Geschmacksfrage: Misshandelter Kabeljau in schönem Design

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Ein wunderbarer Gastgarten im Augarten mit mäßigem Essen.

Wie bekommt man ein neues Lokal mitten im 2. Bezirk in Wien bobofrei? Wie schafft man es ausgerechnet im Augarten beziehungsweise an dessen Rand, ein Restaurant zu eröffnen, in dem sich nicht die Karmelitermarkt-Fraktion versammelt, sondern jene mehr oder weniger jungen geschäftigen Wiener, denen der aufgestellte Polo-Kragen nicht ganz fremd ist? Ganz einfach: Man holt zwei Kärntner Geschäftsführer mit gastronomischer Erfahrung, und fertig ist das angesagte Szenelokal. Im Fall des „Decor“ neben der Augarten-Porzellanmanufaktur, die hinter dem Projekt steht und netterweise das Porzellan liefert, punktet vor allem die atemberaubende Lage. Ein Teil des Gastgartens liegt im Augarten und hat am Abend eine bezaubernde Stadtatmosphäre, der andere Teil geht in Richtung Innenhof und Parkplatz und ist weniger charmant. Drinnen wirkt die Inneneinrichtung ein bisschen overdone und -designed, vielleicht bringt die Patina dann die Stimmung. Draußen joggen die lokalen Gentrification-Sieger vorbei und schauen ein bisschen verächtlich, weil man sich für den Abend zurechtgemacht hat.
Das alles würde für eine Empfehlung ausreichen und sogar davon ablenken, dass ein Teil der Servicebrigade gerade erst schwimmen lernt, wäre da nicht die Küche. Es beginnt noch vergleichsweise harmlos mit einem schal schmeckenden Doppel-Tatar, einmal vom Beef, einmal vom Saibling. Überwürzt schmeckt es auch nicht, der Salat daneben ist tadel-, aber einfallslos. In Solidarität zu den fröhlichen Tischnachbarinnen bestelle ich Büffelmozzarella mit Mango-Marinade und einem ähnlichem Salat wie beim Gehackten. Das Zanderfilet auf dem derzeit wieder omnipräsenten – Gruß an Jamie Oliver – Erbsen-Minz-Püree langweilt die Geschmacksnerven. Wirklich böse wird man aber selbst als höflicher Gast über den Kabeljau mit Oliven-Tapenade, wässrigen Linsen mit Kreuzkümmel-Unterstützung und ein bisschen Karfiol. Der arme Fisch wurde fast zerkocht, aber eben nur fast, noch ist er ordentlich trocken. Wäre der misshandelte Kabeljau früher vom Herd genommen worden, hätte sich auch die einstündige Wartezeit auf die Hauptgerichte verkürzt. „Heute ist es sehr busy“, meint der Kellner entschuldigend. Völlig richtig.
Aber wie gesagt: Man sitzt wirklich schön. Habe ich schon erwähnt, dass ich dort in einigen Wochen eine Diskussion zum Thema gutes Design moderieren darf? Nein? Schreibe ich auch nur, um zu belegen, wie großzügig das Decor-Team ist und eine solche Kritik sicher gut wegsteckt.

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