Die Testerinnen: Edvard

(c) Stanislav Jenis
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Schweinsschwänzchen im Wiener Hotelrestaurant? Aber hallo!

Einen eigenen Eingang gab es ja schon seit Beginn. Einen Michelinstern gibt es neuerdings auch. Vielleicht trauen sich nun doch ein paar Einheimische ins Edvard im Kempinski am Schottenring. Es würde sich auszahlen (und man muss auch gar nicht durch die böse Lobby). Fine-Dining-Befürworter, die ihre so zeitgemäßen Vorbehalte gegen eine luxuriöse Einrichtung und einen deutschen Küchenchef außen vor lassen, finden hier eine erfreulich reife Küche vor. Der man ansieht, dass sie nicht einfach von links nach rechts zusammenkopiert ist. Von sattsam bekannter Hotelküchenaustauschbarkeit ist man weit entfernt – sowohl, was die Ideen, als auch, was die Ausführung und das Anrichten betrifft. Man scheint das Edvard zur tupferlfreien Zone ausgerufen zu haben – danke. Bei einigen Gerichten merkt man dem Deutschen Philipp Vogel an, dass er länger in China gearbeitet hat: Schweinsschwänzchen etwa darf es bitte ruhig öfter geben, hier wird es mit Melanzani und Frühlingszwiebeln kombiniert. Allein die Tatsache, dass ein solch herrlich klebrig-knuspriges Stück Tierextremität aus einer heutigen Wiener Hotelküche kommt, darf als denkwürdig bezeichnet werden. Das anderswo obligatorische Beef Tatar vermissen wir hier jedenfalls nicht. (Schon interessant, dass dieses Gericht in Kritiken so oft vorkommt, obwohl in manchen Redaktionen schon Beef-Tatar-Verkostungsverbot herrschen soll.) Hummer muss offenbar in einem Kempinski auch sein, hier kommt er unter aromatischem Beinschinkengelee zu liegen – das steht beiden gut. Dass sich der deutsche Chef für alte österreichische Rezepte interessiert, sieht man nicht nur der Wandgestaltung auf dem Gang an, sondern auch dem rosa Kalbstafelspitz, der nach alter Manier Unterstützung von Nieren oder auch einmal Bries bekommt. Dazu halbierte, forciert gebratene statt zur ach so grünen Knackigkeit abgeschreckte Kohlsprossen: eine gelungene Gemüsebeilage, aromatriefend-derb und dennoch wegen der putzigen Größe nicht unelegant. Die Desserts kommen erfreulicher- wie seltenerweise von einem gelernten französischen Patissier. Gelernten Sommelier gibt es keinen, dafür ein schweres iPad mit einer großen Auswahl an offenen Weinen. Das mögen die Wiener. (Das iPad weniger.)

Info

Edvard, Schottenring 24, 1010 Wien. Tel: 01/236 10 00-8082, Restaurant: Di–Fr: 12–14 und 18–22 Uhr.

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