Die Natur regelt sich schon selbst

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Es gibt ein ewiges Werden und Wandeln, das formulierten einst die Philosophen Griechenlands. Die heutigen Menschen sollten das beherzigen und sich nicht zu viel einmischen.

Während viele Grünmärkte ein Pflanzengift nach dem anderen aus den Regalen räumen und durch biologisch wirksame Präparate ersetzen, machen „Pflanzenschutzkonzerne“ mobil. In fürsorglichen Aussendungen, lancierten Artikeln und anderen medialen Offenbarungen weisen hoch bezahlte Lobbyisten in rührigem Kummer darauf hin, dass die heurige Ernte unabänderlich verloren sei, kämen nicht sofort die Produkte der chemischen Industrie zur Anwendung. Warmer Frühling. Viel Regen. Läuse und andere infernalische Gefahren. Eine sich ankündigende Katastrophe!

Pflanzenschutzmittel klingt viel zeitgemäßer und eleganter als das gute alte „Pestizid“, auf jeden Fall aber erfreulicher als das, was das Zeug tatsächlich ist: Gift. Wir Hausgärtner sind für das Verspritzen von rund 17 Prozent aller Pflanzengifte verantwortlich, sollten uns also bei der Nase nehmen. Dieser Anteil dürfte jedoch in naher Zukunft deutlich schmäler werden. Stehen doch zig Alternativen zur Verfügung, und etwa die versuchsweise Bekämpfung von Läusen mit ölhaltigen, giftfreien Spritzmitteln erwies sich als letztlich wirksamer und vor allem dauerhafter als eine Spritzkur mit einem zwischenzeitlich ausgelisteten Gift.

Dieses war jedoch nur ein Experiment, um den Wahrheitsgehalt der diversen Beipacktexte zu überprüfen. Denn tatsächlich benötigt der passionierte Erdwühler mit ein wenig Erfahrung kaum je Unterstützung durch die Konzerne der chemischen Industrie.

Eines der besten Mittel gegen Läuse beispielsweise ist immer noch ein Guss mit stark verdünnter Brennnesseljauche. Die Bottiche der Nachbarin sind damit im Frühling stets wohlgefüllt. Es geht ihr um die Rosen. Die sind ihr heilig. Ein paar Läuse haben zwar noch nie geschadet, doch wenn sie in warmen feuchten Frühlingswochen gelegentlich in Massen an jungen Knospen saugen, können sie doch zur Plage werden.

Wir haben längst schon nicht nur die Gifte aus unseren grünen Heiligtümern verbannt, sondern auch die Kunstdünger. Wir haben sie durch ausgedehnte Mulch- und Kompostwirtschaft ersetzt. Alles, was an Grünem und an Astschnitt anfällt, wird gehäckselt, kompostiert, in Form dunklen Mulms auf Gemüse- und Blumenbeete aufgebracht. Das erwies sich über Jahre als wahre Wohltat für die Krume. Selbst steinharte Erde wird auf diese Weise mit Geduld und Ausdauer zu humosem, fruchtbarem Substrat. Die Natur regelt das selbst. Würmer durchwühlen die Erde und lockern sie, ein gesundes Bodenleben schließt die Nährstoffe auf, die ohnehin in ausreichendem Maß vorhanden sind, wenn man der Erde in Form von Kompost zurückgibt, was ihr vom Pflanzenwachstum entnommen wurde.

Kübel- und Topfpflanzen dagegen brauchen doch Nahrung in ihren begrenzten Wurzelkäfigen, und die bekommen sie in Form von Flüssigdünger. Der darf ruhig biotauglich sein, auch hier gibt es mittlerweile viele gute Produkte. Wieder einmal hat die Nachbarin eine überaus praktische Lösung für die Dosierung gefunden. Sie füllt den Flüssigdünger in ausgediente Spritzflaschen, in denen sich zuvor etwa Geschirrspülmittel befand. Sie erspart sich so das mühsame Herumfüllen in die Verschlusskappen, das Auswaschen derselben, das erstaunlicherweise dennoch stets darin mündet, verkrustete Düngerflaschenhälse nach sich zu ziehen. Ein Spritzer aus dem Fläschchen ins Gießwasser, immer ein bisschen weniger als angegeben, dafür regelmäßig – das ist die Lösung für Balkon- und Topfgärtner.

Die Nachbarin reiht sich mit diesem höchst praktischen Trick in eine lange Reihe begeisterter Rezyklierer, die die Grundstücke hier seit je bewirtschafteten. Es ist genug da von allem. Haselstöcke für die Bohnengerüste. Omas Suppensiebe für das Seihen der Jauchen. Einspritzfläschchen von der Urgroßmutter zum sanften Gießen der Sämlinge. In Form geschnittene Baustahlgitter, unsichtbar unter rankenden Pflanzen aller Art. Abgeschnittene Kunststoffflaschen als Miniglashäuschen über jungen Zucchinipflanzen. Nur das Bullauge der ausrangierten Waschmaschine, das der Großvater seinerzeit zur Salatschüssel umfunktionierte, ist verloren gegangen. Schade. Es hätte das Zeug zu einem Sinnbild gehabt.

GARTENLAUBE

Wenn Sie Kompostwirtschaft scheuen, dann lautet eine mögliche, sehr taugliche Alternative zum Kunstdünger: Bodenaktivator. Die Pulver aus natürlichen Substanzen werden oberflächlich eingearbeitet und regen das Bodenleben an. In jeder Handvoll Humus befinden sich an die zehn Milliarden Mikroorganismen. Sie zerlegen die Krume und schließen Nährstoffe auf, die von den Pflanzen aufgenommen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2014)

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