Der Wein ohne Alkohol

Der Golser Winzer Markus Weiss produziert eine Art Kombucha aus Weintrauben.   ? Clemens Fabry
Der Golser Winzer Markus Weiss produziert eine Art Kombucha aus Weintrauben. ? Clemens Fabry(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Markus Weiss produziert mit Native Grape ein alkoholfreies fermentiertes Weintraubengetränk – und ausdrücklich keinen alkoholfreien Wein.

Alkoholfreier Wein hat nicht unbedingt den besten Ruf: dünn, wässrig und viel zu süß, lautet meist das Urteil. Das weiß offenbar auch der Winzer Markus Weiss, der einen Wein ohne Alkohol auf den Markt gebracht hat, die Bezeichnung alkoholfreien Wein aber vermeidet. Stattdessen spricht er lieber von einem alkoholfreien fermentierten Weintraubengetränk, was die Sache auch ganz gut beschreibt. Denn eines vorweg: An jene dünnen Pseudoweine, die meist mangels Alternativen von Schwangeren konsumiert werden, erinnert sein Produkt nicht.

Viel eher erinnert Native Grape – so nennt Weiss sein Produkt – an Kombucha, ein in Asien gängiges Getränk, das aus fermentiertem Tee besteht. „Wir haben einfach statt des Tees Weintrauben genommen“, erklärt Markus Weiss, der mit seinen Brüdern im elterlichen Weingut in Gols arbeitet und hauptberuflich Qualitätsmanager bei einem großen Getränkehersteller ist. Rund fünf Jahre hat er an Native Grape gearbeitet. „Bis 2014 habe ich an der Boku studiert: Lebensmittel- und Biotechnologie. Da haben wir verschiedene Sachen fermentiert: Joghurt, Bier aber natürlich auch Wein.“

Er habe sich dann gemeinsam mit seinem Bruder Christian auf die Suche nach einem fermentierten alkoholfreien Getränk aus Weintrauben gemacht, das ihm auch schmeckt. „Wir sind alle sehr vinophil in der Familie. Ein richtiges Essen ohne guten Wein geht da gar nicht. Aber wenn es eben einmal kein Alkohol sein soll, dann ist es gut, wenn es eine Alternative gibt“, sagt er und führt in die Produktionsräume des Betriebs.

Seit gut einer Woche wird in Gols schon geerntet. Wegen des Frosts im Frühling wird heuer wohl nur die Hälfte der durchschnittlichen Erntemenge eingefahren. Das Weingut, das seine Eltern Gerhard und Ingeborg Weiss führen, hat gut zehn Hektar. „Mit sehr viel Junganlagen, im Vollausbau werden wir bei 18 Hektar sein.“ Die Produktion von Native Grape funktioniert ähnlich wie beim Wein. Im Unterschied zu gängigem alkoholfreien Wein wird allerdings nicht nachher der Alkohol entzogen, sondern so gearbeitet, dass während der Produktion erst gar nicht viel Alkohol entsteht (der dann aber dennoch entzogen werden muss).

Die Trauben werden also gepresst und anschließend doppelt fermentiert. Native Grape gibt es in den Sorten Chardonnay und Merlot, allerdings darf er nur Weiß und Rot genannt werden, da es sich um keinen Wein handelt (während Wein nämlich ein landwirtschaftliches Produkt ist, fällt Native Grape unter die Kategorie Lebensmittel).

Zuerst wird der klare Saft der Trauben (die Trubstoffe haben sich bereits abgesetzt) wie beim Wein mit Hefe versetzt. „Das ist die anaerobe Fermentation, also unter Sauerstoffausschluss.“ Bei der zweiten Fermentation kommen Bakterien und Sauerstoff zum Einsatz, sie ist der Essigproduktion ähnlich. Dabei bauen die Bakterien den bei der ersten Gärung gebildeten Alkohol wieder ab. Wobei eben bei der ersten Fermentation dank einer speziellen Temperatureinstellung sehr wenig Alkohol produziert wurde. Wie genau das funktioniert, will Weiss nicht verraten. Immerhin wurde fünf Jahre lang daran getüftelt – speziell an der Mischung aus Bakterien und Hefen sowie an den Temperaturen. „Bei alkoholfreiem Wein wird fertiger Wein physikalisch abdestilliert, dabei wird unter Vakuum der Alkohol abgedampft. Ich bin stolz darauf, dass wir biotechnologisch einen Weg gefunden haben und nicht nachher den ganzen Alkohol entziehen müssen, was das Gleichgewicht stören würde. So ist es harmonischer.“ Jeweils drei bis fünf Tage dauert eine Fermentation. Anschließend reift das Getränk noch bis in den November.

Der 2015er-Jahrgang war der erste, mit dem der junge Winzer zufrieden war. „Ich wollte dazwischen schon ein paar Mal den Hut draufhauen, wenn mein Bruder nicht gesagt hätte, wir probieren es noch einmal.“ Heuer soll wesentlich mehr produziert werden. „Das Ziel sind 10.000 Flaschen.“ Pasteurisiert und abgefühlt wird das Getränk bei einem Lohnfüller in Niederösterreich. Verkauft wird es in 0,375-Liter-Flaschen, vorwiegend an die Gastronomie. Geht es nach Markus Weiss, soll es dort aber nicht als alkoholfreier Wein angeboten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2016)

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