Das entspannte Dual-Huhn

Bioeierproduzent Josef Lunzer
Bioeierproduzent Josef Lunzer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Bioeierproduzent Josef Lunzer ist auf das Zweinutzungshuhn umgestiegen, bei dem auch die Hähne genutzt werden – und ist mit seinen Hennen zufrieden.

Es ist vielmehr ein zufriedenes Gurren als ein hektisches Gackern, dass man auf Josef Lunzers Weidefläche hört. Die Hühner wirken entspannt und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Nur ein paar Hennen zupfen neugierig an den Schuhbändern der fremden Besucher. Herrn Lunzer lassen sie in Ruhe, den kennen sie schon. „Das sind angenehme Tiere, nicht so hektisch und nervös wie die Legehennen, die wir davor hatten“, sagt der Landwirt.

Lunzer hat gemeinsam mit seiner Frau Birgit Ende der 1990er-Jahre den elterlichen Bauernhof im burgenländischen Seewinkel übernommen. 2003 hat er den Betrieb auf biologische Wirtschaftsweise umgestellt – und sich auf Bioeier spezialisiert. „Früher hatten wir auch Stiere, da sind mir die Hühner lieber. Es ist eine schöne Arbeit.“ Heute hält er 6000 Hühner in zwei Ställen und auf insgesamt sechs Hektar Weidefläche zwischen Andau und Tadten. Wer Bioeier produzieren will, muss jedem Huhn zehn Quadratmeter Auslauf bieten. In dieser Saison – die stets einjährig ist und von Sommer zu Sommer reicht – ist Lunzer erstmals auf eine neue Hühnerrasse umgestiegen.

Dual statt Lohmann Braun

Statt der klassischen Legehenne Lohmann Braun ist er erstmals auf ein Zweinutzungshuhn umgestiegen. Die Rasse trägt den technischen Namen Dual und stammt ebenfalls von dem weltweit größten, deutschen Legehennenzüchter Lohmann Tierzucht. Ein Zweinutzungshuhn ist das Gegenteil eines Hybridhuhns und kommt einer ursprünglichen Nutzung recht nahe. Denn während in der industriellen Landwirtschaft zwischen Lege- und Masthühnern unterschieden wird, kann Dual beides, wenn auch jeweils ein bisschen weniger oder langsamer.

Mit dem Zweinutzungshuhn soll jener Praxis ein Ende bereitet werden, bei der männliche Küken unmittelbar nach dem Schlüpfen getötet werden, weil sie weder für die Eierproduktion noch als Masttiere gebraucht werden können. Letzteres deshalb, weil Legehühner darauf gezüchtet werden, möglichst schnell möglichst viele Eier zu legen. Das widerspricht aber einem raschen und starken Fleischansatz, was wiederum bei den Masthühnern wichtig ist. Das Dual-Huhn soll eben beides können. Es kann zwar nicht mit der Hochleistung anderer Rassen mithalten, dafür befreit es Konsumenten vor dem schlechten Gewissen. Aufgrund des höheren Preises ist es (vorerst) nur im Biobereich ein Thema.

Die Brüder der Hennen also, die jetzt bei Josef Lunzer Eier legen, werden von der Brüterei an Mastbetriebe verkauft, wo sie nach einer bis zu zehnwöchigen Aufzucht für die Fleischproduktion verwendet werden. Da Dual-Hähne eben ein bisschen länger brauchen, bis sie Fleisch ansetzen, haben sie auch mehr Zeit zum Wachsen. Ein klassisches Biohuhn kommt meist auf neun Wochen, ein konventionelles Masthuhn auf fünf bis sieben Wochen.

Gutes Suppenhuhn

Mit der geringeren Legeleistung der Dual-Hennen kann Lunzer gut leben. „Pro Saison, also in elf Monaten, legt das Dual-Huhn 240 Eier, die Hühner, die wir davor hatten, haben 260 Eier gelegt.“ Lunzer wurde von seinem Vertriebspartner „Zurück zum Ursprung“ darauf angesprochen, ob er Interesse hätte, die neue Rasse auszuprobieren. Er hatte – und auch gleich ein paar Ideen, was man noch alles damit machen könnte.

„Das sind gewichtigere Hühner, ich kann mir vorstellen, dass das gute Suppenhühner sind“, sagt er in Hinblick auf das Saisonende. „Man könnte die Suppenhühner in Spitäler oder Altersheimen verwenden. Eine Hühnersuppe ist ja durch den hohen Zinkgehalt irrsinnig gesund.“ Auch für die Dual-Hähne hätte er eine Idee. „Der Kapaun ist in Frankreich ein Nationalgericht, das könnte man ja auch machen.“

Die Eier des Dual-Huhns unterscheiden sich auch optisch von den Eiern der Vorgängerhühner. „Sie sind cremefarben und haben eine andere Beschaffenheit, sie sind glatt wie Enteneier. Und sehr g'schmackig. Das muss nichts heißen, aber meine Kinder wollen nur mehr die essen.“

Lunzer hält neben seinen Hühnern, der Traubenproduktion und „dem bisschen Landwirtschaft“ auch vor seinem Wohnhaus zehn Hühner und einen Hahn – für den Eigengebrauch.

Dorthin kommen auch jene Hühner, die langsamer und kleiner sind und deshalb von der Herde ausgestoßen werden. „Die hätten sonst kein schönes Leben.“ Die Hühner daheim nutzt er auch, um sie zu beobachten und daraus zu lernen. So will er etwa in der nächsten Saison auf seiner Hühnerfarm auch ein paar Hähne aufnehmen. „Das möchte ich ausprobieren. Aus wirtschaftlicher Sicht gibt man keine Hähne dazu, die sind nur unnötige Fresser.“ Er will sie für das soziale Gefüge holen – und als Herdenpolizei. „Hähne merken doppelt so schnell, wenn eine Möwe drüberfliegt, und warnen sofort.“

Auch sonst haben es die Hühner in den zwei Stallungen und auf den großen Weideflächen ganz gut. So hat er verschiedene Bäume und Sträucher auf die Weide gesetzt – teilweise für den Eigengebrauch. „Die Mandeln ess ich jeden Tag im Müsli, bei den Haselnüssen bin ich im Streit mit den Hamstern. Und aus den Äpfeln machen wir Apfelsaft.“ Die Hühner wiederum nutzen die Bäume als Unterschlupf und Schattenspender. „Man muss ihnen schon etwas bieten. Wenn man die Auslauffläche nicht attraktiv gestaltet, dann bewegen sie sich nicht weit weg“, sagt er und deutet auf den hinteren Bereich der Fläche, wo hohes Gras steht. Als hätten sie sich abgesprochen, sieht man tatsächlich ein paar neugierige Hennen die Umgebung inspizieren.

Auf einen Blick

Hybridhühner werden in der industriellen Landwirtschaft auf ihren späteren Einsatz hin gezüchtet. So legen Legehuhnrassen besonders schnell und viele Eier, während Masthuhnrassen schnell viel Fleisch ansetzen. Zweinutzungshühner können für beide Bereiche verwendet werden, haben aber eine geringere Leistung als Hybridhühner. Mit ihnen kann aber die Praxis umgangen werden, dass männliche Küken sofort nach dem Schlüpfen getötet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.