Roland Trettl: "Haltet mir die Sommeliers vom Leib"

Roland Trettl.
Roland Trettl.(c) HELGE KIRCHBERGER Photography
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Nur die Schuhe fehlen ihm noch: Roland Trettl hat nach seinem Abgang aus der Gastronomie Käse gemacht, eine Jacke, ein Regal. Und er hat seine Abrechnung geschrieben.

Kooperation. Mit der Käserei Capriz machte Trettl einen Gin-Käse (erhältlich bei Pöhl am Naschmarkt).
Kooperation. Mit der Käserei Capriz machte Trettl einen Gin-Käse (erhältlich bei Pöhl am Naschmarkt).

"Der Meister hat einfach gesagt: ,Nein.‘" Roland Trettl lacht kurz auf, so, als ob ihm so etwas nicht allzu oft passieren würde. Ein Maßschuhmacher aus Wiesbaden hatte dem willigen Lehrling in spe eine Absage erteilt. Roland Trettl, der nach seinem Abgang aus dem Salzburger Hangar 7 vor zwei Jahren als wandernder Handwerkspraktikant werkte, wollte neben seiner selbst genähten Lederjacke und einem selbst getischlerten Regal auch ein Paar selbst gemachter Schuhe in seinem Leben haben. Vielleicht wird es dazu auch noch irgendwann kommen – inzwischen hat Trettl die Zusage eines Hamburger Schuhmachers, quasi als außerordentlicher Schuhstudent. „Aber bis jetzt hab ich’s verpeilt. Ich habe einfach keine Zeit.“ Dabei wollte er doch genau das nicht mehr, nach 120 Gastköchen, unzähligen Langstreckenflügen und enormem Dauerdruck. Aber das Leisertreten ist offenbar nicht so leicht, wenn man lange Jahre ein Leben unter Strom geführt hat. Trettl suchte seit seinem Ausstieg aus der Spitzengastronomie immer wieder Kontemplation in Werkstätten, wo das Tempo ein anderes ist. Während ein Gericht vergleichsweise schnell gekocht und noch viel schneller aufgegessen ist, arbeitet man an einem Regal monatelang, und man hat es ein Leben lang. „Der Stress eines Käsers ist mein Urlaub“, bringt Trettl es auf den Punkt.

In seiner Heimat versuchte sich der Südtiroler auch als Käser: Mit der experimentierfreudigen Pustertaler Käserei Capriz, für die er auch bei Events kocht beziehungsweise deren Bistrokarte „einkocht“, entwickelte er zwei Käse. „Und bei beiden kommt der Koch durch.“ Roland Trettl kam die Idee, Aromen in Milch ziehen zu lassen – ähnlich wie etwa bei einer Crème bru­lée oder einem Eis –, bevor die Milch weiterverarbeitet wird. Der erste, Sambucus genannt, wurde mit Holunderblüten gemacht, der neue, Ginepro, aus mit Wacholder und Pfeffer angesetzter Milch. Eingerieben wurden die Laibe mit Gin von Hans Reisetbauer. „Ich trinke wenig Alkohol, wenn, dann gern Gin“, sagt Trettl. Auch zum Käse. „Ich bin mir nicht sicher, ob Wein immer das Beste zum Käse ist.“

Solitär. Trettls Küchenblock T1 für Lohberger.
Solitär. Trettls Küchenblock T1 für Lohberger.(c) Helge Kirchberger

Aufgezeichnet. Der weitgehende Verzicht auf Alkohol unterscheidet ihn von vielen Köchen, von deren Trinkfreudigkeit er auch in seinem neuen Buch „Serviert. Die Wahrheit über die besten Köche der Welt“ erzählt. Aufgezeichnet hat es einer seiner Vertrauten, der Journalist Christian Seiler (die Kochshow der beiden auf nzz.at wurde kürzlich eingestellt). Wer angesichts dieses Titels an Anthony Bourdains Bestseller „Geständnisse eines Küchenchefs“ denkt, liegt richtig. Nicht nur wegen der betont schnellen, mitunter rotzigen Sprache, sondern auch, weil bei beiden Köchen die Scheu vor der Erwähnung von Körperflüssigkeiten nicht allzu ausgeprägt ist. Neben seinem Werdegang – Kochlegende Eckart Witzigmann sollte für Trettls Leben prägend werden – beschreibt der Südtiroler im Buch auch, welche besondere Spezialität er in einem Tokioter Keller dann doch nicht gekostet hat, warum er die aus Speichel geflochtenen chinesischen Vogelnester nicht servieren würde oder bei welchen Gerichten er weinen musste. Tränen freilich, die nicht vom Zwiebelschneiden während der Zubereitung herrühren, sondern von der Ergriffenheit während des Genusses. Frittierte Topinamburschalen bei Peter Gilmore in Sydney. Steinbutt mit Misobutter bei Pascal Barbot in Paris. Rote-Rüben-Knödel vom Patscheiderhof in Oberbozen.

ZS Verlag, 2015

Die Kapitel des Buches tragen Titel wie „Lasst das Streetfood in Asien. Und gebt mir eine gute Currywurst“, „Biomäßig bin ich Atheist“ oder „Wer, verdammt, will immer diesen Gruß aus der Küche essen?“. Und dass „Lieblingskoch“ Heinz Reitbauer in seinem Steirereck „seit Jahren auf Dreisterneniveau kocht, was nur der ,Michelin‘ noch nicht mitbekommen hat“, ist Trettl ebenso ein Anliegen zu erwähnen wie die Tatsache, dass er statt Food-Magazinen oft lieber den „Playboy“ gekauft hat. Aber apropos „Michelin“: Mit Restaurantführern hat Trettl schon lange ein Problem, und er macht daraus auch kein Hehl. Vielmehr kritisiert er neben den internationalen Kritikern auch jene Kochkollegen, die ihm nur heimlich zuflüstern, wie recht er doch habe. Und wünscht „allen Kollegen, die noch immer auf eine bessere Bewertung des ,Michelin‘ hoffen, gute Besserung“.

Verbessern, verändern könnte man Trettls Ansicht nach auch so einiges, was im Service passiert: „Wer will denn schon nach einem zehngängigen Essen noch einen Vortrag über 20 verschiedene Kaffeebohnen und Röstmethoden hören?“ Er ruft dazu auf, Regeln zu brechen, etwa jene, erst abzuservieren, wenn alle fertig sind. Warum solle er ewig lang vor einem schmutzigen Teller sitzen, bloß weil jemand anderer am Tisch mit seinem Risotto nicht weiterkommt?, fragt sich Trettl. Ein guter Kellner solle seinen Gast „einfach nur kapieren“. Und wer ihn charmant anlächelt und sein Herz gewinnt, dürfe ihm auch den Wein über die Hose schütten.

Tipp

Roland Trettl: „Serviert. Die Wahrheit über die besten Köche der Welt.“ Aufgezeichnet von Christian Seiler, ZS Verlag, 23,60 Euro.

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