Kochen mit Pflanzenwasser

Kochen Pflanzenwasser
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In der Kosmetik werden sie schon seit längerer Zeit verwendet. Jetzt werden Pflanzenwässerchen, sogenannte Hydrolate, auch verstärkt für die Küche entdeckt.

Eigentlich haben wir es ja schon immer gewusst. Bereits als Kind wurden die hübschen Gänseblümchen gesammelt und mit Wasser und vielleicht noch ein paar Gräsern zu einer gesunden Suppe oder lieber gleich einem Zaubertrank verarbeitet. Und wenn dann auch noch das Kosmetikstudio auf dem Plan stand, wurden die weißen Blütenblätter kunstvoll mit Unmengen von Nivea-Creme ins Gesicht geschmiert. Auch wenn mit dem Gänseblümchen dadurch vielleicht nicht gerade die optimale Wirkung erzielt wurde, ist an diesen kindlichen Spielen doch etwas dran. Denn dass man Pflanzen auch zu Cremen verarbeiten kann, ist seit jeher bekannt. Auch als kulinarische Zugabe finden sich Gänseblümchen und Co. schon länger in Wildkräutersalaten oder Ähnlichem. Seit einiger Zeit werden Pflanzen von der Rose abwärts aber auch gerne zum Würzen verwendet. Und zwar nicht etwa in getrockneter Form, sondern als Pflanzenwässerchen, als Hydrolat – das im Zuge des Do-it-yourself-Hypes am besten gleich selbst hergestellt wird.


Aromawässerchen der alten Griechen. Wobei, neu ist das Pflanzenwasser, das als Nebenprodukt der Wasserdampfdestillation von Pflanzen – etwa zur Herstellung von ätherischen Ölen – entsteht, eigentlich nicht. Bereits in der Antike wurden die ersten Destillationsanlagen von den Griechen gebaut. Die Römer und auch die Araber beschäftigten sich ebenso mit den Aromawässerchen – und das nicht nur in der Kosmetik, sondern auch in der Küche. Der bekannteste Einsatz eines Hydrolats ist dabei wohl das Rosenwasser, das zur Herstellung von Marzipan verwendet wird. Allerdings kann aus so gut wie jedem Pflänzchen ein Hydrolat gemacht werden. Die meist milchigen Wässerchen enthalten wasserlösliche Pflanzenstoffe und wirken ähnlich wie ätherische Öle, allerdings wesentlich milder. Gerade deshalb sind sie auch bei Laien besonders beliebt, immerhin kann man bei der Dosierung weniger falsch machen.

„Ein Hydrolat ist ein Wässerchen, das ein bisschen duftet und ähnliche Inhaltsstoffe wie ätherische Öle hat, nur in abgeschwächter Form“, sagt die Aromatologin Ingrid Kleindienst-John, die soeben ihr Buch „Hydrolate. Sanfte Heilkräfte aus Pflanzenwasser“ herausgebracht hat. Sie beobachtet seit fünf, sechs Jahren ein steigendes Interesse an Hydrolaten, die mit einer kleinen Destille – ähnlich jener, die man zum Schnapsbrennen verwendet – auch gerne daheim hergestellt werden. Ist man in Besitz einer solchen Apparatur, kann mithilfe frischer Pflanzen – je nach Sorte meist Blätter, Blüten oder auch Samen – etwas Wasser, ein paar Glasflaschen und einem Herd jedes erdenkliche Hydrolat hergestellt werden. Die gängigsten sind dabei wohl jene aus Rosenblättern, Lavendel und Orangenblüten. Die Liste reicht aber von Basilikum über Fenchel – etwa für den Sauerteig beim Brotbacken – und Holunder bis zu Thymian oder Wacholder. Die Bandbreite der Hydrolate für den kosmetischen Einsatz ist allerdings wesentlich größer und beinhaltet auch Klettenwurzel, Latschenkiefer, Pappel oder Weihrauch.

„Man kann eigentlich aus fast jeder Pflanze ein Hydrolat gewinnen. Nur bei Apfelblüte, Maiglöckchen, Kirschblüte oder Lavendel ist es noch nicht gelungen. Das sind dann meist synthetisch hergestellte Hydrolate, der Begriff ist nämlich nicht geschützt“, sagt Aromatherapeutin Ursula Kutschera, die selbst auch gerne mit ätherischen Ölen und Hydrolaten kocht. Auch sie hat bei ihren Workshops zum Thema Küche und Kosmetik seit 2008 eine steigende Nachfrage beobachtet. Kutschera setzt nicht nur bei ihren Kursen sondern auch in der eigenen Küche aufs Experimentieren. Sie selbst verwendet gern ätherische Öle. „Da muss man bei der Dosierung aber wirklich aufpassen. Für den Anfang empfiehlt es sich, Würzöle herzustellen, denn wenn man zu viel von den ätherischen Ölen erwischt, ist eine Speise schnell einmal verdorben.“ Für ein Würzöl kommen auf etwa 50 Milliliter Sonnenblumen- oder Olivenöl bis zu zehn Tropfen des ätherischen Öls. Das reicht vollkommen, um Speisen zu würzen. „In einem Tropfen ätherisches Öl befindet sich eine ganze Scheibtruhe voll Pfefferminze. Das schmeckt dann auch entsprechend intensiv.“ Hydrolate hingegen sind wesentlich milder. Sie sollten aber dennoch nicht allzu großzügig eingesetzt werden. Immerhin enthalten sie trotzdem eine Menge an Inhaltsstoffen und sind je nach Sorte mehr oder weniger geschmacksintensiv. Wer etwa das Joghurtgetränk Lassi mit Rosen- oder Orangenblüten-Hydrolat verfeinern will, verwendet dafür ein Achtel der gesamten Menge.


Flüssiger Knoblauch. Kutschera setzt die Pflanzenwässerchen gerne zusätzlich zu Kräutern ein. „Wir wollen ja keine Kräuter verbannen. Aber Hydrolate können einfach einen zusätzlichen Pepp geben.“ So besprüht sie etwa gegrillte Gemüsespieße mit Rosenhydrolat, verfeinert Vanilleeis mit einem Lavendelwässerchen oder kombiniert Orangenhydrolat zu hellem Fleisch oder Fisch. Waffeln süßt sie mit einem Hydrolat aus Ylang-Ylang. Salate werden mit verschiedenen Kräuterhydrolaten besprenkelt. Und wer etwa keinen Knoblauch verträgt, auf den Geschmack aber dennoch nicht verzichten will, kann auch bei dem Knollengewächs auf die flüssige Variante zurückgreifen. Julia Mähr hingegen belässt die Hydrolate gerne in ihrer flüssigen Form. Die Aromapraktikerin, die für den Naturprodukte-Hersteller Feeling arbeitet, verfeinert etwa Sekt oder Cocktails mit Hydrolaten oder macht daraus Eiswürfel.

Allzu lange sollte man so ein Fläschchen Pflanzenwasser übrigens nicht aufheben, vorausgesetzt es wurde nicht mit Alkohol versetzt – dann wäre es aber zumindest für die befragten Aromatherapeutinnen kein „richtiges“ Hydrolat. Maximal sechs bis acht Wochen hält sich ein angebrochenes Fläschchen im Kühlschrank. Danach ist es nicht nur mit der gesundheitlichen Wirkung vorbei, sondern auch mit dem Geschmack. Dann eignet sich so ein Rosenblüten-, Brennnessel- oder Gänseblümchen-Hydrolat nur noch für den Zaubertrank.

NEU ERSCHIENEN

Ingrid Kleindienst-John

Hydrolate –
Sanfte Heilkräfte aus Pflanzenwasser

Freya Verlag 2012
180 Seiten
19,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2012)

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