Jedes Ding hat drei Seiten

Topfgarten
TopfgartenUte Woltron
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Topfgärten. Neben Blumen- und Gemüsegärten hat auch der Dritte im Bunde seine Berechtigung: Der Topfgarten sorgt für Abwechslung und Vielfalt. Vor allem, wenn der Topf selbst zum wiederverwerteten Objekt der Begierde wird.

Jeder bekommt seine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer. Später erst zeigt sich, was darin war. Aber ein ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter, da mag einer die Kleider oder auch Kostüme wechseln, wie er will.“ So beginnt Heimito von Doderers Roman „Ein Mord, den jeder begeht“. Schön, wenn diese Eimer mit guten Dingen gefüllt waren: Wegzehrung für viele Jahre.

Doch auch die tatsächlichen Eimer und Kübel der Kindheit können nachwirken. Es gab viele von ihnen, und meistens waren sie gefüllt. In ausgedienten Weinfässern sammelte sich das Regenwasser.

In Weidlingen und Kübeln trug man die Früchte des Obst- und Gemüsegartens heim. In umfunktionierten Öltonnen gärte die Brennnessel- und andere Jauchen. Und in allen möglichen ausrangierten Büchsen, Dosen, Waschzubern und Töpfen wucherten Blumen, Kräuter und Gemüsepflanzen.

Möglicherweise rührt die Leidenschaft für zu befüllende und zu bepflanzende Gefäße aller Art aus dieser Zeit. Man kann als Gärtner jedenfalls nie genug Eimer, Tonnen und Töpfe haben. Nie. Übrigens ist auch die Geschichte der Gartenkultur voller Kübel, wir Kübelgärtner befinden uns also in bester historischer Tradition. Denn bereits die alten Ägypter verwendeten Pflanztöpfe. Sie verschifften darin die Myrrhebäume aus dem Lande Punt, wie die Wandreliefs im Tempel der Hatschepsut veranschaulichen.


Begrünte Palasthöfe.
Homer berichtet von den mit Kübelpflanzen reich begrünten Palasthöfen Griechenlands. In den Renaissancegärten Italiens begannen in Prachtgefäße eingetopfte Pflanzen auch in Gartenanlagen eine gewichtige Rolle zu spielen, und die französischen Barockgärtner ließen wenig später ganze Orangerien um ihre kälteempfindlichen Kübelpflanzen bauen.

Tatsächlich ist das Topfgärtnern auch heute nicht allein auf Balkon und Terrasse sinnvoll, sondern auch im Blumen- und Gemüsegarten. Eine Meisterin auf diesem Gebiet ist etwa die Dubliner Stadtgärtnerin Helen Dillon.

Sie komponiert nicht nur ihre Blumenbeete äußerst gekonnt, sondern zieht ihre Lieblingsblumen immer auch separat in großen Töpfen. Wenn die dann blühen, werden sie dort aufgestellt, wo man sie wohlgefällig betrachten kann. Sind sie abgeblüht, rücken sie wieder in den Hintergrund. Ihr liebstes Präsentationsgefäß sind hohe Zinktonnen, in die sie die Blumentöpfe hineinstellt.


Kein Verräumen im Herbst. Für bequeme Menschen ist diese Art der Topfkultur wie gemacht. Es eignen sich natürlich vor allem jene Pflanzen am besten, die winterhart sind. Denn sie müssen im Herbst nicht verräumt werden und treiben dennoch alljährlich wieder aus. Man braucht ja wirklich nicht dauernd alles neu zu erfinden, man muss, wenn man schlau ist, eben nicht jeden Frühling wieder Erde schleppen und neue Pflanzen setzen.

Eine der empfehlenswertesten ausdauernden Kübelpflanzen ist beispielsweise die Lilie, insbesondere in ihrer duftenden Ausprägung. Sie gedeiht viele Jahre bestens im Topf, vermehrt sich darin gewöhnlich recht kräftig, und kann zur Blütezeit wie ein Schmuckstück herumgetragen werden.

Storchschnäbel, Taglilien, Schleierkraut, Funkien, Farne, diverse Gräser, Fetthennen und Mönchspfeffer sind nur ein paar der möglichen Alternativen. Oder Ergänzungen – denn wenn man einmal angefangen hat mit dem Topfgärtnern, wird man nicht so bald wieder loskommen davon.


Von Schnecken geschätzt.
Selbst im Gemüsegarten hat der Pflanzkübel seine Berechtigung, insbesondere in dermaßen feuchten Jahren wie dem heurigen. An südlichen Hauswänden und unter schützenden Dachvorsprüngen gedeihen die Paradeiser jedenfalls in großen Gefäßen besser als dauerberegnet unter freiem Himmel. Auch verschiedene von Schnecken besonders geschätzte Kräuter zieht man besser im Topf. Denn dieser lässt sich mitsamt Untersatz in einen noch größeren Untersatz stellen. Letzterer wird geflutet, sodass eine Art uneinnehmbarer Burggraben entsteht. Der hält die Mollusken von der Jause fern.


Beträchtliche Hässlichkeit.
Zu den Regentonnen ist noch zu bemerken, dass die gängige grasgrüne, erstaunlich teure Kunststoffvariante nicht nur dazu neigt, im Winter aufzufrieren, sondern auch von beträchtlicher Hässlichkeit ist. Über Geschmack lässt sich zwar nicht streiten, aber mein altes Orangensaft-Fass ist frostsicher, eine Schönheit und hat nur zwei Euro gekostet. Schon Doderer wusste: „Es hat alles zwei Seiten. Aber erst wenn man erkennt, dass es drei sind, erfasst man die Sache.“

Lexikon

Regentonnen.
Holen Sie sich ein frostsicheres altes Prachtfass vom Altmetallhändler. Es kostet so gut wie nichts. Und wenn die Farbe nicht gefällt, greifen Sie zum Pinsel, in Gottes Namen.

Überwinterung.
Die Gefäße müssen zumindest 30 Zentimeter Durchmesser, besser noch mehr aufweisen, damit die Pflanzen durch den Winter kommen.

Wasserabfluss.Logischerweise ist er erforderlich, also werden die Böden umfunktionierter Pflanzengefäße mittels Nagel oder Bohrer durchlöchert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2014)

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