Die Ameise, die Käse macht

Franz Glabischnig mit seinem Rohmilchkäse auf dem Weg zur Reifekammer.
Franz Glabischnig mit seinem Rohmilchkäse auf dem Weg zur Reifekammer. Karin Schuh
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Der Kärntner Franz Glabischnig ist seit 40 Jahren Biobauer und produziert unter anderem Rohmilchkäse – im Sommer direkt auf der Alm.

Franz Glabischnig macht nicht nur Käse. „Ein Bauer muss auf mehreren Füßen stehen. Wenn er nur auf einem Fuß steht, fällt er um. Zwei Füße sind auch noch wacklig“, sagt er. Also macht er zudem Speck, Wurst, Butter, Topfen, Brot und was er, seine Familie und seine Gäste sonst noch so brauchen. Darüber hinaus macht er sich aber auch viele Gedanken. Darüber, wie ein Bauer lebt und arbeitet. Darüber, wie und was wir heute konsumieren. Und darüber, ob das alles richtig so ist.

Der Kärntner, der mit seiner Familie eine kleine Landwirtschaft und zwei Gastbetriebe oberhalb des Millstätter Sees bewirtschaftet, ist ein Biopionier. Seit 40 Jahren arbeitet er, gemeinsam mit seiner Frau, Uschi, biologisch. „Das ist Bestimmung, irgendwann kommt der Tag, an dem du sagst: Hat das alles einen Sinn, was wir machen und wie wir es machen?“, sagt Glabischnig, der sich gleich einmal als Franz vorstellt. Bei ihm kam der Tag schon in seiner Jugend.

Seitdem denkt er nicht nur über seine Arbeitsweise nach – die anfangs im Ort als Spinnerei abgetan wurde, mittlerweile aber weit mehr als akzeptiert ist. Er macht sich auch generell über die Menschheit Gedanken. „Ich befasse mich viel mit Geschichte. Der Mensch versucht immer, alles größer zu machen, das ist ja nicht neu, das war schon bei den alten Römern so. Aber es gibt kein ewiges Wachstum, es gibt immer nur ein Auf und Ab“, sagt Glabischnig, während er in seiner kleinen Käserei werkt. Jeden Vormittag macht er aus der Rohmilch des Vorabends und des jeweiligen Morgens Käse. Heute steht Schnittkäse auf dem Programm.

Die Fehler der alten Römer

Glabischnig erklärt gern die einzelnen Schritte: dass die Rohmilch mit Milchsäurebakterien versetzt wird, die anschließend eine Stunde lang Zeit zum Arbeiten haben, bei 31 Grad Celsius. Dass danach das Lab dazukommt und er nach etwa 40 Minuten, wenn die Masse schön dick ist, damit beginnt, sie mit einer Harfe zu schneiden. Dass die Temperatur für die Auswahl der jeweiligen Käsesorte entscheidend ist. Und dass er nur mit silofreier Milch arbeitet – „in der Silage sind Stoffe drinnen, die in der Käseproduktion Probleme machen. Bergkäse zum Beispiel, der besonders lang reift, kann man gar nicht mit Silomilch machen“.

Während Glabischnig all das erklärt, holt er auch gern ein bisschen weiter aus. „Das Problem ist der Überfluss, das ist der fatale Fehler. Das ist aber auch die Chance der Kleinen. Ich vergleiche das gern mit der Evolution, mit Sauriern und Ameisen. Dinosaurier sind vor x Jahren ausgestorben, aber Ameisen leben heute noch“, sagt er und schneidet routiniert die Masse.

Als eine solche „Ameise“ macht Glabischnig Käse – jeden Tag aufs Neue. Seit Anfang Juni schmeckt er ihm besonders gut. Denn derzeit leben seine 15 Pinzgauer Kühe und noch einmal so viele Schweine nicht auf dem etwa 400 Jahre alten Hof in Öttern, oberhalb des Millstätter Sees, an den auch der Gasthof Zur Schönen Aussicht angehängt ist. Derzeit leben die Tiere – unter Aufsicht zweier Sennerinnen – auf der Alexanderalm auf gut 1800 Metern Seehöhe. „Das ist purer Luxus für die Kühe und auch den Käse. Diese vier Monate lang ist der Käse durch die vielen Almkräuter, die die Tiere fressen, eine Klasse für sich.“ Und nicht nur der Käse schmeckt im Sommer anders. Auch der Speck, die Salami und die verschiedenen Würste haben einen ganz besonderen Geschmack.

Glabischnig verfüttert die Molke, die bei der Käseproduktion abfällt, an seine Schweine. „Das gibt einen anderen Speck, und wir sparen uns auch viel. In einer industriellen Molkerei machen sie aus der Molke noch einmal Butter, um die Ausbeute zu steigern. Da ist alles sehr knapp kalkuliert, weil der Handel den Milchpreis diktiert. Aber Abhängigkeit ist nie gut“, sagt er, während er die Molke in großen Plastikkübeln zu den Schweinen trägt. Diese wissen offenbar schon, was kommt, und untermauern ihre Vorfreude mit lautem Quieken.

Dort, wo die Schweine von Oktober bis Juni leben, werden im Sommer übrigens Paradeiser und Gurken angepflanzt. „Das ist ein gut gedüngter Boden.“

Mozzarella bis Glundner Kas

Aber zurück zum Käse. Acht verschiedene Sorten stellt Glabischnig her: vom Schnittfrischkäse und Mozzarella über Almkäse bis zum Glundner Kas und dem Harber Kas, einer regionalen Spezialität aus Magermilch mit sehr intensivem, an Gorgonzola erinnernden Geschmack. „Früher gab es in den Nockbergen keinen Vollmilchkäse, das war ein Luxus, den man sich nicht leisten konnte. Wenn man Milch entrahmt, erhält man ja Rahm und Magermilch. Käse wurde nur aus der Magermilch gemacht. Den Rahm hat man für die Butter gebraucht, sie war eine wichtige Energiequelle.“ Heute hingegen macht er auch gern Käsesorten aus Vollmilch, die für die Region nicht typisch sind. „Wir fangen an, andere Sachen zu machen und vielfältig zu werden, wie die Natur auch“, sagt er und ist schon beim nächsten Thema angelangt: der Überproduktion. Auch diese ist für ihn ein Zeichen, dass heute so einiges falsch läuft. Wir produzieren zu viel Milch mit Kraftfutter aus Übersee und tragen somit dazu bei, dass Urwälder zerstört werden“, sagt er mehr nachdenklich als vorwurfsvoll. „So machen wir die Landwirtschaft kaputt, und der Handel quetscht die Molkereien aus.“

Für ihn ist es unverständlich, warum wir Kühe mit Getreide füttern, das eigentlich der Mensch essen könnte. „Bei den Hochleistungstieren wird die Kuh zum Schwein gemacht, das schafft der Verdauungsapparat aber nicht, er ist nicht dafür gemacht. Aus Getreide Milch und Fleisch zu erzeugen ist ein absolutes Unprodukt.“ Außerdem könne er es sich gar nicht leisten, die Tiere im Stall zu halten und mit teurem Kraftfutter zu füttern. „Die Kuh ist ja von der Evolution her ein absolutes Phänomen, mit ihren vier Mägen. Und die Gras-Landwirtschaft ist keine Konkurrenz zum Menschen“, sagt er, um dann gleich anzumerken, dass das Grünfutter, das auf der Alm wächst, natürlich auch das beste Futter für das Produkt sei.

Jetzt müsse er aber noch einen Blick in den Reiferaum werfen, wo der Käse sechs Wochen lang Zeit zum Reifen hat und täglich mit einer Rotschmiere eingerieben wird. Denn Pausen macht so eine Ameise eher selten.

Auf einen Blick

Uschi und Franz Glabischnig betreiben nahe Millstatt eine Biolandwirtschaft. Neben der Produktion von Käse, Butter, Topfen, Speck, Salami, Würsten, Fleisch und Brot führen sie auch den Gasthof Zur Schönen Aussicht (Öttern 2, 9872 Millstatt, ✆047 66/26 23) und die Alexanderhütte (✆ 0664/645 49 20), auf der auch übernachtet werden kann. Jeden Montag und Mittwoch (15Uhr) werden Sennereiführungen angeboten. www.sennerei.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2015)

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