Most: Der kleine Bruder des Weins

Statt eines Autos kaufte sich Biobauer Josef Mörwald nach der Matura eine Mostpresse.
Statt eines Autos kaufte sich Biobauer Josef Mörwald nach der Matura eine Mostpresse.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Langsam verstehen immer mehr Wirte den Most als Bereicherung für ihre Weinkarte, meint Biobauer Josef Mörwald. Gegenüber seinem großen Bruder hat der Obstwein nämlich auch einen Vorteil.

Es rauscht, als Josef Mörwald die Klappe des Anhängers löst und 400 Kilo Äpfel in die betonierte Mulde im früheren Heuboden schüttet. Einen Stock tiefer platschen die Äpfelchen – jeder einzeln aus der Wiese geklaubt – ins Wasser, bevor sie von einer zischenden Maschine zerhäckselt werden. Und der schaumige, gelbliche Saft aus der Mostpresse rinnt. Es riecht säuerlich, kräftig. Der 49-Jährige hält sein Glas unter den Strahl, probiert. „Der hupft einen an“, sagt er. Übersetzt heißt das: Der Saft hat ein bisschen zu viel Gerbstoff. „Da muss ich noch reden mit ihm.“ Dazu später.

Es ist eine der ersten Fuhren dieses Herbsts, die der Biobauer heute zu Saft – und dann zu Most – verarbeitet. Er ist eher klein unterwegs: An die 250 Bäume stehen auf den dreieinhalb Hektar Streuobstwiesen um den kleinen Vierkanter im oberösterreichischen Garsten. Vornehmlich alte Apfel- und Birnensorten: Lederbirne, Speckbirne, Winawitzbirne, Bohnapfel, Maschansker. Und vornehmlich alte Bäume, der älteste ein Haindlbirnenbaum, ein stückweit vom Haus entfernt. „Napoleon hat der schon gesehen“, sagt Mörwald.

Wie er zum Saft- und Mostmachen kam, erzählt er mit einer Anekdote: Statt sich nach seiner Matura ein Auto zu kaufen, entschied er sich als 19-Jähriger für weniger Populäres, dafür aber Nachhaltigeres, wie man heute sieht: für eine Mostpresse um 180.000 Schilling, umgerechnet sind das 13.000 Euro. Teile dieser Presse aus dem Jahr 1985 – die sogenannte Badewanne, in der die Äpfel und Birnen vor dem Pressen gewaschen werden, und der Lift, der das Obst zum Häcksler befördert – stehen immer noch hier. Auch die eigentliche Presse funktioniert noch, die hat Mörwald nur inzwischen verkauft.

Frischer Apfelsaft: „Der hupft einen an.“
Frischer Apfelsaft: „Der hupft einen an.“(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Kellerflora und Verrecker. Einen Raum weiter blubbert es in einem 500-Liter-Plastikfass, es riecht nach Sturm. Seit fünf Tagen gärt der Saft der Winawitzbirne schon vor sich hin. Anders als der soeben gepresste Apfelsaft wird das ein reinsortiger Most. 3,5 Prozent Alkohol hat er bereits, ungefähr fünf Prozent wird er haben, wenn er – in zwei, drei Wochen – fertig vergoren ist. „Ich könnte den Most auch in einer Woche durchpeitschen“, sagt Mörwald. „Aber das wäre dann so, als würde ich euch sagen, ihr sollt so schnell wie möglich nach Wien fahren – und euch dann frage, was ihr am Weg gesehen habt.“ Geschmack aufzubauen dauert.

Am Ende soll der Zucker im Saft gänzlich in Alkohol umgewandelt sein. Theoretisch geht das, indem man einfach gar nichts macht – und darauf wartet, welcher der Hefestämme, die in der Luft herumfliegen, sich durchsetzt. „Früher hat man das so gemacht, das hat man als die Kellerflora bezeichnet“, erklärt Mörwald. Das kann allerdings auch grob schiefgehen. Wenn die Hefe etwa nach der Hälfte aufhört zu arbeiten. „Einmal habe ich so einen Verrecker dabei gehabt“, sagt er. Zum Glück kostete er seinen Most früh genug, um es zu bemerken.

Kosten, kosten, kosten: Das ist generell Mörwalds Devise – nicht nur, weil man so erkennt, ob bei der Gärung vielleicht gerade etwas schiefgeht. „Die Harmonie zwischen Zucker, Säure und Extraktstoffen – die kann nur der Gaumen erkennen.“ Ein optimales Maß an Zucker oder Säure gibt es daher für ihn generell nicht. „Wenn ein großer Mann hundert Kilo wiegt, ist das etwas anderes als bei einem kleinen.“ Ja, Mörwald spricht gerne in Bildern. Das hat vielleicht auch mit seinem zweiten Job zu tun: Er unterrichtet in der Landwirtschaftsschule Schlierbach Obstbau.

Apfel, Speckbirn, Landlbirn. Was er damit meinte, als er beim ersten Schluck vom frischen Apfelsaft sagte, er müsse mit ihm noch ein bisserl reden? Er klärt den Most – wie es auch viele Weinbauern mit ihrem Wein tun – mit Gelatine. „Der Gerbstoff ist wie ein Store, wie ein dünner Vorhang“, sagt er. „Und der Kunde will klare Sicht haben.“ Neu sei das nicht: Schon die alten Römer hätten Most, Wein oder Bier mit Ei oder mit der Schwimmblase eines Fisches geklärt. „Dann entfalten sich die Eigenheiten erst richtig.“

Der fertige Most steht einen Raum weiter, in Mörwalds Kellerraum: Apfel, Speckbirne, Landlbirne sind abgefüllt. Ersterer ist ein Most für Anfänger, sagt Mörwald, nachdem er das Mostglas – ein schlankes, leicht bauchiges – unter der Nase durchgezogen und einen Schluck daraus genommen hat. „Der ist ein bisschen auf Sunnyboy getrimmt. Locker und lässig, aber auch ein bisschen oberflächlich.“ Der Speckbirnenmost ist süß, würde vielleicht gut zum Dessert passen. Und der trockenere Landlbirnenmost ist für den ausgebildeten Mostsommelier „der Grüne Veltliner der Streuobstlagen“.

Weniger Alkohol, gleicher Geschmack. Überhaupt sei der Most als Obstwein ja der kleine Bruder des Weins. „Und er kann schon fesch mithalten. Der Most hat nämlich einen Vorteil: Er hat nur die Hälfte des Alkohols, aber gleich viel Geschmack.“ Mörwald hat auch den Eindruck, dass immer mehr Wirte Most als Bereicherung für ihre Weinkarte verstehen. „Ich habe mir angewöhnt, Most zu bestellen, wenn ich essen gehe. Und die Wahrscheinlichkeit, positive Erfahrungen zu machen, steigt.“

Mörwald selbst beliefert trotzdem (noch) keine Restaurants. Was nicht ist, könnte aber noch werden. Immerhin hat er Verbindungen in die Top-Gastronomie: Spitzenkoch und Namensvetter Toni Mörwald dürfte ein (wenn auch sehr weit) entfernter Verwandter sein.

Äpfel und Birnen

Most

Von Anfang September bis Ende Oktober presst Bauer Josef Mörwald sein Obst für den Most. Etwa 5000 Liter produziert er pro Saison. Er presst auch Saft für Kunden, die ihr eigenes Obst bringen. Most, Saft und Cider verkaufen Mörwald und seine Frau Anna u. a. ab Hof in Garsten bei Steyr (Oberösterreich).

Infos unter: naturerlebnisschule.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.