Die jungen Sommeliers kommen

Ein Teil der großen, jungen Sommelierszene: Julia Gappmaier, Norbert Kommik, Suwi Zlatic, Matthias Praschl und Stefanie Wiesner (von links).
Ein Teil der großen, jungen Sommelierszene: Julia Gappmaier, Norbert Kommik, Suwi Zlatic, Matthias Praschl und Stefanie Wiesner (von links).Die Presse
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Junge österreichische Sommeliers sind auch international hoch angesehen. Sie setzen auf Weltoffenheit statt auf Klassiker.

Die Köche bekommen Konkurrenz. Nicht, dass ihnen jemand ihren Job wegnehmen will, im Gegenteil. Aber während sie in den letzten Jahren auch hierzulande zu regelrechten Stars für Foodies geworden sind, hat es da stets jemanden gegeben, der für einen gelungenen Abend in einem Restaurant ebenfalls unerlässlich war, aber irgendwie recht wenig von dem Rampenlicht abbekommen hat: die Sommeliers.

Natürlich werden sie geschätzt, es wird Vertrauen in sie gesetzt, und wenn ein Gast einmal eine gute Erfahrung mit einem Sommelier gemacht hat, bleibt er ihm gern treu. Schön langsam dürfte das aber ein bisschen mehr werden. „In den USA werden Sommeliers schon wie Rockstars behandelt“, sagt niemand geringerer als der derzeit beste Sommelier Österreichs, Suwi Zlatic. Der junge Diplom-Sommelier, der in Geigers Posthotel in Serfaus in Tirol tätig ist, wird Österreich im nächsten Jahr bei der Weltmeisterschaft der Sommeliers in Argentinien vertreten. Er ist überzeugt davon, dass es auch hierzulande bald so sein wird.

Die Jungen reißen die Alten mit

Auch wenn der Rockstar-Vergleich etwas hoch gegriffen sein mag, er macht dennoch deutlich, in welche Richtung sich die junge Sommelierszene derzeit entwickelt – die junge österreichische Sommelierszene wohlgemerkt. Egal, wo man sich umhört, es gibt großes Lob für sie, ihre Weltoffenheit, ihr Fachwissen und ihr Engagement. So meint etwa Adi Schmid, Sommelier-Urgestein im Steirereck: „Früher stand vor allem der Österreich-Bezug im Vordergrund, jetzt geht man viel weiter. Die Jungen sind da sehr offen und wissen: Es gibt weit mehr Weingebiete als Bordeaux und Burgund.“ Er selbst findet das hocherfreulich. „Das ist sehr spannend, es geht etwas weiter. Auch die österreichischen Winzer sind vielleicht ein bisschen satt dagesessen. Wir sind jetzt alle mehr gefordert. Und die Jungen reißen uns Alteingesessene mit“, sagt Schmid. Sein Kollege Gerhard Retter, der mittlerweile in Hamburg das Restaurant Zur Fischerklause betreibt, ist ebenso von den Jungen begeistert: „Österreich hat an Attraktivität gewonnen.“ Das merke man auch daran, dass nicht nur Sommeliers – so wie früher übrigens genauso – ins Ausland gehen, um sich fortzubilden, sondern, dass auch sehr viele gute Sommeliers nach Österreich kommen – „und zwar nicht wegen der Lebensqualität, sondern weil sich hier etwas tut“. Dagmar Gross, Sommeliere und in der PR-Branche tätig, meint: „Die jungen Sommeliers sind nicht mehr so versnobt wie früher. Ein gewisses Weinbaugebiet ist nicht mehr ausschlaggebend. Sie sind vorbehaltlos, lustig, entspannt und sehr professionell.“

Gründe für diese Dynamik finden sich gleich mehrere. Einerseits hat das natürlich mit der Entwicklung der heimischen Winzer zu tun. Auch hier entdecken vor allem, aber nicht nur, die Jungen, dass es weit mehr gibt als die bekannten, bewehrten, doch eben auch erwartbaren Klassiker. Und das dritte Glied in dieser Kette ist ebenso aufgeschlossener und interessierter geworden: der Gast. „Der Österreicher war schon immer ein guter Esser und Trinker, aber man hat sich nicht so weit bewegt, die Parameter waren enger gesteckt“, sagt Retter.

Auch die jungen Sommeliers berichten, dass das Vertrauen in sie wächst. „Ich merke von Jahr zu Jahr, dass die Gäste verstärkt nach dem Sommelier fragen“, sagt dazu Norbert Kommik (29), der auf der Hochalm am Untersberg bei Salzburg arbeitet. Auf Bewertungen wie jene des berühmten Weinkritikers Robert Parker (der sich übrigens 2012 als Chef zurückgezogen und sein Unternehmen an asiatische Fondsmanager verkauft hat) setzen hingegen immer weniger Gäste. „Natürlich haben solche Bewertungen eine Bedeutung, aber meines Erachtens nicht vordergründig. Man sollte sich lieber sein eigenes Urteil bilden“, sagt dazu die 24-jährige Stefanie Wiesner, die im Steirerschlössl in Zeltweg tätig ist.

Und das machen die Jungen auffallend gern gemeinsam. Die starke Vernetzung, und zwar nicht nur in sozialen Netzwerken, ist ebenfalls etwas, was sie von ihren Vorgänger unterscheidet. Regelmäßige Stammtische inklusive Verkostungen sind bei ihnen Usus. „Man muss viel trainieren, es ist wie beim Sport“, sagt Zlatic.

Gefördert wird diese Vernetzung auch vom Österreichischen Sommelierverband und den einzelnen Vereinen in den Bundesländern. „Die österreichische Sommelierszene ist international irrsinnig angesehen, es schauen viele neidisch nach Österreich. Dafür ist auch Annemarie Foidl (Präsidentin des Österreichischen Sommelierverbands, Anm.) verantwortlich“, sagt Gross.

Wobei international nach wie vor jene Länder ganz oben stehen, die selbst kaum Wein produzieren: etwa die nordischen Länder, wie Schweden, die baltischen Staaten und Großbritannien. „Das sind die absoluten Vorbilder, die aber interessanterweise nichts mit Wein zu tun haben. Vielleicht sind sie deshalb so gut, weil sie nicht voreingenommen sind“, sagt Zlatic.

Weinkultur in jedem Dorf

Gute Voraussetzungen hat Österreich allemal. Gerhard Retter, der seit 25 Jahren in der Branche ist, meint dazu: „Österreich ist ein gesegnetes Land was Wein- und Glaskultur auch an der Basis der Pyramide, also in den Wirtshäusern, betrifft. Man findet in Österreich in jedem Dorf einen Wirten mit großer Weinliebe und Passion, der einen guten Wein in einem guten Glas serviert. Darum beneidet uns die ganze Welt.“

Was mit den neuen Sommeliers – die übrigens auch ihr Getränkespektrum weiter fassen und sich nicht nur auf Wein spezialisieren – ebenfalls einhergeht, ist eine gewisse Spezialisierung. Wenn man die Weinwelt international betrachtet und neben bekannten Weinbaugebieten eben auch ganz andere – von Georgien über Madrid bis zu Teneriffa – im Blick hat, ist diese zudem notwendig. Das wiederum stillt das Bedürfnis der genussaffinen Gäste, die gern Neues entdecken. „Eine Weinkarte ist eine Visitenkarte. Die Gäste sollten wegen ihr zu einem Sommelier kommen“, sagt Retter.

Nur ein Gebiet dürfte es bei dieser Spezialisierung derzeit ein bisschen schwer haben: ausgerechnet die Klassiker Bordeaux und Burgund. Der 61-jährige Sommelier Adi Schmid hat das bei seinen jungen Kollegen beobachtet: „Das sind die einzigen Gebiete, die für die Jungen weniger relevant sind. Man muss es sich auch leisten können, einen Wein um 300 Euro zu verkosten.“ Er selbst sieht darin keinen Verlust. Denn an Bekanntheit mangelt es diesen Regionen nicht.

Auf einen Blick

Sommelier
Ein Sommelier beschränkt sich heute längst nicht mehr auf den Wein, sondern befasst sich mit dem kompletten Getränkeangebot bis hin zu Kaffee und Käse. Im Unterschied zum Diplom-Sommelier ist der Begriff nicht geschützt.

Österreichischer Sommelierverband
Der Österreichische Sommelierverband ist die Dachorganisation der einzelnen Sommeliervereine der neun Bundesländer. Insgesamt hat er an die 2000 Mitglieder. www.sommelier.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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