Seit 1865: Eine Gärtnerei in ihrer fünften Generation

Ingrid und Johann Altschachl ziehen in dem Gewächshaus nördlich von Wien rund 40 verschiedene Kräuter.
Ingrid und Johann Altschachl ziehen in dem Gewächshaus nördlich von Wien rund 40 verschiedene Kräuter.Die Presse
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Seit 150 Jahren betreibt die Familie Altschachl knapp außerhalb von Wiens Stadtrand eine Gärtnerei. Die fünfte Generation, Johann und Ingrid Altschachl, hat sich auf Schnittkräuter spezialisiert.

Es ist ein Meer aus Blumentöpfen, die wie die sprichwörtlichen Zinnsoldaten aufgereiht stehen. Wie viele Töpfe es genau sind, kann Johann Altschachl schwer sagen. An die 100.000 sind es aber allemal. Und genau genommen handelt es sich hierbei nicht um Blumentöpfe, vielmehr um Kräutertöpfe, die in Reih und Glied aufgestellt sind, eingebunden in ein komplexes Logistiksystem mit fahrbaren Rinnen, Heizungs- und Bewässerungssystem auf insgesamt 7500 Quadratmetern.

Unzählige Pflanzen, darunter Koriander, Basilikum, Salbei, Asia-Salate wie Blattsenf oder Zitronenverbene, wachsen hier, nördlich von Wien in einem großen Gewächshaus, vor sich hin. Dank der fahrbaren Rinnen, auf denen die Töpfe stehen, müssen sich die insgesamt zwölf Mitarbeiter kaum bücken und auch nicht schwer heben. Bei der Ernte stehen die Mitarbeiter am Rande des Kräutermeeres und schneiden die jeweiligen Kräuter ab. Ist eine Reihe abgeerntet, fährt die Rinne in die angrenzende Reihe, und die nächste Rinne wiederum rückt nach. „Je zwei Bahnen sind ein Kreislauf, die Rinnen fahren so lange herum, bis jede dran war. Wir haben somit kaum Wege“, sagt JohannAltschachl. Sollte man sich dennoch einmal in die Mitte der Halle begeben müssen, um etwa Nützlinge auszusetzen oder Reparaturen vorzunehmen, wird eine Art Schwebefahrrad genutzt – eine Eigenkonstruktion, die über Balken an der Decke der Halle hängt. Für das Foto macht das Ehepaar Altschachl eine Ausnahme und zwängt sich zwischen die Kräuterreihen.

Bereits in fünfter Generation besteht der Familienbetrieb, wobei man sich nicht immer auf Schnittkräuter spezialisiert hat. „Wir stammen eigentlich aus dem Waldviertel. 1865 kam mein Ururgroßvater nach Wien, hat sich dort angesiedelt und eine Gärtnerei angelegt“, sagt Johann Altschachl auf dem Weg in den Raum, in dem die Jungpflanzenproduktion vorgenommen wird. Auf dem Boden stehen unzählige kleine Tassen, in denen Amaranth-Kresse, Basilikum, Brunnenkresse oder Koriander heranwachsen. Auf die Frage, ob es für ihn immer klar war, den Familienbetrieb zu übernehmen, überlegt er kurz, schmunzelt und sagt: „Für meine Eltern schon.“

Er selbst habe ein bisschen länger gebraucht. Heute macht er aber nicht den Eindruck, als würde er die Entscheidung bereuen. Altschachls Vorfahren jedenfalls verkauften ursprünglich, vor gut 150 Jahren, Gemüse. Erst 1985 wurden verstärkt Kräuter angebaut, die die Gastronomie in Form von Schnittkräutern dankbar aufnahm. „Dann kam die EU, und es war klar, man muss sich spezialisieren.“ Im Jahr 2000 wurde der Betrieb komplett auf Schnittkräuter umgestellt, zwei Jahre darauf wurde die neue Produktionsstätte im niederösterreichischen Neu-Oberhausen im Marchfeld eröffnet. Davor wurde im 22. Wiener Bezirk produziert.

Altschachl schätzt, dass rund 90 Prozent seiner Kräuter an die Gastronomie gehen. Restaurants wie das Steirereck, Konstantin Filippou oder Tian, aber auch zahlreiche Lokale in Skigebieten zählen zu seinen Kunden. Die Spitzengastronomie war für Altschachl Wegbereiter – für die Kräutervielfalt, aber auch das Geschäft generell. „Heute hat ja jedes Beisl ums Eck einen Thymiansaft, früher hat das nur die Spitzengastronomie gemacht.“

Stromschlag auf der Zunge

Neben dem Standardsortiment, wie Basilikum, Minze, Thymian, Rosmarin, Rucola oder Koriander, bietet Altschachl auch Spezialitäten wie erwähnte Amaranth-Kresse, Blattsenf, Zimtbasilikum, Blut- und Sauerampfer an. Der Geschmack sei ihm dabei besonders wichtig, immerhin verlangen das auch seine Kunden, die Köche. Sie sind es auch, die für viele Spezialitäten verantwortlich sind. „Man probiert viel aus und schaut, was es noch so gibt. Neunmal ist es ein Schmarrn, aber einmal ist was Interessantes dabei.“ So wie eben zum Beispiel der Blattsenf, ein Asia-Salat mit besonders scharfem, an Senf erinnerndem Nachgeschmack. Unlängst war Altschachl mit den Kräutern bei der Markterei in Wiens Innenstadt vertreten – und hatte ein besonderes Kraut im Gepäck, die Para-Kresse. „Da waren alle ganz narrisch drauf. Das Kräutl kannst eh nicht brauchen, aber es kitzelt stark auf der Zunge, fast wie ein kleiner Stromschlag, das hat sich schnell herumgesprochen.“ Andere Kräuter wie Schafgarbe, Vogelmiere oder Beifuß, die von der Gastronomie ebenfalls verlangt werden, pflückt das Ehepaar Altschachl einfach morgens in der Umgebung.

Generell rät Johann Altschachl dazu, Kräuter immer morgens zu pflücken. „Weil sich tagsüber die ätherischen Öle verflüchtigen, die werden nachts wieder aufgebaut.“ Dass man sie beim Kochen erst zum Schluss hinzufügen soll, ist ohnehin bekannt. Altschachl empfiehlt, sie nicht zu fein zu hacken, sondern nur grob zu reißen. Und seine Frau, Ingrid Altschachl, verrät auch noch ihr Dressing für einen Blattsenf-Salat: weißer Balsamico-Essig, Olivenöl, Salz, Pfeffer und ein bisschen Marillenmarmelade. Ihr Mann pflichtet ihr bei: „Ja, das ist ein Hammer.“

Auf einen Blick

Die Gärtnerei Altschachl ist ein Familienbetrieb, dessen Geschichte bis ins Jahr 1865 zurückgeht. Heute bauen Ingrid und Johann Altschachl rund 40 verschiedene Sorten Schnittkräuter in einem Gewächshaus im Marchfeld an. Basilikum, Minze, Blattsenf, Thymian oder Wildkräutersalate werden vorwiegend an die Gastronomie verkauft, ebenso aber auf dem Großgrünmarkt in Inzersdorf, bei Feinkoch, Meinl am Graben, Himmelsbach am Naschmarkt und via Onlineshop: altschachl-kraeuter.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2016)

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