"Kraft frei": Gewichtheber-Ball trotzt Walzerseligkeit

(c) Felbermayer
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Ein Stemmer-Wettkampf zur Balleröffnung und eine Playbackshow als Höhepunkt. Der Gewichtheberball auf der Wiener Schmelz ist legendär.

Ein Ball ganz abseits der glamourösen Wiener Walzerseligkeit hat am Samstag im Schutzhaus Zukunft auf der Schmelz stattgefunden. Der Gewichtheber-Verein KSC Argos/AK Hermann/Polizei SV feierte gleichzeitig seine Klubmeisterschaft als auch den Ball der Gewichtheber. Nicht nur zum Aufräumen von Stereotypen über die „Stemmer“ gibt es den Gewichtheberball (im Volksmund „Stemmerball“). Dieser Ball genießt einen legendären Ruf. Schon allein die Atmosphäre im Schutzhaus ist legendär. Ein bisschen Altwiener Wirtshausatmosphäre, ein bisschen Nostalgie und viel Vereinsmeierei.

Begonnen wird der Ball mit einem Stemmer-Wettkampf. Die Gewichte werden hochgerissen und -gestoßen und mit großem Krach werden sie fallen gelassen. Nach der Siegerehrung beginnt die Tanzveranstaltung: Stimmungsmusik wie auf einem Landball. Vom „Stern, der deinen Namen trägt“ bis „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“. Kurz vor Mitternacht der Höhepunkt der Ballnacht: Die Athleten werfen sich von der hautengen Stemmerkluft in die Netzstrümpfe: Bei der Playbackshow treten die Stemmer als „Dr. Frank-N-Furter“, Tina Turner oder Blues Brothers auf. Den Auftritten ist eine gewisse Komik nicht abzustreiten. Und nicht umsonst setzen sich vom Publikum Tanzschlangen in Bewegung, mit dem Ziel, die Bühne zu entern und mit den stemmenden Entertainern auf den selben Brettern zu stehen.

Stemmen ist nicht mehr "in"

Trotz der übermütigen Ballgesellschaft: Die Zeiten haben sich geändert, wie die Veteranen auf der Schmelz bedauernd bemerkten. Stemmen ist einfach nicht mehr "in". Kapazunder wie seinerzeit Vinzenz Hörtnagl, Walter Legel oder Matthias Steiner, der nach Querelen mit dem österreichischen Verband nach Deutschland wechselte und 2008 für das Nachbarland Olympia-Gold holte, sind nicht in Sicht. So muss man die Feste feiern, wie sie fallen, und das tat man auf der Schmelz.

Wobei das Wort Ball im ansonsten Smoking- und Frack-trächtigen Wiener Faschingskalender etwas irreführend ist. Dresscode herrschte nur für die Athleten, die am Beginn ihr Bestes gaben. So sah man neben vereinzelten Anzügen samt Krawatte und zwei langen Ballkleidern bis hin zu Jeans und Pullovern nahezu alles.

Auch Prominenz hatte sich versammelt, zumindest nach Gewichtheber-Maßstäben. So war Fritz Steiner anwesend, der 21-fache Weltmeister in der Masterklasse. "Gewichtheben verschwindet quasi in Österreich", stellte er allerdings fst. Das gelte in ähnlicher Weise für den gesamten Westen, wenn nicht gerade ein Stemmer wie sein Sohn Matthias Steiner für einen Boom sorge.

(felb)

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