Viel mehr Blau geht wirklich nicht

Storchschnäbel
StorchschnäbelUte Woltron
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Geranium. Die Sorte Rozannne ist eine Besonderheit, das findet auch die britische Gartengesellschaft, die sie eben zur Jahrhundertpflanze gewählt hat.

Die Royal Horticultural Society beging vergangene Woche ihre 100. Gartenschau in Chelsea. An fünf Tagen besuchten exakt 157.000 Gartenfanatiker die wohl bekannteste Blumenorgie der Welt. Wäre das Areal in London größer, wären es noch viel mehr, doch die Besucherzahl ist strikt kontingentiert, damit die mit ungeheurem Aufwand erstellten Schaugärten nicht von den Massen zertrampelt werden. Ihr 100-Jahr-Gartenschau-Jubiläum nahm die 1804 gegründete Gesellschaft zum Anlass, von Mitgliedern und Besuchern die „Pflanze des Jahrhunderts“ wählen zu lassen.

Die Wahl fiel auf Rozanne, eine Storchschnabelzüchtung aus dem Jahr 2000 – in der Tat eine beeindruckende Persönlichkeit. Storchschnäbel, das wurde an dieser Stelle bereits mehrfach bemerkt, sind großartige und für Gärtner praktische Erfindungen der Natur. Die meisten von ihnen sind ausdauernde Stauden, sie kehren alljährlich wieder, haben schöne Blätter und blühen lang und ausnahmslos schön.

Rozanne, die Preisgekrönte, ist an Zierlichkeit kaum zu überbieten, obwohl die Pflanze stattliche Dimensionen erreichen kann. Sie hat feines, dichtes Blattwerk, wird bis zu 60 Zentimeter hoch und breitet sich auf gut einen Meter Durchmesser aus. Die Blüte: zartes Blau-Lila mit weißer Mitte und purpurroten feinen Streifen. Sehr fesch. Die Staude bringt dieses unverwechselbare Blau von Mai bis in den November in den Garten, sie treibt zahllose Blüten, sodass eine Art blaues Tüpfelmeer entsteht, was ein echter Blickfang ist.

Sie ist gut als Randbepflanzung geeignet, wenn genug Platz vorhanden ist. Sie ist auch im geräumigen Blumenbeet keine schlechte Wahl und als Begleitpflanze von Rosen nahezu ideal. Offenbar mag sie das selbst, denn gerade unter Rosen gepflanzt entwickelt sie besonders lange Triebe, verwebt diese mit den Rosentrieben, was romantische Naturen entzücken wird. Wer sie auf dem Balkon im Topf halten will, kann das ebenfalls getrost tun. Und auch in der Blumenampel ist sie ein echter Sieger. Sie gedeiht in der Sonne und im Halbschatten, will gut gedüngt sein, verträgt alle Böden, nur Staunässe mag sie, wie die meisten Pflanzen, nicht.

Diese Geranium- Züchtung ist eine Hybride, kann also nur durch Teilung im Frühjahr oder Stecklinge, nicht aber durch Samen vermehrt werden. Ältere Rozanne-Stöcke können ziemlich ausladend werden, also planen Sie genug Raum rund um die Pflanzen ein. In Unkenntnis dieser Wachstumsfreudigkeit wurde die eigene Gartentreppe bereits mehrfach nur noch am Rand knapp passierbar, doch man verzeiht es der Schönen, außerdem kann sie nach der ersten Hauptblüte nötigenfalls radikal zurückgeschnitten werden. Sie treibt dann rasch wieder aus und beginnt nochmal üppig blau zu leuchten. Ein weiterer Vorteil: Die Schnecken machen einen Bogen um die meisten Storchschnäbel, so auch um Rozanne.

Die Wahl der Royal Horticultural Society wurde von Fach- und Laiengärtnerwelt gleichermaßen begrüßt. Die Chelsea Flower Show ist nun zwar vorüber, doch ist sie nicht die einzige Gartenschau der Gesellschaft. Es gibt zum Beispiel auch im Juli eine kleinere, nicht minder interessante Show im Park von Tatton bei Manchester. Dort ist ebenfalls eine sehenswerte Mischung von Schaugärten und Ausstellern und Neuzüchtungen zu bewundern, und die Leute kommen gern mit kleinen Scheibtruhen angefahren, um die erworbenen Schätze kreuzschonend nach Hause transportieren zu können. Überall wandeln dann büschelweise Pflanzenarrangements durch die Gegend, und die Stimmung ist auch bei Regen ausgezeichnet.

Auf dieser Schau erwarb ich neben anderen praktischen Gartenutensilien einst eine entzückende kleine Gartenschere. Sie war sozusagen der Ersatz für die vielen begehrenswerten Pflanzen, die ich zwar gern gehabt, deren Transport mittels Scheibtruhe zum Flughafen jedoch vermutlich für Aufsehen gesorgt hätte. Bei der Sicherheitskontrolle stach dem Flughafenbeamten die Schere natürlich sofort ins Auge. Er kramte sie aus dem Gepäck hervor, wog sie fachmännisch in der Hand und blickte mich nachsichtig an. „Flower Show“, bemerkte er nur, und dass er eine ähnliche Schere dort gekauft habe. Er ließ sich meine Adresse geben, und ich flog ohne Schere heim. Ein paar Tage später kam sie sorgfältig eingepackt mit der Post nach. Wir Gärtner sind doch alle Verbündete.

Gartenlaube

Zig andere Storchschnabelsorten und -arten gibt es, darunter auch solche, die Trockenheit besonders gut vertragen. Sie gehören zu den Blut-Storchschnäbeln und sind so gut wie unverwüstlich. In den vergangenen Jahren sind diverse Geranium-Neuzüchtungen auf den Markt gekommen, die alle beachtenswert sind. Etwa Vital mit violetten malvenartigen Blüten oder Espresso mit kaffeebraunem Laub und hellrosa Blüten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2013)

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