Wenn die Weinhefe im Biertank arbeitet

Braumeister Silvan Leeb hat rund zehn Hektoliter Weinbier eingebraut.
Braumeister Silvan Leeb hat rund zehn Hektoliter Weinbier eingebraut.(c) Clemens Fabry
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Weinbier hat hierzulande noch Seltenheitswert. Das Brauwerk hat gemeinsam mit dem Stift Klosterneuburg St.-Laurent-Trauben zu einem fruchtigen Pale Ale, dem Klosterneubier, verarbeitet. Dabei haben Wein- und Bierhefen zusammengearbeitet.

Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß. Es gibt auch ein Dazwischen. Oft dort, wo man es nicht vermuten mag. Zum Beispiel beim Wein oder beim Bier. Stellt man die Frage nach einem der beiden, kristallisieren sich oft eindeutige Lager heraus. Natürlich gibt es auch Menschen, die gern beides trinken. Aber irgendwie gibt man doch einem dem Vorzug. Genau wie bei der Frage nach Hund oder Katze. Oder nach den Beatles oder Rolling Stones.

Wein und Bier gemischt scheint für viele eine obszöne Mischung gieriger Restltrinker ohne Rücksicht auf Geschmack zu sein. Dass es auch anders geht und dass Weintrauben durchaus mit Gerstenmalz und Hopfen zusammenpassen, wird langsam auch hierzulande deutlich. Denn während die Italiener etwa Pioniere in Sachen Weinbier sind (siehe Artikel unten) und solche auch noch nach der Champagnermethode vergären, waren es bei uns vorwiegend sehr kleine Betriebe, die hin und wieder ein Weinbier ausprobiert haben. Richtig durchgesetzt hat es sich allerdings noch nicht.

St. Laurent im Gärbottich

Jetzt aber hat es eine etwas größere Brauerei gemeinsam mit einem ebensolchem Weingut gewagt, Reben und Hopfen zu mischen. Das Brauwerk – wenn man so will, die Kreativabteilung der Ottakringer Brauerei – hat gemeinsam mit dem Stift Klosterneuburg ein Weinbier namens Klosterneubier produziert. Dabei durften leicht angepresste Trauben der Sorte St. Laurent im Gärbottich gemeinsam mit der Würze des Bieres, einem Pale Ale, vor sich hingären. In diesem Bier finden sich also nicht nur Bierhefen, sondern auch Weinhefen.

Gebraut wurde direkt nach der Ernte der roten Trauben, die letzten Flaschen wurden vergangene Woche abgefüllt. „Wir waren vom Erntezeitpunkt der Winzer abhängig. Sie haben uns angerufen und gesagt, morgen ernten wir, also haben wir in der Früh zu brauen begonnen“, sagt Silvan Leeb, Braumeister im Brauwerk. Wobei, ganz so spontan war die Sache natürlich nicht. Die Brauerei ist schon länger mit dem Weingut des Stiftes in Kontakt. Leebs Vorgänger, Martin Simion, hat bereits im Vorjahr mit dem Stift Klosterneuburg ein sogenanntes Grapyale gebraut, allerdings wurde dabei fertiger Traubensaft in einem früheren Stadion des Brauprozesses dazugegeben. Der Traubensaft wurde also mitgekocht, während bei diesem Bier die frischen Trauben nach dem Kochvorgang mitvergärt werden.

Die Beziehung der beiden Betriebe besteht allerdings weit länger. 1837 hat die Ottakringer Brauerei vom Stift Klosterneuburg die Braubewilligung erhalten. Heuer wurden erstmals direkt nach der Ernte ein paar Trauben für das Bier abgezwackt. „Das hat den Winzern fast weh getan. Sie hatten heuer beim St. Laurent eine sehr kleine Ernte“, sagt der junge Braumeister. 500 Liter Maische (also leicht angepresste Trauben) wurden dann in zehn Hektolitern Bier verarbeitet.

Wein braucht kein Sudhaus

Gebraut wurde wie üblicherweise auch. Das Gerstenmalz, mit dem im Sudhaus alles anfängt, wird von einer Mälzerei geliefert. „Gerstenmalz ist gekeimte Gerste. Das passiert in der Natur ja auch, wenn das Korn auf der Erde liegt, es darauf regnet und warm wird.“ Zuerst wird das Gerstenmalz geschrotet, sprich zerkleinert. Dann wird es gemaischt, also mit Wasser vermischt und zwei Stunden lang bei unterschiedlichen Temperaturen erhitzt. Dadurch wird die Stärke in Zucker umgewandelt. „Der große Unterschied zwischen Wein und Bier ist das Sudhaus. Wein kann gleich vergären. Beim Bier habe ich ja die Gerste: Das Weiße innerhalb der Hülle ist die Stärke, die von der Hefe nicht vergoren werden kann. Deshalb muss sie zuerst in Zucker umgewandelt werden. Das passiert im Sudhaus.“

Danach wird etwa drei Stunden lang geläutert. Dabei werden die festen von den flüssigen Bestandteilen getrennt. Die somit entstandene Würze, also die Flüssigkeit ohne Feststoffe, wird nun gekocht. „Das dauert etwa eine Stunde, da wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten Hopfen dazugegeben. Frühe Gaben sind für das Bittere wichtig, spätere Gaben für das Aroma“, sagt Leeb. Beim Klosterneubier kamen die Hopfensorten Northern Brewer und Simcoe zum Einsatz. Letzterer ist ein Hopfen, dessen Aroma bereits an Rotwein erinnert. Danach kommt die Würze in den sogenannten Whirlpool, in dem das Eiweiß, das beim Kochen ausfällt, sowie Hopfenrückstände mittels Zentrifugalkraft entfernt werden. „Das ist, wie wenn ich in einer Teetasse umrühre, dann bildet sich ein Strudel, und die Teeblätter sammeln sich in der Mitte.“ Beim Bier sind es statt der Teeblätter eben Eiweiß und Hopfenreste.

Im letzten Schritt wird die Würze gekühlt, damit erfolgt der Übergang zum sogenannten Kaltbereich. Erst dort entsteht der Alkohol, und das Bier nimmt langsam seinen Geschmack an. Im Gärbottich wird die Würze mit Bierhefen versetzt. Beim Klosterneubier sind zusätzlich die leicht angepressten St.-Laurent-Trauben dazugekommen, und mit ihnen die Weinhefe, die ohnehin auf den Trauben sitzt. Jetzt haben die Hefen fünf bis sieben Tage lang Zeit, um zu arbeiten, also Alkohol und Kohlensäure zu bilden. „Die Weinhefe vergärt stärker als die Bierhefe, deswegen ist das Bier auch sehr trocken und schlank und hat eine schöne Perlage.“ Insgesamt sechs bis acht Wochen lagert das Bier in den Tanks. „Dadurch wird der Geschmack runder, am Anfang hat es noch mehr an Rotwein erinnert, es war kratziger.“ Mittlerweile ist das Bier beinahe fruchtig und mit sechs Prozent Alkohol erstaunlich leicht. Die Farbe liegt beim Bierspektrum von Hell bis Dunkel irgendwo dazwischen. Das satte Rot erinnert dann doch an Rotwein.

Auf einen Blick

Weinbier
Biere, in die Weintrauben verarbeitet wurden, gelten offiziell als Kreativbier. In Belgien und vor allem Italien haben sie schon länger Tradition. Hierzulande hat etwa die Brauerei Leutschach, Gusswerk oder das Hofbräu Kaltenhausen Weinbiere produziert. Das Brauwerk hat jetzt mit dem Stift Klosterneuburg ihr sogenanntes Klosterneubier eingebraut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2016)

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