Innenstadt und Einkaufszentrum: Wie das Freiraum expandiert

Christoph Wagner (l.) und Wolfgang Jappel im Stamm-Freiraum in der Mariahilfer Straße.
Christoph Wagner (l.) und Wolfgang Jappel im Stamm-Freiraum in der Mariahilfer Straße.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Begonnen haben sie mit Cocktails in der Millennium City. Inzwischen prägen die Erfinder der Freiraum-Lokale die halbe Stadt. Und sie wollen mehr.

Es ist eigentlich ziemlich egal, an welchem Tag zu welcher Uhrzeit man am Freiraum in der Mariahilfer Straße vorbeigeht: Voll ist es immer. Vorn im Café die Raucher, hinten die Nichtraucher im Restaurant, das einmal eine Schneiderei war, wo man sich morgens zum Kaffee oder abends zum Cocktails trifft. Oder andersherum. Ein Freiraum eben.

Klar eingeteilt ist hier nur die Aufgabenteilung der Chefs, und zwar Talent und Background entsprechend, sagt Christoph Wagner. Das Reden fällt dabei offensichtlich in sein Ressort. Wolfgang Jappel ergänzt, wo seine Expertise gefragt ist. Sascha Adzic, der Dritte des Triumvirats, das mittlerweile vier Lokale führt, ist gerade auf Reisen. Privat, aber nicht ohne den einen oder anderen Kaffeebauern zu besuchen.
Die selbst gemachten respektive importierten Zutaten sind das jüngste Steckenpferd der Freiraum-Betreiber. Eistee wird selbst gemixt, Brot gebacken, Pasta geknetet, Kaffee geröstet (und, so hofft man, bald auch eingekauft), für das Olivenöl fuhr man quer durch Griechenland. Ein ziemlich weiter Weg für drei Gastronomen, die ihre Aktivitäten mit einer Bar in einem Einkaufszentrum begonnen haben.

Wagner und Adzic hatten sich freilich schon an der Mödlinger HAK kennengelernt. Danach begann Wagner, im Gastgewerbe zu jobben. „Und wer dort einmal gelandet ist, der bleibt.“ Beziehungsweise kommt wieder, über den Umweg einer Werbe- und Eventagentur, mit der Wagner etwa in Jagerhofers Beachvolleyball-Turnier involviert war. Das sei der Einstieg gewesen „in eine Art der Gastronomie, wo man inszeniert, aber ohne künstlich zu wirken“.

Gründer des Rochus

Als Adzic das Angebot bekam, für die Millennium City Österreichs ersten „Food Court“ mitzuplanen, sagte man im jugendlichen „Wir erklären die Welt“-Modus zu und lernte dabei Wolfgang Jappel kennen. Die Chemie, erinnern sich Wagner und Jappel, habe sofort gestimmt. Die zentrale Selbstbedienungs-Cocktailbar übernahm man gleich selbst. Vielleicht, überlegt Wagner, habe ihm da schon die Erfahrung vom Jobben auf der Donauinsel geholfen: „Wie man Leute schnell zufriedenstellt.“ Er wundere sich bis heute, wenn er in der Oper sei – „und sie in der Pause anfangen, frisch einzuschenken“. Der Bar folgte eine Pizzeria, „das erfolgreichste Lokal in der Millennium City“. Danach wollte sich das Trio nicht nur im Shoppingcenter, sondern auch auf der Straße beweisen. Mit dem (bis heute ebenfalls stets vollen) Rochus am Rochusmarkt brachte man 2005 den Typus des Lokals nach Wien, „in dem man von in der Früh bis wieder früh ein vollwertiges Angebot bekommt“. Und in dem „der Mann im Blaumann neben dem Bankdirektor sitzt“. Eine Weiterentwicklung des Rochus mit „noch größerem Punch“ sei nun das Freiraum – mit mittlerweile drei Ablegern. Das Freiraum Deli, nebenan in der Mariahilfer Straße, liefert Kaffee, Snacks und Eis am Stiel, mittlerweile auch in der Herrengasse. Und auf der Freyung läuft der Versuch, das ehemalige Orlando di Castello als „Stadtcafé“ profitabler als die Vorgänger zu führen.

Apropos Innenstadt: Im Sommer eröffnen Wagner, Jappel und Adzic in der Naglergasse ein neues Lokal, am Konzept („etwas Flottes, Junges“) werde gearbeitet. Sicher ist, dass auch das neue Lokal ein Kompromiss wird: Von den Chefs ist je einer Fleischesser, Vegetarier und Veganer. Einig ist man sich darin, dass Wien Platz für noch mehr Freiraum habe. Ein Coffeeshop im Donauzentrum ist da der nächste Schritt. Womit man auch wieder im Einkaufszentrum wäre.

Auf einen Blick

Freiraum. Vor sieben Jahren haben die Rochus-Gründer Christoph Wagner (Werbung), Wolfgang Jappel (Gastronomie), Sascha Adzic (Handel) das Freiraum auf der Mariahilfer Straße eröffnet. Inzwischen gibt es dazu nebenan ein Deli, ein weiteres in der Herrengasse. Auf der Freyung führen die drei das Stadtcafé, im Sommer eröffnen sie in der Naglergasse ein weiteres Lokal. Geplant sind derzeit auch weitere Coffeeshops, u. a. ab März im Donauzentrum, und ein Onlineshop.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2016)

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