Das feine Pflänzchen Subversion

Schneerosen
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In Städten nehmen freischaffende Gärtner die Bewirtschaftung brachliegender Flächen in die Hände. Das tut den Augen wohl, und den Nasen auch.

In einer Zeit, in der alles mit dem Wert des Geldes zu bemessen sein scheint, in der mit Gesetzesparagrafen und politischem Tun „situationselastisch“ und abseits aller Moral umgegangen wird, legt sich deutliches Murren über das Land. Während Banken ächzen, Politiker ledriges Sitzfleisch beweisen und mit ihren dicken Hinterteilen Budgetlöcher und andere schauerliche Abgründe zu verdecken suchen, damit keiner hinabblicken kann, geht allerorten leise das Pflänzchen der Subversion auf. Skandale, Krisen und das kaltschnäuzige Verweigern jeder Verantwortung bereiten ihm einen fruchtbaren Humus.

Böcke als Gärtner des Landes?

Des Eindrucks, das Land sei schlecht bewirtschaftet und eher von Böcken denn Gärtnern regiert, können sich die meisten von uns kaum mehr erwehren. Und da man sich machtlos fühlt, irgendetwas da oben zum Besseren zu verändern, zieht man sich, wie seinerzeit schon Epikur, Montaigne und andere größere Geister als unsereiner, recht gern in den Garten zurück. Doch erstens hat nicht jeder einen solchen, und zweitens schwebt irgendwie das Gefühl in einem selbst, auch Marc Aurel habe recht gehabt, als er schrieb: „Oft tut auch der unrecht, der nichts tut, nicht bloß, der etwas tut.“

Eine Art, diesem inneren Ungleichgewicht zu begegnen, zeigt sich, gleichwohl weitgehend unbemerkt, in den Städten. Immer mehr Menschen nehmen dort die Bewirtschaftung brachliegender, anscheinend vergessener, von keinem verantworteter und deshalb verwahrloster Freiflächen auf. Jahrzehntelang mehr oder weniger sich selbst überlassene Innenhöfe werden plötzlich zu Gemüsegärten, auf Verkehrsinseln tauchen Blumen auf, und selbst längste Zeit allein den Hunden überlassene Baumscheiben werden zum Ziel beherzter Bepflanzungen.

Einer dieser geheimen Stadtgärtner etwa wohnt neben einem grundsätzlich wohlgepflegten großen Wiener Park, wiewohl fast alle Parks der Bundeshauptstadt gut betreut sind. Doch immer dann, so berichtet er, wenn irgendwo eine Pflanze das Zeitliche segne, bemerke er das sofort und lasse die Gelegenheit niemals ungenutzt. Zu sehr früher Stunde eilt er dann unbemerkt hinaus in die Natur und ersetzt das Dahingegangene durch eine neue Pflanze, und zwar aus Prinzip durch eine solche, die auch Nutzen für die Allgemeinheit in Form von Früchten oder wohlriechenden Blüten stiftet. Auf diese Weise kam dieser Wiener Grünraum zu diversen Himbeerhecken, Apfel- und anderen Obstbäumen, zu Salbei- und Ysopstauden und auch zu Duftschneebällen. Die erfreuen die lustwandelnde Allgemeinheit derzeit durch ihre porzellanrosa Blütenbüschel, denn der Duftschneeball gehört zu den Spätwinterblühern, und seine bestechendste Eigenschaft ist sein abenteuerlich intensiver Wohlgeruch. So ein Duft- oder Winterschneeball Viburnum x bodnantense kann ein geräumiges Areal parfümieren. Man riecht ihn sozusagen schon von der Weite. Außerdem schaut er noch dazu schön aus, ganz nackt von Blättern, dafür rosa überhaucht.

Thujen durch Rosen ersetzen!

Ein anderer Subversivling befindet sich zur Miete in einer Wohnanlage. Er hatte seinerseits den Anblick öder Thujenwände satt, auf die sein Blick unweigerlich fallen musste, wenn er aus den Fenstern blickte. Auch in ihm keimte die Saat konstruktiven Widerstands. Irgendwann fällte er heimlich eine der Thujen, beseitigte ihre Reste und ersetzte sie durch eine starkwüchsige Rose. Die konnte er dann vom Wohnzimmer aus wohlgefällig blühen sehen. Zwischenzeitlich ranken Rosen auch vor dem Küchen-, Bad- und Arbeitszimmer. Eigentlich vor allen Zimmern, denn im Lauf der Zeit wurde die Thujenhecke immer schütterer, die Rosen immer üppiger, bis sie schließlich so sehr überwogen, dass die letzte Thuje auch keinen Verlust mehr darstellte. Wer lange fragt, so dachte er bei sich, geht weit fehl.

In Mieterversammlungen wurde die Auswechslung heftig debattiert, doch die vereinzelten Thujenbefürworter waren in der Unterzahl. Die meisten Mieter freuten sich vielmehr über die Rosen und spornten denjenigen, der sie ungefragt gepflanzt und gepflegt hatten, an, unbedingt weiterzumachen und sich auch der restlichen Ödnis befruchtend anzunehmen.

„Arbeite!“, empfahl Marc Aurel: „Aber nicht wie ein Unglücklicher oder wie einer, der bewundert oder bemitleidet werden will. Arbeite oder ruhe, wie es das Beste für die Gemeinschaft ist!“ Von manchen wünschte man, sie ruhten endlich von ihrem unsäglichen Tun, und von anderen, sie wüssten, was das überhaupt ist, Gemeinschaft, um dann endlich einfach wieder an die Arbeit zu gehen.

GARTENLAUBE

Winterblüher wie besagten Schneeball gibt es erstaunlich viele. Das ebenfalls duftende Winterblühende Geißblatt beispielsweise, den Winterjasmin, die Schneeforsythie, die Zaubernuss, die Schneeheide und die Schneerose. Letztere sollte in keinem Garten fehlen. Setzen Sie doch eine! Sie finden unter Garantie irgendwo einen trefflichen Platz für sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2014)

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