Der Grand Bal der Wiener Hofburg feierte zu Silvester seine Premiere. Ohne Prominenz, aber dennoch vielversprechend. Auch für Wiener gibt es zu Silvester unpassendere Orte als die Hofburg, um Donauwalzer zu tanzen.
In Wien dauern Dinge manchmal etwas länger. 96 Jahre nach seinem Tod, und knapp hundert Jahre nach Ende der Monarchie, hat man Kaiser Franz Joseph aus der Hofburg verbannt. Das dafür mit Nachdruck. Nicht nur, dass niemand mehr in seiner Verkleidung, in Uniform mit Backenbart und Sisi an der Seite, die Gäste des Silvesterballs in Empfang nahm.
Selbst die Büste des längst dienenden Habsburgers wurde schamhaft verhüllt: Wo Franz Joseph sonst steinern dem Besucher von der Feststiege entgegenblickte, war am Silvestertag nur noch ein silbern glänzendes Emblem zu sehen: „Le Grand Bal“, als sichtbares Zeichen für die neuen Zeiten. Der Kaiserball, monarchieverkitschter Auftakt der Wiener Ballsaison, beliebt bei Touristen, dafür von kaum einem Wiener (nicht einmal von Thomas Schäfer-Elmayer) je besucht, ist damit abgeschafft.
Ersetzt durch einen neuen Ball, den Direktorin Renate Danler als Hausball der Hofburg versteht. Was bedeutet, dass Freunde und Partner eingeladen werden, die gleich auch die einzige heimische Prominenz an diesem Silvesterabend stellen: wie Life-Ball-Organisator Gery Keszler (der hier vor seinem eigenen Ball gern zur Gala lädt) und Tanzschulbesitzerin Yvonne Rueff (die in der Hofburg ihren Dancer-against-Cancer-Ball veranstalten darf). Dazu noch eine Exmiss im blauen Kleid.
Was insofern egal war, da 70 Prozent der 2500 Gäste ohnehin aus dem Ausland kamen. Traditionelles Kaiserball-Publikum aus 41 Nationen, Deutsche, Franzosen, Amerikaner, dazu Einsprengsel aus Neuseeland und Paraguay, Israel, Dubai oder Singapur. Und neuerdings, dank intensiver Onlinewerbung, auch durchaus junges (ausländisches) Ballvolk. Sie wurden, nachdem die speisenden Gäste im Festsaal bei der Nachspeise angekommen waren, im Foyer versammelt, wo Balletttänzer auf der Feststiege mit der Eröffnung begannen – ein nicht unkluger Auftakt und Teil des Versuchs, einen „zeitgenössischen, modernen Ball“ zu kreieren. Zuständig dafür: Christof Cremer, ein gebürtiger Deutscher, der in Wien Opernbühnenbilder entwirft, aber auch schon Neujahrskonzert und Kaffeesiederball ausgestattet hat.
Zwei Jahre lang hat er daran getüftelt, eine „neue Tradition“ zu begründen. Mit elegant schlichten weißen Blumen, Mühlbauer-Kopfschmuck für die Debütantinnen, sich durchziehendem Kugelmotiv (bis hin zu den Trüffeln von Xocolat). Und vor allem einem Lichtkonzept, das den Ballsaal mitunter in blaues, mitunter in silvesterlich buntes Licht tauchte. Kurz vor Mitternacht erschien dann auf dem großen runden Screen die Uhr, Schlag 2013 die Pummerin.
Nur die Feuerwerke draußen blieben unsichtbar – weil die großen Fenster aufgrund der Beleuchtung von außen abgedunkelt werden mussten. Als Einlage sang Alexandra Reinprecht, die von der „Fledermaus“ aus der Staatsoper herbeigeeilt war. Ähnlich wie Peter Simonischek, der an dem Abend an der Burg erst Thomas Bernhard gab, und dann in der „Fledermaus“ den Frosch.
Frösche sah man in der Hofburg keine, Prinzessinnen sehr wohl. Und auch Sisi war, anders als ihr Franzl, nicht totzukriegen. Mal sah man sie in junger, lockiger Inkarnation, dann wieder schmal tailliert, mit Originalfrisur. Christof Cremer nahm es gelassen. Die Romantik, hielt er fest, dürfe auch bei einem modernen Ball nicht zu kurz kommen. Den Touristen gefiel's. Und auch für Wiener gibt es zu Silvester unpassendere Orte als die Hofburg, um Donauwalzer zu tanzen.
Der Ball
Name: Le Grand Bal
Vorgänger: Der Kaiserball
Veranstalter: Die Wiener Hofburg
Motto: „La Nuit de l'Amour“
Datum: Traditionell zu Silvester
Gäste: 2500, Touristen aus 41 Nationen, vorwiegend Deutschland, Frankreich und den USA, ein Drittel Österreicher
Stil: Französisch inspiriert, zeitgenössisches Design, neues Lichtkonzept
Tanzen mit Steirern, Bauern, Offizieren
•11. Jänner: Steirerball. Der Verein der Steiermärker in Wien ist zum 3. Mal in der Hofburg zu Gast: Dirndl, Polka, Opus als Mitternachtseinlage.
•12. Jänner: NÖ Bauernbundball. Die Akademikergruppe des Niederösterreichischen Bauernbunds lädt zum 70. Mal ein. Gefeiert wird im Austria Center Vienna, seit der Premiere 1934 hat sich der Ball zu einem der größten Österreichs entwickelt.
•12. Jänner: WU-Ball. Studenten, Wirtschaftsexperten und Industrielle tanzen in der Hofburg.
•12. Jänner: Technoball. Die schräge Variante, zum 4. Mal im Volksgarten.
•17. Jänner: Zuckerbäckerball. Sehr wienerisch, 3000 Torten zu gewinnen.
•18. Jänner: Ball der Offiziere. Das Bundesheer zeigt, dass es tanzen kann. Hofburg.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2013)