Winzige wilde Kerle in Himmelblau

Leberblümchen
LeberblümchenUte Woltron
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Leberblümchen stehen unter Naturschutz, doch kommendes Wochenende kann man nebst vielem anderen auch Wildblumen wie diese auf der Raritätenbörse des Botanischen Gartens der Uni Wien kaufen, heimtragen und im Garten einbuddeln.

Wenn man den gerade überstandenen österlichen Winterstürmen etwas Gutes abgewinnen will, dann dieses: Die nur wenige Zentimeter hohen Leberblümchen blühen seit Wochen unverdrossen vor sich hin. Ihnen behagt die Kälte, die einsetzende Wärme wird dem himmelblauen Zauber ein jähes Ende bereiten, doch so schön wie heuer waren sie selten.

Die kleinen Leberblümchen sind wilde Kerle und – wenn man sich zu ihnen hinabbegibt, denn sie sind wirklich winzig – ein optisches Erlebnis, das jedem Garten zur Zierde gereicht. Die Wildblumen gedeihen an laubbedeckten halbschattigen Stellen am besten, da stecken sie früh im Jahr ihre Blütenköpfe durch das welke Blattwerk und zünden ihr kühles blaues Feuer. Für die Verbreitung der Pflanzen sorgen die Ameisen, die sich an den sogenannten Elaiosomen ihrer Samen nähren. Das sind fett- und zuckerhaltige Anhängsel, die den Insekten sehr schmecken, sie schleppen diese Jausenpakete quer durch Wälder und Gärten und säen die Blümchen auf diese Weise aus.

Als ich vor Jahren an dieser Stelle über meine Erwartungen an die Ameisen und den von ihnen erhofften Transport der im Nachbargarten bestens gedeihenden Leberblümchen in meinen eigenen berichtete, kam wenig später in einem zur Postbox umfunktionierten Milchpackerl eine ganze Leberblümchen-Pflanzenlieferung frei Haus. Doch hatte es geregnet, der Absender war unleserlich geworden, ich konnte mich leider nie für das Geschenk bedanken.

Wer immer die Leberblümchen so freundlich geschickt hat: Sie wachsen wunderbar, die Ameisen haben bereits ihren Radius verbreitert, die Leberblümchenpopulation blüht, und ich danke in Gedanken jeden Frühling dafür, oft vor ihnen auf dem Bauch liegend und den Fotoapparat im Anschlag.

Wer künftig ebenfalls den Leberblümchen-Kotau im eigenen Garten vollziehen will, aber noch keine Pflanzen hat, kriegt kommendes Wochenende die Gelegenheit dazu, welche zu erwerben: Die mittlerweile weit über Wien hinaus berühmte und gepriesene Raritätenbörse des Botanischen Gartens der Universität Wien begeht ihr 15-Jahres-Jubiläum und erweitert das Sortiment heuer, etwa um Wildblumen. Wie eben auch, nebst vielen anderen, um das zarte Leberblümchen.

Die sympathische Veranstaltung im 3. Bezirk der Bundeshauptstadt hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten Treffpunkte für Gartenfreaks jedweder Provenienz entwickelt, weil man dort so gut wie alles an Pflanzen kaufen kann, was man sonst lang suchen muss. Vor 15 Jahren war dieses Fest der Nutz- und Zierpflanzen, der Sortenvielfalt und des Ausgefallenen eine gemütliche, von einem überschaubaren Rudel Gartenversessener durchwandelte Kleinschau. Zwischen den einzelnen Besuchern gab es damals noch so etwas wie Luft und Raum. Das hat sich deutlich gewandelt, die Raritätenbörse zieht mittlerweile Massen ohne Ende an.

Als die Nachbarin und ich im vergangenen Jahr die doch recht weite Reise dorthin antraten, taten wir das angesichts unserer ohnehin völlig zugepflanzten Gärten aus Neugier und mit dem Vorsatz, eigentlich nur schauen zu wollen und, wenn überhaupt, lediglich das Allernötigste zu erwerben. Nach etwa einer Stunde konnten wir nur noch durch das grüne Dickicht miteinander kommunizieren, das jede von uns vor sich her schleppte. Nach einer weiteren sahen wir uns gezwungen, ein Basislager zu errichten. Zu guter Letzt hatten wir Schwierigkeiten, in das von der botanischen Beute ausgefüllte Auto zu klettern, um wieder heimzufahren.

Kann man an Kandelaber-Ehrenpreis vorübergehen? An Kaffirlimetten, besonderen Ochsenherzparadeisern und Riesenknopfblumen? Nein. Also bitte keine Kommentare. Holen Sie sich auch ein paar Leberblümchen. Im Wald ausgraben gilt nicht: Naturschutz!
Raritätenbörse des Botanischen Gartens der Universität Wien, 17. bis 19.4., 9.30 bis 18.00 Uhr, Rennweg 14, 1030 Wien, Eintritt frei, Spenden willkommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2015)

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