Vereinigt euch, für die Völker!

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Während in Brüssel gerungen wird, ob bienenschädigende Pestizide aus dem Verkehr gezogen werden sollen, zeigen erste Gartenketten Eigenverantwortung.

Jetzt war endlich ein warmer Tag im Jänner angesagt – und der Nachbar war fern seines Gartens unterwegs. Krise! Stand doch der alljährlich mit Sorge erwartete erste Ausflug der Bienen bevor, der für Imker der wichtigste Lackmustest dafür ist, wie seine Völker über die schwierigste Zeit des Winters gekommen sind. Denn wenn die erstarkende Spätwintersonne die Bienenstöcke zu erwärmen beginnt und die Temperaturen auf zehn, zwölf Grad klettern, fliegen die pelzigen Insekten erstmals wieder aus. Sie verschaffen damit sich und dem Imker gleichermaßen Erleichterung: sich selbst, weil die reinlichen Tiere nun endlich ihren Kot absetzen können, was sie aus Hygienegründen nur außerhalb des Stockes zu tun pflegen. Dem Imker, weil ihm ein starker Reinigungsflug anzeigt, dass die einzelnen Bienenstöcke gut über den Winter gekommen sind – und das ist keineswegs selbstverständlich.

Die daheimgebliebene Nachbarin war also angehalten, Augen und Ohren offen zu halten, um abends Bericht abzugeben zu können. Den ganzen Tag über war sie dabei zu beobachten, wie sie mit Block und Stift in der Hand das Grundstück durchmaß und das Flugaufkommen der diversen Bienenstöcke im Stundenintervall dokumentierte. Fazit: Nur einer von mehr als einem Dutzend Stöcken schwächelt, die anderen sind offensichtlich wohlauf. Das ist hocherfreulich, auch wenn es in der Folge zu monatelangen grauenvollen Prahlereien des Nachbarn kommen dürfte. Selbst vor Herabwürdigung anderer wird er erfahrungsgemäß nicht zurückschrecken, denn mancher, seiner Meinung nach mit weniger Talent und Sorgfalt gesegneter Imker der Umgebung hat bis zur Hälfte seiner Stöcke verloren.

Die Gründe dafür sind, wie bereits mehrfach an dieser Stelle berichtet, beängstigend und mannigfaltig: Die aus Asien eingeschleppte Varroamilbe ist das Todesurteil jedes Bienenvolkes, wenn sie nicht mit großem Aufwand bekämpft wird. Doch vor allem Pestizide aller Art schädigen die Bienen schwer. Geschwächte Völker, die den Sommer gerade noch überstanden haben, überleben den Winter oft nicht mehr. Umso erfreulicher ist eine Botschaft, die uns aus Großbritannien erreicht. Dort, wo mindestens jeder Zweite passionierter Privatgärtner ist, haben eben die drei größten Grünmarktketten in einer konzertierten Aktion alle bienenschädigenden Pestizide aus der Gruppe der Neo-nicotinoide aus ihren Regalen geräumt. Freiwillig. Während die EU-Granden in Brüssel unter Mitmischen diverser Lobbyisten multinationaler Konzerne noch um Vernunft ringen, preschen die traditionellen Pestizidversorger gärtnernder Bürgerinnen und Bürger einfach vor und verkaufen das Zeug schlichtweg nicht mehr. Großartig! Denn der Anteil der in Privatgärten leichthin verspritzten Pestizide darf nicht unterschätzt werden. Er verantwortet an die 20 Prozent des gesamten Pestizideinsatzes in Europa. Jeder, der also nicht gleich zu Giften aller Art greift, um ein paar Blattläuse zu vernichten und damit seinen Rosen zu einer ohnehin widernatürlichen Säuberlichkeit zu verhelfen, ist auf dem richtigen Weg.

Gemeinsam ist man ja doch stark, das beweisen nicht nur die Bienen, sondern auch einsatzfreudige Bürgerinnen und Bürger. Nicht zuletzt deren Aufschrei für biologische Vernunft, dargelegt in diversen Unterschriftenlisten und Petitionen, erreichte in dieser Woche, dass sich die EU-Kommission zumindest für den Vorschlag eines auf zwei Jahre befristeten Verbots dieser Pestizidgruppe durchrang. Allerdings ist das erst nur ein Vorschlag, der sich außerdem lediglich auf den Anbau von Mais, Sonnenblumen, Raps und Baumwolle bezieht. Aber immerhin, es schaut gut aus für den Pro-Bienen-Einsatz. Die EU-Entscheidung wird mit Spannung für März erwartet.

Neueren Erkenntnissen zufolge bringen diese Mittel, die von der Agrarindustrie gern zum Beizen des Saatguts eingesetzt werden, die Bienen nicht nur um, sondern schädigen auch den Orientierungssinn derjenigen Insekten, die den chemischen Angriff überleben. Die finden nicht mehr in ihre Stöcke zurück. Die Gifte betreffen dabei nicht nur die Imme, sondern auch Hornissen und andere Hautflügler.

Der Nachbar darf also ruhig prahlen, er macht mit seinen Bienen sowieso den besten Honig der Welt. Heuer bekommen er und seine kleinen Pelzschätze auf vormaligen Rasenflächen meines Gartens jede Menge Bienenweiden in Form von Phacelia, Lupine, Türkischem Drachenkopf und anderen Nektarpflanzen zu Belohnung.

Gartenlaube, giftfrei

Wer sich nun fragt, wie und ob diese Pestizide durch nicht schädigende Maßnahmen zu ersetzen sind, dem wird an dieser bewährten Stelle in den nächsten Wochen geholfen werden, weil hier diverse Tipps und Tricks des sogenannten biologischen Gärtnerns nachzulesen sein werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2013)

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