An die Scheren und die Sägen!

(c) Woltron
  • Drucken

In welchem Zusammenhang die Erfindung der Säge mit dem Hollerkoch steht, und warum andere Sträucher jetzt eben nicht gestutzt werden dürfen.

Exakt an jener Stelle, wo sich einst der Misthaufen meiner Ahnen befand, wachsen jetzt ein Holunder und ein Weinstock. Zumindest die Weinrebe war bereits gepflanzt, als man hier, wahrscheinlich über mehrere Generationen hinweg, die segensreichen Abfälle von Gemüsegarten, Kuh- und Ziegenstall auftürmte. Der Wein muss uralt sein. Seine Wurzeln dürften fast bis in die Unendlichkeit hinunterreichen. Er ist dermaßen wüchsig, dass er, obwohl er jährlich um genau diese Jahreszeit radikal zurückgeschnitten wird, die Bäume der Umgebung locker bis in die gut zehn Meter hohen Wipfel erklimmt, wenn man nicht aufpasst und ihn den Sommer über immer wieder nachstutzend in seine Schranken verweist.

Sein unmittelbarer Nachbar, der Holunder, dürfte etwas jünger sein. Wie vieles andere auch in diesem Garten hat er sich seinen Platz selbst gesucht. Wahrscheinlich, so kann man das sich jedenfalls vorstellen, rastete eines lang vergangenen Spätsommertages eine Amsel auf einer Weinrebe. Sie hatte zuvor eine Jause auf einer der zahllosen Hollerstauden der Umgebung eingenommen und war bei guter Verdauung. Ein kleiner Schmatzer, sie flog davon, der Holundersamen blieb und trieb, wie so gut wie alle hintangelassenen Holundersamen, aus. Das Ergebnis steht heute in Form eines prächtigen, weil vom alten Dung des Mistes gut genährten Holunders da.

Der wäre mittlerweile riesengroß und so lästig wie der Wein, wenn, ja wenn nicht zum Glück die Erfindung der Säge gemacht worden wäre, mittels derer der Holunder alljährlich – ebenfalls um diese Zeit – auf eine Art und Weise zurückgeschnitten wird, die manchen Gast erstarren und sich fragen lässt, ob er hier in einem Barbarenhaushalt gelandet sei. Nein, muss die Antwort lauten, Holunder zurückzuschneiden ist gar klug, wenn man Holundersaft, Holundersekt, Holunderküchlein, Holunderkoch und so weiter haben will. Denn der Großstrauch treibt seine Blüten am einjährigen Holz.

Das wissen jedoch die wenigsten, weshalb in vielen Gärten Holunder stehen, die unansehnlich und eher greisen Pappeln gleich sind: Lässt man den Holler ungestutzt, vergreist er schnell. Er wird knorrig und in den unteren Regionen mickrig kahl und treibt seine Blüten in einer Höhe, die höchstens von Weinstöcken wie meinem Methusalem erklommen wird.

Schneidet man ihn hingegen beherzt zurück, wird alles, was nach diesem Rückschnitt austreibt, saftig, frisch, kräftig und blütenreich. Nach diesem langen, poetischen Einstieg in die dieswöchige Kolumne können Sie ahnen, worauf ich hinauswill: Gehen Sie in den Garten, nehmen Sie eine Säge mit und schneiden Sie Ihren Holunder. Selbst wenn man ihn in Meterhöhe einfach kappt, wird er wieder austreiben und bis zum Juni zu einem erstaunlich dichten, schönen und blütenreichen Gewächs heranwachsen.

Und wenn Sie schon dabei sind, schneiden Sie gleich alle anderen Blütensträucher zurück, die am einjährigen Holz, also an jenen Zweigen blühen, die sie im Frühling entwickeln. Dazu zählen die Sommerblüher: beispielsweise die Buddleja, der Sommerflieder. Oder die Caryopteris, die im Herbst blau blüht. Beide sollten stark gestutzt und bis auf ein Drittel ihrer Höhe zurückgeschnitten werden.

Auch die Potentilla, der Fingerstrauch, wird viel üppiger blühen, wenn man ihm jetzt mit der Heckenschere zu Leibe rückt. Ein gutes Drittel kommt jährlich weg. Wenn Sie aber alte, schon vergreiste, weil nie gestutzte Potentillen ihr Eigen nennen, müssen Sie behutsam vorgehen. Zu tiefer Rückschnitt ins alte Holz wird mitunter nicht gut vertragen. Am besten schneiden Sie ihre Potentilla von Anfang an regelmäßig. Auch Weigelie, Spierstrauch und Hibiskus verlangen Rückschnitte. Letztere hatten sich hier über die Jahre zu sperrigen Hibiskusgerippen entwickelt, die kaum je Blüten trugen. Seit ich jedoch weiß, dass sie mit kühnen Schnitten ausgelichtet werden wollen, sind sie eine sommerliche Augenweide.

All das hier Geschriebene gilt nicht für die Frühblüher! Forsythie, Kolkwitzie, Japanische Zierquitte, Flieder und Ranunkelstrauch werden alle erst nach der Blüte geschnitten. Sie haben bereits im Herbst Blütenknospen angesetzt, die nur darauf warten, in der Frühlingssonne aufblühen zu können.

GARTENLAUBE

Faustregel: Die meisten Blütensträucher wollen, wie gesagt, geschnitten und verjüngt werden. Doch manche lässt man am besten ganz in Ruhe. Sicherheitshalber hier eine kleine Liste derer, die man gar nicht schneiden sollte: Zaubernuss, Magnolie, Seidelbast, Felsenbirne, Blütenhartriegel, Strauchahorn und Scheinhasel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.