlerweile lässt sich mit Drinks gutes Geld verdienen. „Wir sind weggekommen von der Happy Hour um 4,50 Euro“, analysiert Habres. „Wenn der Tomatensaft für die Bloody Mary handgepresst wird, schrecken auch 15 Euro nicht ab.“

Wermut und Beerenauslese. Der Kunsthändler kam durch seine Hotelaufenthalte zwischen Bogota und Tokio zum Thema und traf schon mit dem ersten Barbuch einen Nerv. Wobei das Thema Hotelbar in Wien lange schwierig war. „Heute haben wir eine neue Generation von Bartendern, die sich wieder mit den Klassikern auskennt.“ Statt der ewigen Mojitos stehen nun Sazeracs und Manhattans auf den Karten. Eine weitere Entwicklung sieht der Autor in der Verwendung lokaler Zutaten.

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Nicht jede Bar hat gleich eigene Gemüsebeete zur Verfügung wie das Heuer am Karlsplatz, wo Bert Jachmann die Ernte zu Sirups einkocht oder einen Steirisch Sour mit Kernöl serviert. „Ein österreichisches Element in die Drinks zu bringen ist allen wichtig“, meint Christof Habres. Die Palette der Alcoholica Austriaca reicht von Fruchtbränden, die heute cocktailtauglich sind, bis hin zu Beerenauslesen, die etwa in der Tür 7 Verwendung finden. In der neuen Josefstädter Bar setzen Geri Kozbach-Tsai, Glenn Estrada und Reinhard Pohorec die Wiener Variante eines Speakeasy um. Zugang zum aktuell begehrtesten Tresen gibt es nur gegen Klingelzeichen an der unmarkierten Tür in der Buchfeldgasse. Die Drinks werden hier an einer überbreiten Theke direkt vor dem Gast gemixt. Zutaten wie Sirups werden selbst zubereitet, auch der Pontica-Wermut aus Hainburg ist quasi Eigenbau. Denn Pohorec, Wiens 25-jähriger Shootingstar, hat die herbe Ingredienz für den Manhattan mit dem Bar-Einzelkämpfer Peter Weintögl kreiert.

„Mad Men“ statt Schirmchen. Wiens Bars sind momentan praktisch After-Work-Clubbing und Kaffeehaus in einem. „Geschäftsbesprechungen gehen gern bei uns weiter“, erzählt etwa Etelka Salcher von der Bar Puff (der Name bezieht sich auf die Vornutzung des Lokals in der Girardigasse). Und auch Geri Kozbach-Tsai hat einen Raum der Tür 7 als Extrazimmer – „für Unterhaltungen, aber auch Zigarrenraucher“ – eingerichtet. Ein Hauch von Madison Avenue weht also auch durch Wien; die in der TV-Serie „Mad Men“ gezeigten Martini-Ausflüge mit Kunden und die Bürobar von Hauptfigur Don Draper haben den klassischen Pre-Dinner-Drink beflügelt.

„Hätte man in den 1990er-Jahren Drinks wie heute zubereitet, hätte man nach zwei Monaten zusperren können“, sieht auch ein Mann den Wandel, der als Elder Statesman des Cocktails gilt. Als Erich Wassicek von der Halbestadt begann, Cocktails zu mixen, „mussten sie bunt und mit viel Obst zubereitet sein, ein Schirmchen schadete auch nicht“. Der Drink war damals Urlaubsreminiszenz und -ersatz zugleich, analysiert er.

(c) Andrea Peller

Die neue Entwicklung ist aber international noch zu wenig bekannt. Stellt zumindest Christoph Penz fest, der die – laut „Falstaff“-Barguide – Hotelbar des Jahres im Ritz-Carlton leitet. Kurzerhand lud der Manager der D-Bar Kollegen ein, ihre Signature-Martinis auch hier anzubieten. Von Altmeistern wie Wassicek bis zur jungen Sigrid Ehm aus der Hammond Bar im Zweiten sammelte Penz unter dem Motto „Best of Vienna“ Rezepte ein. Gedauert hat es nur ein paar Stunden, bis alle an Bord waren und für ein Video ihres Martinis in die D-Bar kamen. Der Film läuft nun in der Bar am Schubertring, auch ein eigener Martini-Zähler wurde installiert, um den Erfolg zu messen. Denn Penz denkt bereits an eine Erweiterung – „Best of Austria“ könnte weitere Bartender vorstellen, „die auch für diesen Spirit der Cocktailkultur stehen“.

Auch Christof Habres steht als Cocktail-Cicerone zur Verfügung. Ab vier Personen kann man Touren mit dem „Barbuch“-Autor buchen. Und selbst das offizielle Wien hat heuer einen Versuchsballon gestartet: Zum 150. Geburtstag der Ringstraße stellte die Tourismus-Werbung gemeinsam mit Schlumberger die Frage: „Wie schmeckt die Ringstraße?“ Den Cocktailwettbewerb gewann Kan Zuo, der eine golden leuchtende Jugendstil-Interpretation servierte. Das ganze Jahr wird sein Sound of the Ring genannter Drink in 14 Bars entlang der Ringstraße angeboten. Wenn es so weitergeht, ist doch glatt der Ruf als Welthauptstadt des Weißen Spritzers in Gefahr.

Tipp

Die „Best of Vienna“-Martinis gibt es noch bis 20. 4. in der ­D-Bar am Schubertring; Habres’ Bar-Touren sind unter ratpacktoursvienna.wordpress.com
buchbar. Bars mit Ringstraßen-Cocktail auf: wien.info/de/sightseeing/ringstrasse2015.

„Wiener Barbuch“, Metroverlag.

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