Die Testerinnen: Kiang Winebar

(c) Stanislav Jenis
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Ein Quantum Trost, chinesisch, sehr braun, sehr gut.

(c) Stanislav Jenis

Ein Winterabend, man verlässt grantig das Haus, auf der Suche nach Aufheiterungsessen, hat von einem chinesischen Minilokal gehört, in dem es irgendetwas Warmes mit Grammeln und Lardo und Schmorschweinsbauch geben soll, besseres Seelenstreichelessen gibt es kaum. Keine Hoffnung auf einen Sitzplatz, von nur zwölf Sesseln in einem bauchladenbreiten Schlauch ist die Rede, dazu euphorische Berichte allerorts, aber auch schon egal, in diesem Wintergrant. Offensichtlich gibt es jedoch wintergrantigere Leute, die an diesem Abend gar nicht außer Haus gehen, denn zwei Esstische von vier sind frei. Dann kommt die Karte, und auf dieser Karte stehen diese Speisen und diese Preise und diese Weine, und man ist so schnell aufgeheitert wie aufgewärmt. Interessant, dass acht Frauen und nur ein männlicher Gast da sind, und dass alle Frauen Probleme wälzen und zwecks Seelenstreicheln die Karte rauf und runter bestellen und immer entspannter dreinschauen.

Dann legen Joseph Kiang und seine Frau Li Chen in ihrer Zweiquadratmeterküche los. Und servieren 100-jährige Enteneier, typisch dunkelbraun und geleeartig das Eiweiß, rauchig-petrolblau und cremig der Dotter. Mit Zhejiang-Essig, Chiliöl und Ingwer haben die Eier eine der herrlichsten Marinaden überhaupt abbekommen. Gerade einmal 3,50 € kostet dieser Hochgenuss, der trotz des Dotterblaus insgesamt der erste von vielen braunen Gängen ist. Das fettig gebackene lichtbraune Fladenbrot mit Grammeln, Lardo und Jungzwiebeln ist wie erwartet wintertröstlich, aber nicht so umwerfend wie andernorts beschrieben. Durch die Bank braun (Korianderkraut ist nur für den Fotografenteller vorgesehen, nicht aber für den der Testerin) ist auch die kalte Platte mit handzahmen Kutteln, Rinderwade, Pilzen, Algen und Leporello-Tofublättern, alles mit Sojasauce und Sternanis geschmort. Eine überaus köstliche monochromatische Exkursion durch Konsistenzen, das Braun wärmt, obwohl alles kalt ist. Braun und üppig auch die geschmorten Melanzani. Dessert gibt’s heute keines, „morgen mach ich eine Bohnen-Walnuss-Blätterteig-Geschichte“, sagt Kiang. Wird wohl recht braun ausfallen. „Wie oft ändern Sie die Karte?“, fragt eine der acht Frauen. Es gibt noch so viele Probleme zu wälzen.

Info

Kiang Winebar, Yppenplatz 11, 1160 Wien. Tel. 0664/515 36 33, Di–Sa von 17–24 Uhr, keine Kreditkarten.

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