Shrub: Als der Essig in den Sirup fand

 Peter Fallnbügl
Peter Fallnbügl(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit Shrub – einem Sirup, der mit Essig zubereitet wird – zieht das „Heuer am Karlsplatz“ Gäste an. Auch wenn dafür zuerst das eine oder andere Vorurteil entkräftet werden musste.

Während sich auf der Terrasse die Gäste an ihren Getränken laben, zählt Küchenchef Peter Fallnbügl Mengen auf: „Vorgestern haben wir 100 Kilo Erdbeeren geschnitten, die Woche davor vier Tage Holler gepflückt– Sonnenbrand inklusive.“ Als Nächstes, er deutet auf den Garten, sei der Lavendel rund um das Restaurant „Heuer am Karlsplatz“ dran.

1200 Liter hat er in den vergangenen Tagen an Sirup gemacht – oder eigentlich an Shrub. Das Getränk, das wie Sirup hergerichtet wird, aber für das anstatt Zitronensäure Essig verwendet wird, kommt aus dem englischen Sprachraum und ist so etwas wie das Markenzeichen des „Heuer am Karlsplatz“ geworden. Unzählige Gläser mit Früchten in Flüssigkeit stehen in den Wandregalen, die bis zur Decke reichen: Holler-Shrub, Lavendel-Shrub und Erdbeer-Shrub, von dem Fallnbügl zu Testzwecken auch gern einmal ein Glas öffnet – fruchtiges Erdbeeraroma. Vom Essig ist nichts zu merken.

„Deppeneinfach“, sagt Fallnbügl, sei der Shrub zu machen. Wobei das in seinem Fall glatt gelogen wäre. Die Idee, Sirup anstatt mit Zitronensäure mit Essig herzurichten, brachte Barchef Bert Jachmann aus dem Ausland mit. Rezept gab es keines. „Ein halbes Jahr lang hat es in meiner Küche geblubbert und gegärt. Wir haben so viel Essig verkostet, dass wir Sodbrennen gehabt haben.“ Jedes Mal ging das Experiment schief. Der Shrub sei ja etwas, „was aus den Häusern der Großmütter kommt“. Hilfreiche Rezepte im Internet hätte er nicht gefunden.

Fast aufgegeben. Fallnbügl war schon kurz davor aufzugeben, als er sich mit dem Wiener Essigproduzenten Erwin Gegenbauer traf. Mit einem Buchenspanessig, der sechs Wochen Zeit in der Herstellung braucht, probierte er es erneut. Und es funktionierte. Der Shrub im „Heuer“ war geboren. Nun wird von Saison zu Saison ausgebaut.

Maximal vier verschiedene Sorten führt Fallnbügl auf einmal auf der Karte. Alles nur Obst, das saisonal und regional wächst. Vom Himbeer-Shrub aus dem Vorjahr sind nur noch ein paar Gläser über – Kefir-Limette, Holler und Erdbeer warten derzeit dafür darauf, getrunken zu werden. „Jedes Obst ist anders“, sagt Fallnbügl. Weswegen er noch gar keine Rezepte aufgeschrieben hätte. Ungefähr funktioniert das Grundrezept aber so: Zu drei gleichen Teilen Essig, Zucker und Früchte in ein Glas geben, verschließen und dann ein paar Tage stehen lassen. Dann abseihen. Essig und Zucker machen den Shrub haltbar, was auch die großen Produktionsmengen erklärt. Fallnbügl muss jetzt genug Shrub-Liter herrichten, um über den Winter zu kommen. Das bedeutet vor allem: viel ernten, viel schneiden, viel nachts arbeiten, wenn die Küche frei ist. Und Fingerspitzengefühl. „Wenn man das Obst einen Tag zu lang stehen lässt, kann es schon zu spät sein.“
Schwierig war es auch, den Gästen das Getränk näherzubringen. „Da ist ja Essig drinnen“, hätten einige Gäste zu Beginn empört gesagt. „Ja, und ist das etwas Schlechtes?“, antwortete der Küchenchef. Auch dass er die Getränke (er spritzt die Shrubs mit Soda auf) nicht etwa mit Minzeblättern dekoriert, sei ihm vorgeworfen worden. „Du kannst ein Glas Wasser mit fünf Minzeblättern und einer Limette verkaufen, aber nur einen handgemachten Sirup, das geht nicht“, sagt er. Menschen und deren Wahrnehmung von Essen sind Themen, über die man sich wohl stundenlang mit ihm unterhalten kann.

Wenn er Zeit hätte. Die nächsten Aufgaben warten bereits. Immerhin soll der Shrub auch bald zum Mitnehmen im „Heuer“ gekauft werden können. Etiketten und Flaschen gibt es schon. Und verwunderte Gesichter. „Der Lieferant fragt mich schon, was ich mit sechs Tonnen Zucker mache.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2015)

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