Wer Salat sät, darf Begonien ernten

Begonien
BegonienUte Woltron
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Wintervorrat. Endividensalat hält im Gegensatz zu exotischen Zimmergewächsen wie Begonien ein paar Grad unter dem Gefrierpunkt offenbar ganz locker aus.

Obwohl es jetzt wirklich spürbar Winter geworden ist, essen wir noch Salat aus dem Garten. Dafür hat der Nachbar gesorgt, denn bereits nach der Kartoffelernte hat er sein gesamtes Kartoffeläckerchen mit Endivien bepflanzt. Dicht an dicht. Das Äckerchen ist ziemlich groß. Endiviensalat hält offenbar einige Minusgrade locker aus. Zumindest sein Innenleben. Die Nachbarin war damals, im Hochsommer, bereits besorgt, denn sie mag Endiviensalat nur bis zu einem gewissen Stadium. Im Inneren dottergelb und zart hat er zu sein, dann serviert sie ihn ab dem Herbst, wenn er zu riesenhaften Häuptern herangewachsen ist, fein nudelig geschnitten, mit einem kräftigen Knoblauchdressing und Scheibchen mehliger Kartoffeln. Ausgezeichnet! Erstaunlicherweise selbst dann noch, wenn man ihn bereits täglich über viele Monate hinweg zu sich genommen hat.

Dieser Tage verkündete sie jedoch, sie werde sich weigern, den Endiviensalat bis zu seinem bitteren, kratzigen Ende zu verzehren, das angesichts der angebauten Menge erst irgendwann im Jänner absehbar sei. Denn mit zunehmendem Alter und sinkenden Temperaturen werde er hart und ihrer Ansicht nach ungenießbar, und dann werde er hinüber zu mir und zu den Hühnern wandern. Die lieben Endiviensalat mehr als alles andere und wandeln ihn wenigstens teilweise in Eier um. Auf diese Weise sei er nicht ganz verloren.

Der Nachbar findet das unerhört. Die Hühner sollen Körndln fressen. Außerdem hat er seine Endiviensalathäupteln im Auge wie seinerzeit Argos die Io. Er kennt den täglichen Lagerstand genau. Noch 43! Keine Fisimatenten bitte, denn wer rechnen kann, dem entgeht kein einziger heimlich über den Gartenzaun gewanderter Endivienkopf. Außerdem, so erklärt er, habe er seinerseits ein Huhn mit der Nachbarin zu rupfen, diese habe seine Empfindungen doppelt verstört. Denn zum gefühlten 69. Hochzeitstag im Mai habe er ihr eine samtig rot blühende Pelerine geschenkt, die sie, wie er beobachten musste, missachtet und in den Keller verräumt habe. Seine ohnehin zarten Gefühle seinen dadurch verletzt.

Diese „Pelerine“, sagt die Nachbarin, war eine Begonie, und wer sich zwar mit Salat und Endivie auskenne, soll sich bitte nicht in die Pflege von Zimmerpflanzen einmischen. Die von ihr mit der entsprechenden Hingabe versorgte Prachtpflanze gehöre zur Familie der Knollenbegonien. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Herbst eine Ruhephase benötigen, die sie, entweder nackt als Knolle oder gleich im Topf – diesfalls jedoch nicht zu feucht, da sie sonst faulen - an einem kühlen, dunklen Ort verbringen müssen. Der Keller ist die ideale Überwinterungsmöglichkeit für Hochzeitstags- und andere Knollenbegonien. Im Frühjahr werden sie wieder hervorgeholt und angegossen. Sie treiben dann aus und beginnen rasch wieder zu blühen.

Knollenbegonien zählen zu den schönsten aller Zimmerpflanzen. Die Blüten können wie kleine Röslein oder Kamelienblüten ausschauen – gefüllt oder ungefüllt. Es gibt sie in weiß, rosa, gelb, rot und allen Farbspielereien dazwischen. Die Begonien sind überhaupt eines der Steckenpferde der Nachbarin, mit denen kennt sie sich aus. Die Begonienfamilie ist riesengroß, sie hat für jede Jahreszeit etwas zu bieten: Gerade jetzt im Winter kann man mit ihnen Freude haben, wenn man ein Faible für Blattbegonien hat. Die nennt man auch Begonia Rex oder Königsbegonien, wobei es so eine Sache ist mit den Begonien-Namen. Da widersprechen einander mitunter sogar die Experten. Egal – die Blattbegonien sind, wie man bereits erahnt, diejenigen, die nicht mit Blüten, sondern mit wunderbar gefärbten und gezeichneten Blättern faszinieren. Die überwintern im Gegensatz zu den Knollenbegonien nicht im Kühlen, sondern bei uns im Wohnzimmer.

Für sie gibt es ebenfalls eine präzise Pflegeanleitung: Sie mögen keinen Standortwechsel, weil sie ihre Blätter nur schwer nochmals drehen und wieder nach dem Licht ausrichten können. Also verstellen Sie sie nur im äußersten Notfall. Stellen Sie die Pflanze hell, aber nicht sonnig. Sorgen Sie für Luftfeuchtigkeit, aber besprühen Sie sie nicht. Und das Wichtigste: auf keinen Fall zu viel gießen. Die Pflanzen vertragen zu nasse Wurzeln überhaupt nicht. Am besten, sie trocknen im Winter zwischendurch immer wieder komplett aus. Auch wenn Sie eine zum Hochzeits- oder sonstigem Jubiläumstag geschenkt bekommen: lieber zu viel Salat essen als zu viel gießen...

GARTENLAUBE

Die meisten Begonien sind mehrjährig. Da sie leicht saure Böden bevorzugen, mögen sie es, wenn man sie mit Tee gießt oder der Erde Teeblätter zufügt. Sie mögen keine Zugluft und keine Temperaturen unter 16 Grad. Die Ausnahme bilden natürlich die erwähnten Knollenbegonien im Winterquartier. Obwohl so spärlich gegossen wird, brauchen sie als Starkzehrer viel Dünger, um als Dauerblüher ihre Dienste zu versehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2013)

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