Kreisky: Lässiger Lärm in der Arena

Wiederholungstat. Vierte Auflage einer Großstadtneurose von Franz Adrian Wenzl, Klaus Mitter, Martin Offenhuber und Gregor Tischberger (v.  l.).
Wiederholungstat. Vierte Auflage einer Großstadtneurose von Franz Adrian Wenzl, Klaus Mitter, Martin Offenhuber und Gregor Tischberger (v.  l.).(c) Christine Pichler
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Die Band Kreisky seziert die verklärte Welt der Alpen und untersucht das Glück billiger Rinderhälften.

Der Grant ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Es heißt, sie leben den Punk und haben Wiener Schmäh, auch wenn sie zugezogene Alternative-Rocker in Anzügen sind. Ein Auszucker von Franz Adrian Wenzl, dem Sänger von Kreisky, gehört zur Standardaustattung der Bühnenshow. Zum Gespräch bitten die vier vor der Veröffentlichung ihres neuen Albums „Blick über die Alpen“ in das Café Nest: ein gemütlicher Platz für eine ungemütliche Musik.

Ihr vierter Lärmbrocken ist fertig. „Blick auf die Alpen“ klingt aber gar nicht so aufbrausend. Wie fühlt er sich für Sie an?
Franz Adrian Wenzl: Sehr gut. Wir haben lange daran gearbeitet, sind stolz darauf. Die Songs sind gut, die Strukturen nicht 08/15. Jeder Ton ist dort, wo man ihn haben will.

Wie hat sich diese Produktion von den früheren unterschieden?
Klaus Mitter: Wir haben länger am Material geschliffen. Was bei unserer Arbeitsweise, bei der alle vier gleichzeitig an der Musik arbeiten, sehr zeitintensiv ist. Alles wird von allen gemeinsam gebaut. Wir haben auch sehr viel mit den Längen gearbeitet. Es sollte auf eine Art leichtfüßig bleiben, unangestrengt daherkommen, auch wenn es ein ruppiges Stück ist.

Die Eröffnungsnummer hat mit über sechs Minuten schon eine ordentliche Länge. „Wir Unterhaltenen“ fordert die Todesstrafe für unwürdige Unterhaltende. Das Thema ist Ihnen ein Anliegen?
Franz Adrian Wenzl: Ja, klar. Das gehört zu unserem Selbstverständnis dazu, wir sind quasi auch eine Entertainment-Band.
Klaus Mitter: Und ich halte es für ganz wichtig, dass Unterhaltung nicht nur negativ konnotiert ist. Gerade in unserem Bereich hat sie oft einen schlechten Beigeschmack. Eine gute Show ist mir aber allemal lieber als ein sauberer, stilistischer . . .
Franz Adrian Wenzl: . . . Schaß.
Klaus Mitter: Es soll der Wille da sein, ein Publikum zu führen oder auch fallen zu lassen, je nachdem. Man soll das Publikum ernst nehmen, das hat per se nichts mit seichter Musik zu tun. In vielen Alternative- und Indie-Spielarten ist der Unterhaltungswert ja bewusst so niedrig geschraubt, weil man nicht bei den diversen Unterhaltungsmusiken andocken will. Für uns ist es trotzdem interessant zu sehen, wie in diesen Bereichen gearbeitet wird. Es ist spannend, wie eine Schlagersendung im Fernsehen funktioniert. Natürlich hat die ihre eigenen Regeln, aber man muss sich neidlos eingestehen, dass hier ein Nerv getroffen wird.
Franz Adrian Wenzl: Gute Show-Rösser wie Peter Rapp oder Udo Jürgens kann ich nur zutiefst bewundern. Und eine Show von Kreisky soll eben auch unterhalten.

Die Kreisky-Methode?
Das Zauberwort ist die Kommunikation mit dem Publikum. Man muss versuchen, den Leuten etwas nahezubringen, was ihnen vielleicht als Musik gar nicht so gefällt. Unsere Musik ist nach wie vor sperrig. Dass wir damit durchkommen, liegt daran, wie wir sie präsentieren. Wer zu Kreisky kommt, weiß, dass etwas geboten wird. Wir sind auf der Bühne aktiv, kraftvoll und . . .
Klaus Mitter: . . . sehr beweglich.

Gibt es einen Unterhalter, bei dem Sie sich Anleihen nehmen?
Nein, da muss man sein eigenes Vokabular entwickeln. Vom Typus her sind wir Unterhalter, die All-in gehen und keine Hemmungen haben. Die Show ironisch zu meinen, ist ein völliger Schwachsinn.

Welche Nummer auf dem neuen Album eignet sich am besten zum Auszucken?
Franz Adrian Wenzl: Das weiß ich nicht, wir haben es noch nicht live gespielt. So etwas passiert an den überraschendsten Ecken und Enden. Manche Lieder bekommen live eine ganz andere Dynamik. Produktion und Konzert sind zwei verschiedene Kunstformen.

In dem Video zu „Selbe Stadt, anderer Planet“ ist alles starr, bis auf ein paar Hühner. Wofür stehen sie?
Klaus Mitter: Die Hühner stehen für niemanden. Wir wollten einen visuellen Witz einbauen und das Lied verrätseln, ohne einen Lösungsvorschlag zu geben. Und wir wollten mit Tieren arbeiten.

Der Text thematisiert das Leben im Hamsterrad?
Franz Adrian Wenzl: Ja, oder auch außerhalb des Hamsterrads. Der Icherzähler steht auf der anderen Seite. Da geht es um einen Mythos, den wir zuspitzen. Ein bekannter Rocktopos ist der, dass der Musiker außerhalb der Gesellschaft steht und sich nicht an die Regeln halten muss. In Wirklichkeit muss man natürlich auch als Musiker in der Früh aufstehen und organisiert sein.

Der Abspann verrät, dass Sie wieder mit dem Herrenlabel Wilfried Mayer kooperieren. Für ihn geht es um Reduktion und Funktionalität. Sind das Attribute, die zu Kreisky passen?
Franz Adrian Wenzl: Ja auch, ein übergeordnetes Element ist aber sicher die Theatralik, da, wo sie angemessen ist. Wenn es bombastisch wird, dann hat es aber immer eine Funktion.

Was ist ein guter Anzug für Sie?
Klaus Mitter: Ein guter Anzug ist selten modisch, im Idealfall geschneidert und dem Körper angeglichen. Stangenware kann nie so gut sitzen. Das muss man sich natürlich auch leisten können und gerade auf der Bühne trägt man die teuren Anzüge dann nicht, weil man sie sonst versaut.

Privat trägt man bei Kreisky die guten Anzüge?
Franz Adrian Wenzl: Ich nicht.
Klaus Mitter: Ja, den vom Willi.

Das Thema Tradition passt auch zum Albumcover.
Klaus Mitter: Ja, das Motiv ist von Josef Binder aus dem Jahr 1930.
Franz Adrian Wenzl: Ein Original.
Klaus Mitter: Er hat mit seinem reduzierten Grafikstil auch nach seiner Emigration in Amerika noch reüssiert. Das Motiv ist farblich einnehmend und steht für eine Verklärung. Der Titel „Blick über die Alpen“ lässt ja vieles zu. Wer das Boshafte an Kreisky mag, denkt dabei an den sezierenden Laserblick auf das Land. Und wenn jemand unbedarfter ist, ist es einfach nur schön. 

In dem Album geht es um Österreich?
Franz Adrian Wenzl: Österreich ist nur der Background, es geht um Zwischenmenschliches. Leute verlieben, entlieben sich und hauen sich gegenseitig den Schädel ein, das ist überall gleich. Wobei der Song „Blick über die Alpen“ natürlich schon als Anti-„I Am From  Austria“ lesbar ist.
Klaus Mitter: Es ist großstadtneurotische Musik in einem geistig wie geologisch von Alpen durchzogenen Land.

Ein Land, das viel Fleisch vertilgt. Was erzählen Sie übrigens in dem Lied „Rinderhälften“?
Franz Adrian Wenzl: Es geht darum, was Leute suchen und was sie sich von Dingen erhoffen. Das Konsumversprechen billiges Fleisch ist für viele auch ein Glücksversprechen. Wenn man den Text „Rinderhälften zu Diskonterpreisen“ ganz profan als Refrain einsetzt, merkt man erst: Das kann es doch nicht sein. Ein Grundthema des Albums ist „Whatever Works“, jeder sucht sein Glück woanders.

Wo suchen Sie das Glück?
Franz Adrian Wenzl: In der Musik. Wenn ich Gleichaltrige sehe, die tief im Hamsterrad drinnenstecken und mit uns vergleiche, wie wir Platten machen und auf Tour gehen, also „Buama“-Urlaub machen . . . Das ist ein Glücksversprechen. 

Das neue Album endet aber eher unglücklich?
Franz Adrian Wenzl: Nein, ganz normal: mit dem Tod. Dasist nicht düster, die Message ist sogar sehr tröstlich. Es hat ein Ende.

Konzert-Tipp von Thomas Kramar

"Die Erde ist ein Todesstern, und wer auf ihr lebt, muss sterben; die Erde ist ein Hassplant, der töten muss, was auf ihm lebt." Diese Zeilen aus "Blick auf die Alpen", dem neuen Album von Kreisky, illustrieren einmal mehr, dass diese Band kein Wohlfühlensemble ist, vielmehr das unbehaglichste Quartett, das dieses schöne Land seit Langem hervorgebracht hat. Sänger Franz Adrian Wnzl, auch als Entertainer Austrofred bekannt, zeigt bei Kreisky seine übellaunige Seite. Diesmal geht's u. a. um unwürdige Unterhaltung, Langschläfertum, Rinderhälften und elterliche Ermahnungen. Zu unwirschen Gitarren, versteht sich.

„Blick über die Alpen“ ist das vierte Album der Band Kreisky, es ist bei Wohnzimmer Records erschienen. www.kreisky.net, www.wohnzimmer.com

Konzert-Termine

24. April: Wien, Arena
25. April: Steyr, Röda


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