Zum Bienenretten Würmer töten?

Regenwurm
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Gifte. Da er den Regenwurm über alle anderen Tiere schätzte, würde Darwin das Pestizid Force, das als Ersatz für Neonicotinoide im Gespräch ist, aus gutem Grund zum Teufel wünschen.

Jahre bevor Charles Darwin 1859 sein Werk über „Die Entstehung der Arten“ veröffentlicht hatte, begann er, sich ausführlich mit einem unscheinbaren Geschöpf zu befassen: dem Regenwurm. 1837 hielt er vor der Geologischen Gesellschaft Englands seinen ersten Vortrag über die Bestimmung dieser Erdbewohner. Man schenkte ihm kaum Gehör. Doch Darwin war ein unbeirrbarer Geist und hielt am Glauben fest, dass kaum ein anderes Tier als der Wurm eine wichtigere Rolle in der Geschichte der Erdentwicklung gespielt habe. Ein Jahr vor seinem Tod 1882 veröffentlichte er sein letztes Werk. Es hieß in deutscher Übersetzung „Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer“.

In Zeiten, in denen jene Gifte, die Bienen morden, durch solche ersetzt werden könnten, die den Regenwurm umbringen, ist es angebracht, eine Ode an den Wurm zu singen. Jeder Gärtner kennt dieses Lied. Je mehr Regenwürmer seine Erde durchwühlen, desto erfreulicher der Pflanzenwuchs. Denn Regenwürmer sind Bioturbatoren, also Lebewesen, die Böden durchwühlen, durchmischen und damit eine für die Bildung von Humus entscheidende Rolle spielen.

Ein Regenwurm unserer Breiten lockert das Erdreich bis zu drei Meter tief. Jeder, der mit Mulch arbeitet, kennt den Effekt: Steinharte Böden werden locker, fruchtbarer und leichter bewirtschaftbar, wenn eine Mulchschicht darübergebreitet ist. Die organischen Substanzen halten den Boden feucht und locken die Würmer an. Sie werden von ihnen gefressen und in Nährstoffe umgewandelt in den Boden transportiert. Dieser wird gelockert und belüftet. Die feinsten Pflanzenwurzeln, für die Aufnahme von Nährstoffen zuständig, orientieren sich gern an Regenwürmergängen und wachsen daran entlang.

Das hat einen Grund: Das Verdauungsprodukt des Regenwurms ist reiner Dünger. Wurmkot enthält im Schnitt fünfmal so viel Stickstoff, bis zu sechsmal so viel Magnesium und gar siebenmal so viel Phosphat wie normale Gartenerde. Wo viel Wurm, da viel aufgeschlossene Mineral- und Nährstoffe, die nur so von Pflanzen aufgenommen werden können. Pro Quadratmeter gesundem Boden leben ca. 100 bis 400 Würmer. Pro Hektar, rechnete Darwin vor, produzieren sie in nur einem Jahr an die 45t Wurmkotdünger. Heutige Schätzungen gehen gar von bis zu 100t aus. Das gilt aber nur für intakte Böden; ein Feind des Wurmes ist die sogenannte Kunstdüngung: Die industriell auf synthetischem Weg hergestellten Dünger erhöhen die Säure- und Salzkonzentration im Boden, was der empfindlichen Haut des Wurms abträglich ist.

Regenwürmer erreichen ein Alter von geschätzten drei Jahren, man weiß es jedoch nicht genau, vielleicht werden sie auch älter. Es gibt hierzulande rund drei Dutzend Arten, manche leben am liebsten im Kompost, andere bevorzugen die obersten Schichten des Erdreichs, andere die tiefen, sie kommen nur frühmorgens oder bei starkem Regen an die Oberfläche.

Im vergangenen Frühjahr trat ein vorübergehendes Verbot der Neonicotinoide in Kraft, die als Saatgutbeize gegen den Maiswurzelbohrer eingesetzt wurden, gleichzeitig aber auch zahllose Bienenvölker vernichteten. Die Überlegungen, Neonicotinoide nun durch ein Produkt mit Handelsnamen Force zu ersetzen, scheinen bei Andrä Rupprechter, dem neuen Landwirtschaftsminister, auf taube Ohren zu stoßen. Wie erfreulich! Sein Vorgänger, Nikolaus Berlakovich, hatte nicht einmal vermocht, sich der Veröffentlichung eingesetzter Pestizidmengen zu stellen, und sich auf sein „Amtsgeheimnis“ berufen. Eine ausgemachte Schande.

Zitat aus dem „EG-Sicherheitsdatenblatt“ des Herstellers von „Force“: „Sehr giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkung haben. Sehr giftig für Regenwürmer.“ Das steht unter „Besondere Gefahrenhinweise für Mensch und Umwelt“ und auf der Website des an der Börse notierten Herstellers Syngenta. Dessen schärfster Konkurrent ist ein Konzern namens Monsanto. Wenn man das Zeug einatmet, steht hier weiter zu lesen, möge man „künstliche Beatmung einleiten“. Noch Fragen?

GARTENLAUBE

Wer viele Regenwürmer anlocken möchte, stellt auf Kompostwirtschaft

um und verzichtet auf den Einsatz von Kunstdünger. Der Boden wird dann

auch nicht mehr umgegraben, sondern mit Grabgabel und Sauzahn bewirtschaftet.

Der Mulch ist des Wurmes Lieblingsspeise. Also versuchen Sie es zumindest ein Mal: Streuen Sie Mulch auf die magere und harte Krume, und dann können Sie beobachten, wie diese im Lauf des Jahres locker und humusduftend wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2014)

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