Wie ondulierte Damen nach dem Sturm

Astern bieten einen farbenfrohen Anblick.
Astern bieten einen farbenfrohen Anblick.Ute Woltron
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Astern. Sie sind zwar an Farbintensität kaum zu übertreffen, doch machen die langbeinigen Asternschönheiten mit ihrem ewigen Auseinanderfallen den Gärtnern das Leben mitunter schwer. Holen Sie lieber leichtfüßigere Varianten in den Garten!

An Waldrändern und auf den Feldrainen gleich hinter dem Garten blüht es seit ein paar Wochen in auffälligem, zartem Lavendelblau. Es handelt sich überraschenderweise um Astern, eindeutig. Mittelhoher Wuchs, reiche Blüte, gelbes Herz, weithin leuchtende Farbe. Sehr schön! „Aus welchem Gärtchen seid ihr denn in die freie Wildbahn geflohen?“, dachte ich vor einigen Jahren, als sie erstmals hier auftauchten. Doch der Verdacht, es handle sich bei den hübschen Stauden um vom Winde verwehte Sämlinge hochgezüchteter Sorten war falsch: Die Berg- oder Kalkaster, Aster amellus, ist eine heimische Pflanze. Sie blüht ab Juli und laut Literatur nur bis September, doch die Exemplare hier am Rande des Steinfelds leuchten auch jetzt im Oktober noch kräftig in vollen Sternchen.

Trockenheit, Wärme und kalkhaltige Böden bevorzugt die wilde Bergaster, und – wahrlich – all das ist ihr in unseren kargen Breiten in reichem Maß gegönnt. Wenn schon andere Pflanzen unter der chronischen Dürre des Bodens hier ächzen, der Bergaster gefällt sie offensichtlich. Die wilden Astern haben sich seit dem Vorjahr auch in meinem Garten angesiedelt und mischen sich jetzt mit ihrer fröhlich leuchtenden Blütenfarbe einigermaßen frech unter die hochwohlgeborenen Raublattastern, Aster novae-angliae, und Glattblattastern, Aster novi-belgii. Ich beobachte ihr vitales Wuchern mit Vergnügen, denn so schön und farbenprächtig die hohen Herbstastern auch sein mögen, sie können für den, der sie hegt und pflegt, eine Pein sein.


Vormals schön, nun lächerlich. Die vornehmen Cousinen sind deutlich anspruchsvoller als die standkräftige wilde Variante. Sie wollen Pflege, sonst verkahlen sie und kriegen Pilzkrankheiten. Sie brauchen viel Dünger, viel Wasser, alljährliche Kompostgaben und sollten alle paar Jahre ausgegraben und andernorts eingesetzt werden. Vor allem aber halten sie mit ihrer unangenehmen Bereitschaft, ab einer gewissen Höhe kläglich auseinanderzufallen, jeden Gärtner auf Trab. Ohne fremde Hilfe schauen sie bald aus wie eine wohlondulierte Dame mit Aufsteckfrisur, die frisch vom Friseur kommend in einen jähen Sturm geraten ist. Vormals schön, doch nun lächerlich. Aufbinden, Stäbe einschlagen, gegen jeden Windhauch absichern. Macht man das nicht, stürzen sie gnadenlos in alle Richtungen und begraben, da sie doch recht lange Stängel haben, ihre Umgebung unter Massen von blauen, lila, rosa Blütenbüscheln.

Diese sind allerdings atemberaubend anzuschauen, denn die im Herbst blühenden Astern werden an Farbintensität von anderen Spätblühern kaum überboten. Das Wasser können ihnen höchstens die ebenfalls so lang und kräftig blühenden, allerdings niedrigeren Fetthennen, Sedum, reichen. Letztere mit Ersteren zu kombinieren wäre ein Farbenrausch, doch das Sedum liebt die Trockenheit, die Aster die frische Feuchte. Schwierig. Eine Lösung dieses an sich nicht weltbewegenden, doch den experimentierfreudigen Gärtner quälenden Problems stellt die vergleichsweise freundliche und pflegearme, vor allem aber wesentlich niedriger wachsende Familie der Kissenastern dar. Diese wollen zwar auch keine allzu karge Erde, sind aber doch deutlich genügsamer als die hochwachsenden Arten.

Der Entschluss dieses Herbsts ist, nach langen Jahren des Astern-Aufbindens, Astern-Umsetzens, Astern-Bemutterns und Astern-aus-dem-Gehweg-Räumens, weil sonst der Garten unbetretbar würde, nun gefasst: Die langen Hoheiten kommen weg. Sie werden, sobald sie abgeblüht sind, eigenhändig ausgegraben und an die hintersten Zaunecken des Gartens verbannt. Dort können sie künftig von mir aus wuchern, zuunterst kläglich verkahlen und schließlich auseinanderfallen, wie sie wollen. Ich hingegen mag nicht mehr. Ich besorge mir jetzt Kissenastern als Ersatz.

Bis in den späten Oktober. Sie gibt es in Höhen von 20 bis 50 Zentimetern und bei einer Blütezeit bis in den späten Oktober hinein in allen erdenklichen Farbnuancen, von Weiß über Rosa, Silberblau, Lila bis Purpurrot. Das sollte für herbstliche Farbtupfer reichen.

Die wilden Astern, die in fast schon obszönen Massen im Sedumbeet aufgingen, habe ich im Lauf des Frühlings alle ausgerissen. Möglicherweise war das ein Fehler. Denn zumindest eine Pflanze wurde übersehen, hat sich durchgesetzt und blüht jetzt gerade in diesem wirklich aufregenden hellen Blau – und das macht sich ausgezeichnet in Kombination mit den knalllila Fetthennen. Nächstes Jahr dürfen sie stehen bleiben.

Lexikon

Blütezeit.
Tatsächlich gibt es Astern für alle Jahreszeiten. Schon ab Mai blühen etwa Alpenastern, dann kommen die Sommerastern. All die Arten sind in zahllosen Sorten zu haben.

Bergaster.
Sie gibt es nicht nur in der hellblauen wilden Variante, sondern auch in Zuchtform. Bergastern blühen oft schon im Sommer und vertragen im Gegensatz zu Herbstastern Trockenheit und Kalk viel besser.

Sommeraster.
Wenn Sie eine solche im Frühjahr erwerben, kaufen Sie tatsächlich keine Aster, sondern eine einjährige Staude namens Callistephus chinensis. „Echte“ Astern hingegen sind alle mehrjährig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2014)

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