Jesuskind mit Mohnschnuller

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mohn hat nicht nur kulinarisch eine Geschichte, sondern auch wegen seiner Wirkung.

Mit dem Schlafmohn und seiner schmerzstillenden bis berauschenden Wirkung will man im Mohndorf Armschlag nicht unbedingt assoziiert werden. „Waldviertler Graumohn hat nahezu keine der Inhaltsstoffe, für die der Mohn berühmt ist“, sagt Mohnobfrau Edith Weiß. Das Wort Opiate will sie dabei lieber gar nicht in den Mund nehmen.

Tatsächlich zählt aber auch der Waldviertler Graumohn, der das EU-Siegel „Geschützte Ursprungsbezeichnung“ (g. U.) trägt, zum Schlafmohn. Allerdings gibt es an die 100 verschiedene Schlafmohnarten. Während die Opiate aus dem milchigen Saft der noch grünen Kapsel gewonnen werden, wird der Mohnsamen, der kulinarisch verwendet wird, aus der bereits vertrockneten Kapsel geschüttelt.

Mohn zählt zu den ältesten Kulturpflanzen der Welt, Schlafmohn wurde bereits in der Jungsteinzeit verwendet. Der Waldviertler Graumohn hat seine Wurzeln im asiatischen Raum. Im Waldviertel geht die Geschichte des Mohns bis ins 13. Jahrhundert zurück. Waldviertler Mönche haben damals aus dem milchigen Saft des Graumohns Schlaf- und Heilmittel gegen Schmerzen hergestellt. Im Stift Zwettl finden sich noch Aufzeichnungen, in denen Mohn als Abgabe, sogenannter Kirchenzehnter, erstmals erwähnt wurde. Auch in vielen historischen Verträgen, in denen Hofübergaben geregelt wurden, wird Mohn neben Hühnern, Schweinen und anderen Tieren als Zahlungsmittel angeführt. Bis ins Jahr 1943 wurde Mohn an der Londoner Börse gehandelt, damals noch unter dem Namen Zwettler Mohn.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es aber vorbei mit der Liebe der Waldviertler zum Mohn. Andere, ertragreichere und unkompliziertere Kulturen verdrängten die Mohnfelder. Erst in den Achtzigerjahren hat man den Mohn – allen voran touristisch – wiederentdeckt.


Mohnnudeln mit Sauerkraut. Dass Mohn auch im Waldviertel nicht nur für kulinarische Zwecke verwendet wurde, wird ausgerechnet auf einem Marienbild deutlich. In der Wallfahrtskirche in Maria Grainbrunn, nahe dem Mohndorf Armschlag, befindet sich ein Marienbild aus dem Jahr 1517 – auf dem das Jesuskind mit einem Mohnschnuller abgebildet ist. „Es hat lange gebraucht, bis man erkannt hat, dass das ein Mohnschnuller ist“, sagt Mohnobfrau Weiß. Der hierzulande eingesetzte Mohnschnuller sei aber nicht bedenklich, da lediglich gemahlene Mohnsamen in Leinensackerln gesteckt wurden. In der türkischen Stadt Afyon (was so viel wie Opium heißt) wurden allerdings Mohnschnuller aus zerstoßenen Kapselteilen gemacht.

In der Küche zählte Mohn, neben Kraut und Erdäpfeln, zu den Hauptnahrungsmitteln im Waldviertel. „Damit waren alle wichtigen Inhaltsstoffe abgedeckt. Mohn enthält ja besonders viel Kalium, Kalzium und mehrfach ungesättigte Fettsäuren“, erklärt Weiß. Und: Er ist sehr ausgiebig. Sie spricht deshalb von den drei goldenen Ks, die Mohn liefert: Kalium, Kalzium und Kalorien.

Früher wurden die typischen Mohnnudeln übrigens mangels Zucker gerne mit Sauerkraut gegessen. Dank Erdäpfelteig waren somit die drei Hauptnahrungsmittel vereint. Heute zählen vor allem Süßspeisen zu den Mohnklassikern. Neben den berühmten Mohnzelten haben sich in Armschlag noch die O'Zwickten gehalten: Eine Art Mohnstrudel, der mit einem Löffel abgezwickt wurde, damit die Ränder gut verschlossen sind und die Bauern sich das Stück als Proviant in der Brusttasche des Arbeitshemds mit aufs Feld nehmen konnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2015)

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