Wie aus grünem Gras rotes Fleisch wird

Fred Zehetner in seinem Kühlhaus, in dem auch Kunden einkaufen können.
Fred Zehetner in seinem Kühlhaus, in dem auch Kunden einkaufen können.(c) Clemens Fabry
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Auf der Boafarm im nördlichen Weinviertel werden schottische Angus- und Galloway-Rinder gehalten. Das Fleisch, das auch in Silvio Nickols Küche verarbeitet wird, verdankt seine Qualität dem Gras, das die Tiere hier essen.

Ein bisschen erinnert es an das Ende der Welt, wenn man Daniela Wintereder und Fred Zehetner besucht. Auf dem Weg dorthin werden die Felder mehr, die Häuser weniger. Die Straßen werden schmäler, bis man irgendwann scharf links in einen Schotterweg abbiegt. Dort geht es drei Kilometer entlang einer Allee dahin. Dass hier nicht viel los ist, machen auch die paar Rebhühner deutlich, die die Straße queren. Irgendwann erreicht man dann eine verfallene Kapelle, umringt von wilden Sträuchern. Dahinter steht eine alte Scheune – beziehungsweise das, was noch davon über ist und renoviert wurde. Und linker Hand beobachten einen neugierig tiefschwarze Rinder. Das ist der Mitterhof in Wildendürnbach im nördlichen Weinviertel. Zwar nicht das Ende der Welt, aber ein Ende von Österreich – jenes an der tschechischen Grenze.

Dort haben sich Zehetner und Wintereder ihren Traum verwirklicht. Die beiden betreiben hier auf rund 300 Hektar die Boafarm. Boa steht für Best of Austria Beef. Hier leben gut 600 Rinder der Rassen Aberdeen Angus und Galloway und 60 Schwäbisch-Hällische Schweine, deren Fleisch an Privatkunden und an die Gastronomie verkauft wird. Für den eigenen Gebrauch, oder vielmehr für die drei Söhne, gibt es hier auch Hühner, Pfaue, Ziegen, Pferde, Gänse und Truthähne.

Vom Metzger zum Bauern

Kommts rein, ich muss nur noch einen Zuschnitt fürs Fabios machen“, sagt Fred Zehetner, der eine Ruhe ausstrahlt, die ansteckend ist. Dieser Satz sagt auch viel darüber aus, wie er lebt und arbeitet. Jeder, der hierherkommt, darf ihm bei der Arbeit zuschauen. Jeder, der etwas wissen will, bekommt hier Auskunft. Die Phrase „Lehrgeld bezahlen“ hält er für ein Unwort. Er selbst musste das als gelernter Metzgermeister ohnehin machen. „Wir kommen beide nicht aus der Landwirtschaft. Ich wollte immer Bauer werden. Mein Vater – auch ein Metzger – hat gesagt: ,Mach das nicht, wir Metzger streiten ja immer mit den Bauern.‘ Und die Herren von der Landwirtschaftskammer haben mir abgeraten, weil die Bauern immer mit den Metzgern streiten.“ Er wurde trotzdem Bauer und ist froh, Quereinsteiger zu sein. „Das hat den Vorteil, dass man einen Betrieb so machen kann, wie man will. Und dass man Fehler machen kann, ohne dass sie jemandem auffallen.“ Ihr Wissen haben sich die beiden vor allem bei mehreren Auslandsaufenthalten in Kanada und Australien angeeignet. Wintereder ist heute europäische Richterin für Fleischrinder. „Die einzige in Europa“, wie ihr Mann stolz erklärt. Auf der Boafarm werden nicht nur Tiere gezüchtet (und geschlachtet), die Tiere werden auch (ebenso wie deren Samen) für die Zucht verkauft.

Dass die beiden hier Angus- und Galloway-Rinder halten, hat mit der hohen Fleischqualität, aber auch mit dem Gemüt der Tiere zu tun. „Das sind ruhige Wesen, was sollen wir mit hysterischen Tieren machen? Die wachsen langsam und vertun ihre Energie nicht mit Herumrennen“, sagt Wintereder. Seit 28 Jahren befassen sich die beiden Oberösterreicher mit Rindern. Vor 13 Jahren sind sie ins Weinviertel gezogen. Wie sie den Hof gefunden haben? „Indem wir aufgehört haben zu suchen“, sagt Zehetner. Ein Freund habe ihnen den Tipp gegeben.

Heute kommen nicht nur Privatpersonen vorbei, um bei den Ab-Hof-Tagen einzukaufen oder auch bei der Produktion dabei zu sein. Im Kühlraum reift etwa eine halbe Rinderhälfte, die einer Salzburger Familie gehört. „Die waren hier, wir haben das Tier gemeinsam geschlachtet. Jetzt reift das Fleisch, und in zwei Monaten kommen sie, und wir verarbeiten es gemeinsam.“ Mittlerweile zählen aber auch mehrfach ausgezeichnete Köche wie Silvio Nickol zu seinen Kunden. Und die kommen ebenfalls gern – auch inklusive Kellner – den Betrieb besuchen, um bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Und sie haben gelernt, das zu nehmen, was der Hof eben gerade hergibt. „Wir rufen nicht an, wenn wir etwas haben, sondern wir kommen, wenn wir etwas haben“, sagt Zehetner.

Geschlachtet wird einmal die Woche, meist vier bis sechs Stück. Auf die Frage, wann denn das immer sei, meint der Hausherr: „Wann wir wollen, wir haben keine Verpflichtungen, außer den Tieren gegenüber.“ Und die haben es sogar im Winterquartier mit rund 40 Quadratmetern pro Tier recht gut (die Bio-Richtlinien schreiben mindestens elf Quadratmeter vor). Dass der Betrieb ein Bio-Betrieb ist, begründet Zehetner übrigens damit, dass „wir gar nicht wissen, wie es anders geht“.

Low-Input-Kuh

Das ganze Jahr über sind die Tiere auf der Weide. Im Winter finden sie Unterschlupf in einem überdachten Unterstand – Zehetner nennt das Kuhhotel. Dort werden sie mit Luzernen, Silage, Heu und Stroh gefüttert. „140 Tage im Jahr arbeiten wir für die Kühe, 225 Tage arbeiten sie für uns.“ Im Sommer fressen die Tiere das, was für Zehetner auch die Fleischqualität ausmacht: Gras. Getreide, Mais oder Soja würde er seinen Rindern niemals geben. „Warum auch? Der liebe Gott hat die Rinder so erschaffen, dass sie vier Mägen haben und Gras verwerten können. Daraus wird dann so etwas Tolles wie rotes Fleisch und Milch. Und der liebe Gott lässt das Gras gratis wachsen, aber der Bauer will das nicht und will, dass eine Pflanze drei Meter hoch wächst, die nach nichts schmeckt.“ Er könne das nicht nachvollziehen, die Kraft der Weide werde unterschätzt, meint Zehetner. Er habe sich vor 28 Jahren auf die Suche nach der Low-Input-Kuh gemacht, die er mit den beiden schottischen Rinderrassen gefunden habe.

Geschlachtet werden die Tiere mit zwei bis zweieinhalb Jahren, direkt am Hof, „adrenalin- und stressfrei“, wie der Fleischermeister sagt. Auch die Schweine, die ebenso vermarktet werden, werden nicht wie sonst üblich nach vier Monaten geschlachtet, sondern nach eineinhalb Jahren. 42 Tage lang reift das Rindfleisch, das Schweinefleisch hat rund 14 Tage Zeit. Und auch die Knochen dürfen reifen. „Alle reden von gereiftem Fleisch, aber auch die Knochen werden durch Reifung besser. Eine Suppe aus gereiften Knochen hat eine andere Komplexität.“ Verarbeitet wird das ganze Tier – nur die Klauen bleiben über. Rinderfett gibt es hier ebenso wie T-Bone-Steak, Innereien oder verarbeitete Produkte, wie Pastrami, Bratwürste oder eine Knackwurst. Zehetner führt zur Demonstration in den Kühlraum, in dem die abgepackten Produkte liegen. „Männer werden da immer zu kleinen Kindern und kriegen große Augen.“ Bei den Ab-Hof-Tagen führt Zehetner seine Kunden gern dorthin, sowie in die Verarbeitungsräume. Allerdings immer nur eine Familie oder Gruppe nach der anderen. Die anderen warten einstweilen im Speisesaal – „und kommen mal runter“. Es gehe ihm um eine gute Beratung, inklusive Tipps für die Küche. Immerhin sei nicht immer das verfügbar, was sich der Kunde vorgestellt habe.

Das alles sei viel Arbeit, aber eine schöne Arbeit. „Man bekommt so viel zurück, wenn man etwas macht, was den Leuten schmeckt“, sagt er. Bauer sei der schönste Beruf der Welt für ihn. Auch wenn seine Welt ein bisschen versteckt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2016)

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