Der Tag des Kaffees: Hoch das Tässchen

Auf einen Espresso mit Tobias Radinger, der sich in seiner kleinen Wiener Moccastube nicht nur am Tag des Kaffees um Kaffeekultur verdient macht.

INFO

Nach Werkshalle oder Massenproduktion sieht es in Tobias Radingers „Kaffeefabrik“ in Wien-Wieden nicht aus, dazu fehlt schon einmal der Platz. Moccastube hätte man das Format früher in Wien genannt (auch wenn dort eher Likör gefragt war). An Maschinen werkt in dieser Fabrik nur eine einzige. Der knappe Raum wird von einer Faema E61 bespielt, von der man wissen muss, dass sich Kenner vor ihr in den Staub werfen, so wie Autofans vor Porsche 356 oder Mercedes 300 SL und derlei Klassikern. Wir können nur berichten, dass sie hübsch aussieht, appetitliche Geräusche macht und einen aufrechten Espresso produziert. Das liegt aber auch – und nicht ganz unwesentlich – am Kaffee, den Radinger im Simmeringer Gewerbegebiet selber röstet. Man kann in der Kaffeefabrik auf einen schnellen Shot oder einen unverbindlichen Cappuccino vorbeischauen, wer sich aber mit Sachfragen an den Chef wendet, muss mit Antworten in ausführlicher Rede rechnen. Da mag es auf den sechs Quadratmetern noch so eng werden. Der 39-jährige Wiener referiert aus dem Stand über alle Gemütslagen der kleinen, blassen Bohnen (so sehen sie zumindest vor der Röstung aus), und das ist der Komplexität des Themas nur angemessen. Dogmatische Strenge fehlt ihm, in seinem Laden bekommt man auch einen To-go im Pappbecher, selbst wenn sich Radinger nicht wirklich vorstellen kann, warum man sich nicht die fünf Minuten für den Kuss eines Porzellantässchens gönnen wollte.

Comeback des Omakaffees. Keineswegs verachtet Radinger Menschen, die es zu Hause unter einer 61er Faema tun, auch Filterkaffee geht voll in Ordnung: „Der ist viel besser als sein Ruf. Er hat nur nicht den Sexappeal des Espresso. Aber das dreht sich gerade.“ Man achte bitte bloß auf die „88 bis höchstens 95 Grad“, die das Wasser beim Aufgießen haben sollte. Zum Kaffee gehört die Prozedur, auch wenn uns Kapselproduzenten gern kurieren wollen.

Aus mindestens zwei, immer wieder wechselnden Sorten kann man in der Kaffeefabrik wählen, demnächst soll es flankierend auch Kuchen geben. Die Bohnen stammen aus Direktimporten, die über Einkaufsgemeinschaften kleiner Röstereien organisiert werden. Alles andere als Fairness zum Produzenten passt gar nicht in Radingers Weltbild, und manchmal reist er auch zur Bohne, wie zuletzt nach Äthiopien und demnächst Nicaragua. Mit elitär hat das alles übrigens nix zu tun: So flach kann man gar nicht sein, dass sich das kleine Glück eines guten Espresso um 1,50 Euro nicht ausgeht.

Filter
Omas Brühkaffee feiert ein Comeback; die Filter kommen heute aber kultgerecht aus Japan.

Kapsel
Kaffee meist okay – Kultur fraglich.

Espresso
Ein Universum an Maschinen und guten Absichten, nicht immer von Erfolg gekrönt. Den Experten fragen! (Kaffeefabrik, Favoritenstraße 4-6, 1049 Wien)

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