Die Testerinnen: O Boufés

(c) Christine Pichler
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Kleiner Bruder, unverputzt und ungeschwefelt.

Ab sofort liegt der „Presse“ jeden Freitag nicht nur das „Schaufenster“ bei, sondern auch unser neues Zweitmagazin, „Kiosk“ genannt. Ein Heft aus dünnem, abfärbendem Papier, wie schon das „Zeit“- Magazin, ein Heft mit kurzen, zugänglichen Texten von motivierten Jungautoren, die im „Schaufenster“ gelernt haben, ein Heft, das ausschließlich mit Schwarz-Weiß-Fotos illustriert ist. Betreut wird es wie sein Schwestermagazin vom „Schaufenster“-Kernteam. Zugegeben, ein bisschen nervös sind wir schon, denn wir schaffen uns hiermit schließlich selbst Konkurrenz. Werden Sie dem „Schaufenster“ weiterhin treu bleiben? Falls nicht: Wir freuen uns ja genauso, wenn Sie das „Kiosk“ gern lesen.

Man lege dieses fiktive Szenario auf die Gastronomie um. Der Taubenkobel hat mit seiner Greißlerei gezeigt, wie man sich mit einem legeren Zweitlokal direkt nebenan eine ernst zu nehmende Konkurrenz für das anspruchsvolle Stammhaus schafft. Konstantin Filippou hat nachgezogen, hat neben seinem Fine-Dining-Restaurant das Weinlokal O Boufés eröffnet. Ein Ventil, wie er sagt. Mit abblätternden (hoffentlich nicht abfärbenden) Wänden, mit vielen, auch kleineren Gerichten, zubereitet von Köchen aus seinem Stall. Weintechnisch illustriert wird das Lokal ausschließlich von Natural Wines — „alles, was es da in Österreich gibt“, dazu Weine aus dem Burgund, dem Priorat, dem Collio, der Slowakei . . . Geleitet wird auch dieses Lokal vom Ehepaar Filippou.

(c) Christine Pichler

Warum hat in Wien nicht schon längst jemand die Idee einer gut bekochten Natural-Wine-Bar, wie das June in Brooklyn oder die Bar Brutal in Barcelona, umgesetzt? Was da aus der Küche des O Boufés kommt, wirkt bei aller perfekten Umsetzung so locker-flockig, dass es aussieht, als wäre das alles gar keine Kunst. Splitternd knusprige Schweinsnasenchips. Nur kurz marinierte Sardinen mit Karfiolpüree, eingelegten Zitronen und Röstbröseln. Makrele, roh, mit Senfgurken und lauchloser Vichyssoise. Gebackenes Kalbsbries (gänsehauterzeugend idealtypisch) mit Rettich, Sauerklee und Sauce tartare. Wachtel mit Brioche-Gänseleber-Fülle, hinreißend altmodisch. Geschmorte Stangen- und Knollensellerie mit knallgrüner Dillessenz und Joghurt. Nur der Ziegenkäse mit Roten Rüben und die Desserts waren ein bisschen abgeblättert, pardon, abgedroschen.

Info

O Boufés, Dominikanerbastei 17, 1010 Wien. Tel: 01/512 22 29-10, Mo–Fr 12–14 und 18–22.30 Uhr

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